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Schlafen hinter Gittern in Stockholm

Schlafen hinter Gittern in Stockholm

Dass die Hauptstadt Schwedens nicht günstig sein wird, war klar. Aber dass ich kaum ein Zimmer für weniger als 100 Euro finden würde, ließ meine anfängliche Freude über den vermeintlich günstigen Flugpreis (359 Euro) deutlich schwinden. Selbst unter den privaten Anbietern gab es nichts Preiswertes, zumindest nicht in dem Viertel meiner Wahl: Södermalm.

Es gibt einige außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten in Stockholm, z. B. auf einem Schiff, in einer Boeing oder in einem ehemaligen Gefängnis. Letzteres fand ich besonders spannend und hatte Glück, dass es im Langholmen Hotel* noch genau ein freies Zimmer gab. Bezüglich des Preises machte ich angetrieben von meiner Neugier und mangels guter Alternativen einfach beide Augen zu. (* Partner-Link zu booking.com)

Die Verbindungen vom Flughafen in die Stadt waren entweder teuer oder umständlich. Für die Strecke zu meinem Hotel blieb nun die Wahl zwischen einem Taxi für mindestens 500 SEK (ca. 58 Euro) oder einem Bus oder Zug, den ich zum Teil mehrfach hätte wechseln müssen und was am Ende auch nicht weltbewegend günstiger gewesen wäre.

Also entschied ich mich für die 50-minütige Taxi-Fahrt. Auf die 10 Euro mehr oder weniger kam es mir jetzt ehrlich gesagt auch nicht mehr an. Zudem konnte ich unterwegs noch einiges von der Stadt sehen. Der restaurierte Gefängnis-Komplex besteht aus einer Kombination aus Hotel und Hostel. Beides befindet sich im selben Haus und unterscheidet sich durch eigenes oder gemeinschaftlich genutztes Bad sowie Frühstück in- oder exklusive.

Wer hier zu zweit übernachtet, muss sich darauf einstellen, dass man übereinander schläft, also in Etagenbetten. Die Säle mit den einzelnen Zellen an beiden Seiten wirken steril und trotz der Modernisierung authentisch. Zumindest soweit ich das mit meiner bisherigen Gefängnis-Erfahrung beurteilen kann.

Das Zimmer oder besser gesagt meine Zelle ist klein, sehr klein um genau zu sein. Der Wohnraum misst ungefähr 8 qm und das kleine Bad mit Waschbecken, Dusche und WC hat auch nochmals etwa 3 qm. Für eine Einzelperson ist der Platz im Grunde völlig ausreichend, zu zweit muss man aber schon ein paar Kompromisse eingehen. Ansonsten hat das Räumchen eigentlich alles, was man für eine Übernachtung braucht: Telefon, Fernseher, Safe, Garderobe, Spiegel, W-Lan und Strom.

Schwarz-weiß gestreifte Bettwäsche unterstreicht dezent das aufgekommene Knast-Gefühl. Das Fenster befindet sich ziemlich weit oben und rausschauen kann man nur, wenn man kleine, leiterähnliche Stufen erklimmt. Der Ausblick auf das Wasser ist den Aufstieg allerdings wert.

Das üppige Frühstück des Hotels kann sich mehr als sehen lassen und ist sicher das Gegenteil von dem, was die Häftlinge hier früher aufgetischt bekommen haben. Etwas ungewöhnlich ist nur, dass man sein Geschirr selbst wegräumen muss. Ob das in schwedischen Restaurants normal ist, werde ich noch herausfinden.

Ein absolut positiver Nebeneffekt dieses sehr nördlichen Reiseziels zu dieser Jahreszeit sind die vielen Sonnenstunden am Tag. Die Sonne geht hier erst gegen 22 Uhr unter, wodurch mir an diesem Abend noch überraschend viel Zeit für die kleine Insel Langholmen blieb.

Der große Vorteil dieser Unterkunft liegt in der wunderschönen Natur drumherum und der andererseits relativen Nähe zur Stadt. Bis zum trendigen Stadtteil Sofo sind es zum Beispiel gerade einmal 10-15 Minuten mit dem Fahrrad.

Langholmen ist auch ein beliebtes Ausflugsziel für die Stockholmer. 50 Meter vom Hotel entfernt befindet sich direkt ein kleiner Sandstrand und nur wenige Gehminuten entfernt befinden sich zahlreiche Bootsstege oder Felsen, auf denen man es sich bei dem endlos erscheinenden Sonnenuntergang gemütlich machen kann. Gute Plätze sollte man sich besonders an Wochenenden rechtzeitig sichern. Eine absolut traumhafte Kulisse!

Die Wahl dieser ungewöhnlichen Unterkunft war jedenfalls perfekt und den Übernachtungspreis (zwischen 90 bis 200 Euro pro Zimmer) halte ich zwar nicht für gerechtfertigt, aber in Anbetracht des allgemein sehr hohen Preisniveaus in dieser Stadt zumindest akzeptabel.

Meinen ersten Tag werde ich heute in Stockholm mit dem Fahrrad erkunden. Ich bin schon sehr gespannt, durch welche Maßnahmen sich diese Stadt mit ihren 14 Inseln seit einigen Jahren als Umwelthauptstadt Europas auszeichnet.

Zeige Kommentare (4)
  • Oooh wie schön!! Stockholm steht auch ganz oben auf meiner Reiseliste, allerdings haben mich die hohen Preise bisher dort abgeschreckt. Bin schon auf die nächsten Fotos gespannt! :-) Liebe Grüße

    • Hi Britta! Relativ günstig Urlaub machen ist hier schon möglich, wenn man früh genug bucht, öffentliche Verkehrsmittel nutzt und in Restaurants auf die Preise achtet bzw. sich selbst versorgt. Stockholm ist eine tolle Stadt, also nichts wie hin :)

  • Liebe Ute,
    bei Deinem Bericht war ich emotional live dabei: Wiiieviele schöne Stunden habe ich in den letzten Jahren genau an dem Strand vor Deinem Gefängnis-Hotel erlebt!!
    Wenn ich nicht so schrecklich klaustrophobisch veranlagt wäre, hätte ich dort sicher auch bereits einmal gewohnt. Die Idee, aus dem Gefängnis ein Hotel bzw. Vandrarhem zu gestalten, ist klasse.
    Bei meinem ersten Besuch auf Langholmen dachte ich allerdings noch anders über die Insel.. ;-)
    Langholmen kann auch unheimlich sein.. ;-)

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