Mit einem lauten Platschen begann mein Tag. Als ich die Augen aufmachte, gurkte ein Riesen-Tausendfüßler auf dem Steinboden durch meinen Bungalow und war auf der Suche nach kleinen Insekten. Er fiel wahrscheinlich von einem der Dachbalken und ich war ehrlich gesagt froh, von einem dichten Moskitonetz in meinem Bett umgeben zu sein.
Schon um halb acht zogen wir heute früh los in den nahe gelegenen Ankarana Nationalpark. Alle sagten, dass es furchtbar heiß werden würde und je früher desto besser. Ich dachte eigentlich, dass mich in Sachen Hitze nichts mehr schocken könnte, denn es war ja in den letzten Tagen schon extrem heiß gewesen. Aber ich sollte mich irren.
Der Besitzer York erzählte mir noch am Vorabend, dass es hier in der Trockenzeit bis zu 50°C heiß werden würde und hielt das für eine maßlose Übertreibung. Der Fahrer Jacques lieferte uns in dem Park ab. Im Office der Ranger hing eine Statistik der Besucher 2012, in der die Deutschen mit nur 2% schlecht abschnitten. Im gestrigen Nationalpark Montagne d’Arbre war es ähnlich, schade eigentlich.
Irgendwie hatte ich Angst vor der Antwort auf meine Frage, wie lange wir bei dieser Hitze wohl in diesem Park bleiben würden und schluckte die Frage runter. Ich wurde schon zu festem Schuhwerk, langer Hose, Getränken und Sonnencreme verpflichtet und das sprach Bände. Es hatte gestern geregnet und es würde wahrscheinlich rutschig werden, prophezeite mein Guide.
Es begann aber friedlich mit Wasserfällen und kleinen Lemuren, die grunzend durch das Geäst huschten oder sich in kleinen Baumlöchern ein gemütliches Plätzchen gesucht hatten. Irgendwie ähneln sie Gollum, dem Wesen aus Herr der Ringe – ich würde wetten, dass dieser Lemur die Vorlage für dieses Wesen war!
Schon wieder klatschte etwas neben mir auf den Boden. Diesmal war es kein riesiger Tausendfüßler, sondern eine kleine rote Schlange mit feuerroten Augen und minikleinen schwarzen Pupillen. Fifi, der gestern noch groß getönt hatte, dass er heute keine Angst mehr vor Schlangen hätte, blieb bei dieser hier sehr zurückhaltend. Mich erinnerte sie irgendwie an diese langen, dünnen Kaustangen, die man früher im Kiosk kaufen konnte.
Die Hitze war also tatsächlich schon zu dieser frühen Uhrzeit unglaublich schweißtreibend und das selbst im Schatten unter Bäumen. Und nun ging es auch noch auf dieses riesige, offene grau-schwarze Steinfeld namens Tsingy. Es fühlte sich an, als würde man über glühende Lava laufen. Viele der Steine waren extrem spitz, an denen ich ständig mit der Hose hängen blieb und stolperte.
Unebene Wege aus großen Steinen führten letzten Endes zu zwei Brücken, die über eine tiefe Schlucht gespannt war. Darauf bewegen durfte sich jeweils nur eine Person. Jetzt nur keine Fragen stellen, die einem im Kopf herumschwirren… Ist die schonmal gerissen? Ist dabei schonmal jemand umgekommen? Ich schwang mich auf die quietschende Stahlseil-Holz-Konstruktion.
Fifi wählte im Wald einen anderen Rückweg, der mir wesentlich besser gefiel. Wieder eine Tsingy-Gesteinsform, aber hier ging man durch die kleinen Schluchten hindurch, die mit wild geschwungenen Lianen bewachsen waren. Kakteen und Pilze säumten den Weg. Ein total verwunschener Ort!
Alleine hätte ich mich in diesem Park übrigens definitiv verlaufen. Vor kurzem ist wohl auch ein älterer Mann in diesem Labyrinth aus Wegen und Pfaden verstorben. Nach unserer vierstündigen Tour in der glühenden Hitze war ich im wahrsten Sinne des Wortes fix und foxi und sehnte mich nur noch nach einer kalten Dusche.
Am Nachmittag stand noch ein Ausflug in eine Höhle an und dann hatte ich auch erst einmal genug vom Abenteuer Regenwald. Bis auf Skorpione hatte ich alle Tiere gesehen, die auf der „To See“-Liste standen. Selbst große Schlangen befanden sich während der Autofahrt des öfteren am Straßenrand und verschwanden schnell im Gebüsch, sobald wir anhielten.
Ich habe mich in den letzten Tagen immer wieder gefragt, ob ich tagtäglich mit all diesen Krabbeltieren um mich herum leben könnte. Es ist wahrscheinlich Gewohnheitssache, aber für mich wäre das eine extreme Umstellung, zumindest mit Spinnen. Und außerdem – obwohl ich die Natur sehr mag – könnte ich nicht dauerhaft in der Natur ohne Zivilisation um mich herum leben und kann York nur bewundern, denn dafür muss man wirklich geschaffen sein.
Am Nachmittag führte der Guide mich in eine riesige Höhle namens Grotte des Chauve-Souris, die sich ebenfalls im Ankarana Park befand. Hunderte Stufen führten in den monströsen Schlund, aus dem man schon von weiterer Entfernung Fledermäuse kreischen hören konnte. Aber mir war klar, dass dort nicht nur süße Fledermäuse hausten. Die Höhle hatte zwei Eingänge, beide Wege hinein waren glitschig und eine extrem drückende Schwüle erwartete uns hier.
Meine achtbeinigen „Freunde“ gab es hier auch in beeindruckender Größe und Vielfalt. Mit einer kleinen Taschenlampe bewaffnet kraxelten wir in die Dunkelheit, in der wir abwechselnd riesige und zum Teil stark behaarte Spinnen an den Wänden fanden oder Knochen, die auf dem Boden lagen. Ob von Mensch oder Tier, kann ich nicht sagen. Laut Fifi waren es Menschenknochen, die dort zum Gedenken an eine frühere Zeit sozusagen aufgebahrt wurden.
Zum Tod haben die Madagassen ohnehin eine etwas ungewöhnliche Einstellung. Etwa drei Jahre nach der Beerdigung werden die Knochen des Toten wieder ausgegraben und in Verbindung mit einem großen Fest mit der Familie, dem Haus und der Umgebung in Kontakt gebracht, damit der oder die Tote zusagen noch einmal mit allen in der gewohnten Umgebung feiern kann.
Große Kakerlaken waren in den beiden Höhlen-Eingängen auch in beträchtlicher Anzahl vertreten. Sie ernähren sich hier von dem Kot der Fledermäuse. Am meisten beeindruckt haben mich aber definitiv die großen Spinnen in der Höhle, die sich einen etwa 3-4 cm großen Kokon gebastelt hatten und diesen weißen Ballon mit ihren langen Armen umklammerten. Zum Glück bewegten sich die Spinnen in dieser Höhle überhaupt nicht, was mich in der Dunkelheit beruhigte.
Ich hatte meine persönliche Mutprobe bestanden und war froh, dass ich alles hinter mich gebracht hatte. Am liebsten wäre ich auch heute Abend schon wieder zusammen mit Jacques, der unvorhergesehen zurück fahren musste, in die Zivilisation zurückgekehrt. Aber es kam besser. Am Abend erhielt ich von dem Gringo York viele Informationen über das Leben der Madagassen und die Entwicklungen, die hier in den vergangenen 20 Jahren stattgefunden haben. Atemberaubend!
Nach seinen Erzählungen möchte ich allerdings heute eines in diesem Land nicht werden: krank! Die medizinische Versorgung und Ausbildung der Ärzte ist hier offensichtlich dermaßen schwach, dass man sich bei größeren gesundheitlichen Problemen in jedem Fall in eines der Nachbarländer ausfliegen lassen sollte, z. B. nach Réunion oder Südafrika. Hoffen wir mal, dass bis zu meiner Abreise alles gut verläuft. Morgen ist mein letzter Tag in Madagaskar, den ich in Diego Suarez verbringen werde.
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