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Secondhand – Warum gebrauchte Kleidung nicht automatisch nachhaltig ist

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Warum Secondhand Kleidung nicht immer nachhaltiger ist
Foto © irynakhabliuk

Gebrauchte Kleidung zu kaufen fühlt sich heute als die beste Option an, wenn wir nachhaltiger leben und konsumieren wollen. Man verbraucht weniger Ressourcen und das auch noch zu einem niedrigeren Preis – eigentlich eine Win-win-Situation. Auf Plattformen wie Momox Fashion, Vinted oder Kleinanzeigen ist das Angebot riesig: fast alles lässt sich gebraucht finden, vieles sogar ungetragen. Seit vielen Jahren ist Secondhand für mich die erste Wahl; nicht nur der Umwelt zuliebe, sondern auch, weil es finanziell klüger ist.

Trotzdem hat sich über die Zeit herausgestellt, dass Secondhand nicht immer so nachhaltig ist wie gedacht. Daher habe ich mir die verschiedenen Formen des Shoppings genauer angeschaut, von großen Plattformen über private Verkaufs-Apps bis hin zum klassischen Flohmarkt. In jedem Abschnitt geht es darum, was tatsächlich nachhaltig ist und worauf man achten kann, wenn man wirklich bewusst kaufen will.

1. Momox Fashion – Zwischen Komfort und Konsumspirale

Momox Fashion ist der größte spezialisierte Online-Anbieter für gebrauchte Kleidung im deutschsprachigen Raum als Teil der Momox SE, die 2024 einen Umsatz von 377 Millionen Euro erzielte. (Quelle).

Secondhand per Paket ist oft nicht nachhaltig
Je mehr du bestellst und zurückschickst, desto weniger nachhaltig wird es (Foto: Kaboompics.com / Pexels)

Kostenloser Versand als Konsumtreiber

Ab einem Bestellwert von 50 Euro ist der Hin- und Rückversand kostenlos. Wer über Zahlungsdienste wie Klarna bestellt, hat mit einem Zahlungsziel von 30 Tagen erstmal keine Kosten. Das führt zu einem Verhalten, das dem Gedanken nachhaltigen Konsums widerspricht: Es wird viel bestellt, anprobiert, zurückgeschickt, und jede einzelne Bestellung und Retoure verursacht Emissionen, Verpackungsmüll und einen immensen logistischen Aufwand.

Um eine einzige passende Jeans zu finden, müsste ich online etwa 15 Modelle bestellen – und 14 wieder zurückschicken.

Marge und Preisgestaltung

Momox zahlt im Ankauf von Kleidung oft nur wenige Euro: 3,87 Euro für ein Langarmshirt, 8,77 Euro für eine Jacke, 9,72 Euro für ein Paar Sneaker. Im Verkauf liegen die Preise dann bei 34,90, 77,90 oder 115,90 Euro. Das entspricht Aufschlägen von bis zu 1.400%! Selbst wenn man Versand, Retouren und Lagerhaltung berücksichtigt, stellt sich die Frage, ob das ein fairer Kreislauf ist oder schlicht ein lukratives Geschäftsmodell. Zumal manche Produkte gebraucht teurer sind als vergleichbare Neuware im Sale.

Qualität oft enttäuschend

In Bewertungen auf Trustpilot berichten Käufer:innen regelmäßig von schlechter Produktqualität. Kleidungsstücke werden als „neuwertig“ oder „sehr gut“ beschrieben, kommen aber ab und zu mit Pilling, Flecken, Rauchgeruch oder ausgeleierten Knopflöchern an. Das ist besonders deshalb irritierend, weil Momox beim Ankauf der Sachen genau solche Mängel oft als Ausschlusskriterium nennt und ablehnt. Rücksendungen werden somit zur Regel, nicht zur Ausnahme.

Fazit zu Momox Fashion

Je größer und komfortabler das System wird, desto mehr verlagern sich die ökologischen Kosten vom Produkt auf den Prozess: Verpackung, Transport, Retourenabwicklung. All das summiert sich. Die eigentliche Idee von Secondhand, nämlich Ressourcen zu schonen, wird durch die Logik von Bequemlichkeit und hohen Margen unterlaufen. Wer bewusst konsumieren will, sollte genau hinschauen.

Secondhand: Wann kaufe ich Mode wirklich nachhaltig
Kleidung privat kaufen und verkaufen ist oft die günstigste Variante (Foto: Liza Summer / Pexels)

2. Private Secondhand-Plattformen: Vinted, Kleinanzeigen & Co

Auf Plattformen wie Vinted oder Kleinanzeigen kaufen und verkaufen Nutzer:innen direkt untereinander, oft zu deutlich günstigeren Preisen als im Secondhand-Online-Handel. Das wirkt besonders nachhaltig, ist es aber nur dann, wenn die Kleidung auch wirklich getragen wird.

Wenn Kleidung nicht passt oder nicht gefällt, ist eine Rückgabe in der Regel nicht möglich. Der Weiterverkauf verbraucht wieder Ressourcen und wer ein Teil nicht weiterverkaufen kann oder will, behält es dann ungetragen oder gibt es irgendwann in die Altkleidersammlung. So landet gebrauchte Kleidung dann ungenutzt im Kleiderschrank statt wieder im Kreislauf.

3. Lokale Secondhand-Angebote: Läden, Flohmärkte und Popup-Events

Wer gebrauchte Kleidung direkt vor Ort kauft, spart nicht nur Verpackung und Versand, sondern sieht sofort, ob ein Teil wirklich passt. Das senkt die Rücklaufquote auf null und reduziert Fehlkäufe auf ein Minimum. Secondhand-Läden, Flohmärkte, Kleidertausch- oder Popup-Events bieten eine direkte, einfache Form des Wiederverwertens und das ohne zusätzlichen logistischen Aufwand.

Gleichzeitig stärkt man mit dem Kauf lokale Anbieter, die oft mit viel Engagement arbeiten und nachhaltige Alternativen zum Massenkonsum schaffen. Persönliche Beratung, bewusstere Auswahl und ein engerer Bezug zur Kleidung machen hier definitiv einen Unterschied. Wer Secondhand lokal kauft, unterstützt damit nicht nur kleine Läden, sondern reduziert auch Verpackungsmüll, Transportwege und Fehlkäufe – und trifft damit die nachhaltigste Wahl.

Vintage Kleidung Pop Up Event in Köln Ehrenfeld
Vintage Kleidung und Pflanzen auf einem Pop-Up-Event in Köln-Ehrenfeld

Fazit

Secondhand ist eine gute Möglichkeit, Kleidung ressourcenschonender zu nutzen, aber es ist nicht immer und nicht automatisch die nachhaltigste. Manchmal lohnt sich auch das neue, langlebige Markenprodukt, wenn es über viele Jahre hinweg getragen wird. Entscheidend ist daher nicht, ob etwas gebraucht oder neu ist, sondern ob es wirklich passt, lange genutzt wird und nicht nur im Schrank verstaubt. Wer sich beim Auswählen Zeit lässt und nur kauft, was wirklich gebraucht wird, trifft damit oft schon die nachhaltigste Entscheidung.

Anmerkung: Plattformen wie Sellpy, Zalando Pre-owned, H&M usw. wurden in diesem Artikel nicht berücksichtigt, da sie zu Modefirmen gehören, bei denen Secondhand oft nur ein kleiner Teil der Gesamtstrategie ist. Häufig dient das Angebot eher dem Image als echter Nachhaltigkeit. Dieser Artikel beschränkt sich deshalb bewusst auf drei Wege, wie man Secondhand-Kleidung kaufen kann und was sie tatsächlich bewirken.

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Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin dieses Online-Magazins teile ich seit 2013 meine Begeisterung fürs Reisen und eine bewusste Lebensgestaltung. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich zudem verstärkt mit gesellschaftlich relevanten Themen.

2 Kommentare

  • Für mich ist momoxfashion schon ein gut funktionierender Kreislauf. Um mal beim Beispiel Jeans zu bleiben: ich trage Größe 25/32, da kann ich auf Flohmärkten lange suchen, das wird nix. Bei Momox kann ich nach Größe, Länge und Preis filtern, das ist schon sehr praktisch. Ich finde da problemlos Jeans für um die 10€, das klappt im Sale definitiv auch nicht. Momox gibt bei Jeans übrigens auch die genauen Maße an (bei Oberteilen leider nicht), also Bund und Innenbeinlänge. Ich nehme mir immer eine gut sitzende Jeans, lege das Maßband an und wähle dann so aus, dass höchstens 1-2cm abweichen. Man kann auch direkt nach Lieblingsmarke filtern, damit kommen manche Frauen vielleicht besser zurecht.
    Dass die Qalität abschmiert, kann ich bisher nicht bestätigen, bis auf winzige Mängel war ich zufrieden.
    Was die Ankaufspreise angeht: zufällig habe ich selber vor ein Wochen ein Paket hingeschickt und will hier mal ein persönliches Beispiel beschreiben. Ein Hallhuber-Mantel in sehr gutem Zustand, reduziert habe ich 140€ gezahlt, der Neupreis lag bei 250€. Bekommen habe ich knapp 10€ und neu reingestellt haben sie ihn für knapp 100€. Wobei ich da jetzt nicht sauer bin. Man kriegt den Preis ja vorher mitgeteilt und kann sich dann frei entscheiden. Ich glaube auch, beim Thema Kleidung unterschätzt man den Aufwand, was Produktprüfung und Logistik angeht.

    • Hallo liebe Claire,
      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und schön, dass du mit Momox gute Erfahrungen gemacht hast. Wenn man eine spezielle Größe hat, ist das natürlich praktisch und kann den Einkauf erleichtern. Ich finde es auch gut, wenn Secondhand so unkompliziert zugänglich wird; wenn es andererseits aber so bequem wird, dass man immer mehr bestellt, weil günstig und praktisch, ist der Gedanke der Nachhaltigkeit eben hinfällig.
      Mit dem Artikel wollte ich genau diesen Punkt in den Blick nehmen: Dass das System als Ganzes eine Dynamik entwickelt, die mit nachhaltigem Konsum nicht mehr viel zu tun hat, wenn Bestellungen nur auf Verdacht getätigt werden. Gerade bei Jeans oder Sneakern kann es trotz guter Qualität und exakter Angaben zu Retouren kommen, weil Passform, Material oder Schnitt einfach nicht stimmen. Wer dann mehrfach bestellt und retourniert, trägt ungewollt dazu bei, dass sich der logistische Aufwand und der ökologische Fußabdruck erhöhen – und damit zeitgleich auch der Preis der Produkte.
      Es geht mir nicht darum, Plattformen wie Momox grundsätzlich schlechtzureden, sondern um die Frage, was solche Systeme strukturell bewirken, wenn sie massenhaft genutzt werden. Und ich glaube, genau diesen ehrlichen Blick braucht es, wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen.
      Viele Grüße!

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