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Menschen fotografieren auf Reisen – Was darf man und was nicht?

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Fotografieren auf Reisen - Was darf man und was nicht?
Foto © Ahmed / Unsplash

In den vergangenen Jahren hat sich unsere Art zu fotografieren stark verändert. Menschen und Gesichter aus aller Welt erscheinen heute ganz selbstverständlich in Bildern und Videos: im Café, auf der Straße, am Strand, beim Spazierengehen. Auf Instagram, TikTok oder in Blogs wirkt das oft beiläufig und harmlos. Nur stellt sich dabei immer die Frage, ob diese Personen überhaupt wissen, dass sie fotografiert oder gefilmt wurden. Und ob sie es gut finden würden, ohne ihr Wissen irgendwo abgebildet zu sein.

Was früher noch ein einfacher Schnappschuss war, wird heute durch Social Media massenhaft geteilt – dauerhaft, auffindbar und ohne jede Kontrolle für die abgebildeten Personen. Genau deshalb lohnt es sich meiner Meinung nach, einmal nüchtern hinzuschauen: Was ist eigentlich rechtlich erlaubt? Was ist ethisch vertretbar? Und wo verläuft die Grenze zwischen einer schönen Szene und einem Bild, das eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist? Hier sind einige Punkte, auf die man achten sollte, wenn man es richtig machen möchte:

1. Was ist erlaubt? Fotografieren vs. Veröffentlichen

Rein rechtlich muss man zwei Dinge unterscheiden: das Fotografieren und das Veröffentlichen eines Fotos.

Fotografieren: In den meisten Ländern darf man Menschen im öffentlichen Raum grundsätzlich fotografieren. Plätze, Straßen, Märkte, Cafés – all das fällt in die Kategorie „öffentlicher Raum“. Das heißt jedoch nicht, dass jede Aufnahme automatisch unproblematisch ist. Situationen, in denen Menschen verletzlich, entkleidet oder eindeutig privat sind, sind tabu; auch ohne ausdrückliches Gesetz.

Veröffentlichen: Der entscheidende Punkt ist, was nach dem Foto passiert. Sobald ein Foto oder Video online gestellt, geteilt oder gespeichert wird, greifen Persönlichkeitsrechte. In Deutschland und auf jeder europäischen Plattform gilt: Eine erkennbar abgebildete Person muss der Veröffentlichung zustimmen, auch wenn das Foto im Ausland entstanden ist.

Die Faustregel ist deshalb recht einfach:

Fotografieren ist meist erlaubt.
Veröffentlichen braucht fast immer Zustimmung.

Aber: Selbst wenn man juristisch auf der sicheren Seite wäre, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Bild auch fair oder respektvoll ist.

Menschen auf Reisen fotografieren - Was darf ich und was nicht?
Obwohl viele Personen im Bild sind, lässt sich das Foto veröffentlichen: Niemand ist eindeutig zu identifizieren. (Foto: leoon liang / Unsplash)

2. Warum Zustimmung nicht immer echte Zustimmung ist

In vielen Ratgebern heißt es: „Frag einfach vorher.“ In der Praxis und vor allem auf Reisen in fremden Ländern funktioniert das jedoch nur begrenzt. Ein Nicken einer Person bedeutet nicht automatisch, dass sie oder er sich wirklich wohl mit ihrem bzw. seinem Einverständnis fühlt, besonders dann, wenn Alter, Geschlecht, Sprache oder sozialer Hintergrund eine Rolle spielen.

Höflichkeit ist kein Einverständnis.

Viele Menschen sagen aus Respekt oder Höflichkeit „ja“, obwohl sie meist gar nicht wissen, was mit diesem Foto oder Video geschehen wird. Ältere Personen, Frauen in traditionellen Gesellschaften, Kinder oder Menschen in prekären Situationen stimmen oft reflexhaft zu, weil sie nicht unhöflich sein möchten, vielleicht etwas wie ein wenig Geld dafür erwarten oder das Gefühl haben, sie hätten keine echte Wahl.

Machtgefälle verstärken das Problem.

Eine Reisende oder ein Reisender mit Kamera hat automatisch mehr Kontrolle über die Situation als die Person vor der Linse. Schon die Frage „Darf ich ein Foto machen?“ erzeugt dieses Ungleichgewicht, vor allem in ärmeren Regionen oder touristischen Hotspots. Selbst wenn jemand lächelt oder nickt, heißt das nicht zwingend, dass die Person die Konsequenzen versteht, zum Beispiel, dass das Bild später weltweit auf Social Media auftaucht. Deshalb reicht diese Art von Zustimmung allein unter ethischen Gesichtspunkten nicht als Maßstab.

Man sollte sich in solchen Situationen zusätzlich fragen:

Ist diese Person wirklich frei in ihrer Entscheidung oder nur höflich, überrumpelt oder eingeschüchtert?

Genau hier beginnt die Grenze, die eigentlich immer wichtiger sein müsste als die rein rechtliche.

Menschen auf Reisen fotografieren - Was darf man und was nicht?
Ohne Einwilligung unzulässig: Die Frau ist klar erkennbar und handelt in einem religiösen Kontext (zur Veranschaulichung habe ich das Gesicht verpixelt). Selbst wenn sie vor Ort zugestimmt hätte, wären die Folgen der Veröffentlichung wie über eine Million Aufrufe und tausende Downloads für sie kaum nachvollziehbar gewesen. (Foto: Monthaye / Unsplash)

3. Wann Alltagsszenen okay sind – und wann nicht

Viele der schönsten Reisefotos entstehen zufällig: Menschen auf einer Piazza in Italien, zwei Freunde im Gespräch, die alte Frau mit den markanten Gesichtszügen, Kinder beim Spielen in einem Brunnen. Gerade die emotionsgeladenen Fotos klicken gut in den sozialen Medien. Und ja, sie sind oft möglich, ohne jemanden zu überfahren oder bloßzustellen.

Der Unterschied liegt darin, wie nah man an einer oder mehreren Personen ist und welchen Fokus man setzt.

Was in der Regel unproblematisch ist:

  • Menschen sind Teil der Szene, aber nicht das Hauptmotiv
  • Gesichter sind nicht klar erkennbar (Rücken, Silhouette, Unschärfe)
  • Größere Abstände: Straßenszene, Café-Atmosphäre, Marktgeschehen
  • Perspektiven, bei denen niemand einzeln herausgelöst oder exponiert wird

→ In diesen Fällen steht der Ort im Vordergrund, nicht die Person. Der Blick der Kamera ist beobachtend, nicht übergriffig.

Problematisch ist es, wenn…

  • einzelne Personen klar erkennbar und im Zentrum des Bildes stehen
  • ein Gesicht oder ein privater Moment „herausgepickt“ wird
  • jemand offensichtlich nicht merkt, dass er fotografiert wird
  • die Situation intime, verletzliche oder komische Momente zeigt
  • Situationen so aussehen, dass sie viral gehen könnten („lustige ältere Frau“, „merkwürdiger Mann“, „süßes Kind“)

→ Hier ist der Übergang von Atmosphäre zu persönlichem Eingriff.

Eine Faustregel, die man sich gut merken kann:

Wenn man die Person durch die Kamera zur „Hauptfigur der Geschichte“ macht, braucht man deren Zustimmung. Wenn die Person Teil des Gesamtbildes bleibt, reicht Rücksicht.

Damit bleiben Alltagsszenen möglich, aber ohne den Blick auf einzelne Menschen zu simplifizieren oder in private Momente hineinzugreifen.

Menschen auf Reisen fotografieren - Was ist erlaubt und was nicht?
Die Person erscheint lediglich als anonyme Silhouette und ist nicht identifizierbar, daher darf das Foto veröffentlicht werden. (Foto: yousef alfuhigi / Unsplash)

4. Sensible Situationen: Kinder, Frauen, Armut, Religion

Einige spezielle und meist attraktive Motive tauchen auf Reisen immer wieder auf und hier erfordert es einen besonders sensiblen Umgang. Nicht, weil es „verboten“ wäre, sondern weil die Menschen in diesen Situationen oft wenig Kontrolle darüber haben, wie sie dargestellt werden.

  • Kinder: Viele Kinder wirken auf Fotos süß, niedlich oder lustig, aber sie können nicht einschätzen, was ein veröffentlichter Schnappschuss bedeutet. Daher sollten diese Grundsätze immer gelten:
    – nie nackt
    – nie einzeln im Fokus
    – nie erkennbar ohne Zustimmung der Eltern
    – im Zweifel: gar nicht
  • Frauen in traditionellen Gesellschaften: Frauen sagen aus Höflichkeit fast immer „ja“, auch wenn sie innerlich „nein“ meinen – oft aus sozialen Gründen. Daher sollten diese Grundsätze gelten:
    – keine Nahaufnahmen
    – keine „heimlichen“ Momente
    – kein Herauslösen aus dem Kontext
  • Armut oder verletzliche Situationen: Menschen in schwierigen Umständen als „authentisches Motiv“ zu benutzen, ist ebenfalls ein großes Problem. Daher immer:
    – keine Porträts von Bettelnden, Leidenden, Kranken oder Obdachlosen
    – keine Bilder, die jemanden unwürdig oder unfrei darstellen
  • Religion und Rituale: Tempel, religiöse Zeremonien und private Rituale sind kulturell sensibel. Hier sollte man nicht einfach drauflos fotografieren. Daher:
    – vor Ort nachfragen, ob es erlaubt ist
    – Abstand halten
    – nie frontal ins Gesicht fotografieren

Vielleicht am einfachsten zu merken:

Was du selbst nicht von dir im Internet sehen möchtest, solltest du auch nicht von anderen aufnehmen und veröffentlichen.

Damit bleibt immer noch genügend fotografischer Spielraum, ohne jemanden in eine Situation zu bringen, die er nicht selbst gewählt hat.

Kinder auf Reisen fotografieren - Was darf man und was nicht
Kinder sind häufig Reisemotiv, weil sie nicht widersprechen, aber rechtlich und ethisch heikel. Kinder dürfen ohne Zustimmung der Eltern nicht gezeigt werden, besonders nicht in traditioneller Kleidung. Das Gesicht habe ich zur Demonstration anonymisiert. (Foto: Kyle Petzer / Unsplash)

5. Wie man Menschen fair und respektvoll fotografiert

Respektvolle Reisefotografie ist kein kompliziertes Regelwerk, sondern beginnt mit ein paar einfachen Entscheidungen, die den Unterschied machen zwischen einem schnellen „Schnappschuss“ und einer bewussten Aufnahme. Hier sind ein paar Anhaltspunkte, die es erleichtern können, zu entscheiden:

  • Abstand wählen: Viele Situationen lassen sich genauso gut oder sogar besser festhalten, wenn man ein paar Schritte zurücktritt. Bedeutet: Szene statt Gesicht, Stimmung statt Person.
  • Blickkontakt nutzen: Ein kurzer, offener Blick zur Person genügt manchmal. Wenn der Blick zurückkommt, neutral oder positiv, ist die Situation in der Regel unkritisch. ABER: Wenn jemand wegsieht oder irritiert wirkt: Kamera senken.
  • Nicht heimlich fotografieren: Aufnahmen aus der Hüfte, Zooms auf einzelne Menschen oder „lustige“ Situationen auf Märkten oder in Cafés sind selten fair und wünschen wir uns für uns selbst auch nicht. Das gilt besonders in Zeiten von TikTok, wo Fremde ungewollt viral gehen können.
  • Menschen zeigen, aber nicht bloßstellen: Bewegungsunschärfe, Rückansichten, Schatten, Spiegelungen, Aufnahmen durch Fenster – all das schafft meist Authentizität, ohne Privatheit zu verletzen.
  • Kurz fragen, aber ohne Druck: Ein freundliches „Photo okay?“ oder ein Zeigen auf die Kamera reicht. Wenn der Blick unsicher ist: lieber lassen.
  • Bild danach zeigen: Eine Kleinigkeit, aber wirkungsvoll. Es signalisiert Respekt, Transparenz und Augenhöhe.

Respekt ist kein Hindernis für gute Fotos. Oft ist er die Voraussetzung dafür.

Menschen fotografieren auf Reisen - Was man darf und was nicht
Unauffällig und anonym: Das Gesicht ist nicht sichtbar, die Situation neutral. Solche Fotos sind in der Reisefotografie ohne Einwilligung zulässig. (Foto: Dave Weatherall / Unsplash)

6. Warum bestimmte Motive problematisch sind – auch wenn sie „schön“ aussehen

Viele Reisefotos zeigen immer wieder dieselben Menschen: Kinder in traditioneller Kleidung, ältere Frauen in bunten Saris, Menschen bei oft harter Arbeit oder in Armut. Diese Motive wirken attraktiv und „authentisch“, aber sie verstärken unbewusst ein Muster:

Wir fotografieren andere so, wie wir selbst nie fotografiert werden möchten.

Das Problem ist nicht das Foto selbst, sondern die Perspektive dahinter:

Wer auf Reisen vor allem Menschen fotografiert, die ärmer oder „exotischer“ wirken als man selbst, schafft ein Ungleichgewicht – auch ohne böse Absicht.

Hier hilft eine einfache Frage: Würde ich mich selbst in dieser Szene von einer fremden Person fotografiert sehen wollen? Wenn die Antwort „nein“ ist, sollte man die Kamera lieber unten lassen.

Fazit: Bewusst fotografieren, bewusster handeln

Reisefotografie lebt von Momenten, die wir unterwegs beobachten: kleine Szenen, Alltagsgesten, Gesichter. Doch nicht jeder dieser Momente gehört automatisch auch uns. Menschen sind keine Motive, sondern Teil eines Ortes, einer Kultur, eines Lebens, das wir nur kurz streifen.

Je bewusster wir fotografieren, desto klarer wird der Unterschied zwischen einem Bild, das wir einfach „mitnehmen“, und einem Moment, den wir respektvoll behandeln. Mir ist das erst richtig bewusst geworden, als ich mich für diesen Artikel intensiver mit dem Thema beschäftigt habe. Viele Dinge wusste ich, andere habe ich selbst unterschätzt.

Die meisten Aufnahmen sind also weiterhin möglich, aber mit einem klaren Unterschied: Fotografieren ist das eine, Veröffentlichen etwas völlig anderes. Ein Foto kann ein schöner Moment für uns sein, aber online wird es zu etwas Dauerhaftem, Sichtbarem und oft Unkontrollierbarem für die abgebildete Person. Genau hier entscheidet sich, ob eine Szene respektvoll bleibt oder zu weit geht.

Am Ende geht es hier nicht darum, weniger zu fotografieren, sondern bewusster zu entscheiden, welche Bilder überhaupt ins Netz gehören und welche besser im eigenen Album bleiben.

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Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar, sondern eine allgemeine Orientierung zum Umgang mit Fotos im öffentlichen Raum. Rechtslagen können je nach Land variieren.

Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin dieses Online-Magazins teile ich seit 2013 meine Begeisterung fürs Reisen und eine bewusste Lebensgestaltung. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich zudem verstärkt mit gesellschaftlich relevanten Themen.

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