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Weniger arbeiten, weniger verdienen, besser leben?

Weniger arbeiten, weniger verdienen, besser leben?

Weniger arbeiten, besser leben? - Reisemagazin Bravebird

Bereits von Kindesbeinen an scheint das Leben vorprogrammiert. Es gleicht einer asphaltierten Straße, von der man sich mal für kurze Zeit über eine Seitenstraße entfernen kann, aber im Grunde wird einem die Richtung und Fahrweise bereits von Kleinauf eingeimpft. Grundschule, weiterführende Schule, Ausbildung oder Studium und dann bestenfalls ein Beruf, der einem über etwa vierzig Jahre nicht nur möglichst gute Einkünfte einbringt, sondern auch noch eine ausreichende Vorsorge für das Alter ermöglicht.

Sicherheit steht dabei an oberster Stelle. Man möchte sicher wohnen, arbeiten und reisen, sozial und finanziell abgesichert sein, im Streit- oder Notfall auf professionelle Hilfe zurückgreifen können, einen festen Freundeskreis haben und ein sicheres Nest daheim, in das man sich in allen nur erdenklichen Fällen immer zurückziehen kann. Die meisten dieser Punkte haben nur einen Haken: sie kosten Geld! Allein das Rundum-Wohlfühlpaket Wohnen sowie jegliche Art von Versicherung und Absicherung lässt überhaupt keinen Zweifel daran, dass man an einer Sache nicht vorbeikommt: Arbeiten und Geld verdienen!

Wie auch immer die 40-Stunden-Woche entstanden ist – man wächst vollautomatisch in sie hinein. Und in der Zeit der Superlative reicht vielen selbst dieses Limit nicht aus, die bis zu 70 Stunden oder mehr im Büro verbringen und damit ihrem Job den 1. Platz auf der Prioritätenliste ihres Lebens geben. Ich war eine davon. Es hatte normal begonnen, dann wuchs das Unternehmen ebenso schnell wie meine Verantwortung und obwohl mein Körper Warnmeldungen abgab, reagierte ich nicht. Ein super Gehalt ermöglichte mir kostspielige Reisen – rückblickend das einzige, an das ich mich heute in dieser Zeit erinnern kann.

Voltaire Zitat

Reißleine gezogen und dann freier Fall

Vor 3 1/2 Jahren habe ich mich von diesem schnellen und sehr einseitigen Lebensstil getrennt. Ich verabschiedete mich von meiner viel zu großen Wohnung und freute mich auf ein anderes Leben – zunächst mal ohne Job und mit einem Geldbetrag, der mich mindestens 1-2 Jahre gut und sorgenfrei über Wasser halten würde. Frei wie ein Vogel auf Weltreise gehen, mich auf Sinnsuche begeben und mich vom Leben überraschen lassen gehörten ab sofort zu meiner Devise.

Die Weltreise war aufregend. Unterwegs fiel mir immer wieder auf, wie schwer das Entschleunigen und Runterfahren nach mehr als zehn Jahren täglichem Dauerbrennen fiel. In meinem Kopf war eingebrannt, ab jetzt aus jedem Tag etwas ganz Besonderes machen zu wollen, nur war mir nicht bewusst, dass auch das extrem anstrengend ist. Die Zeiger der Uhr drehten sich dennoch nach und nach langsamer, wodurch eine neue Tür aufging.

Während ich früher wie ein kleines Aufzieh-Männchen nahezu mechanisch meinen Tag bestritt, kamen nun langsam Kreativität und Enthusiasmus zurück. Ich konnte wieder Tage wie in meiner Kindheit erleben: Sorgenfrei, ohne Druck und voller Leidenschaft. Auch ließen mich Werbeslogans und Trends kalt, denn ich hatte nicht mehr das Gefühl, dringend etwas haben oder kaufen zu müssen. Ich brauchte keine Geräte oder Hilfsmittel mehr, die mein Leben einfacher oder (vermeintlich) bequemer machen sollten.

Neues Leben - Anders Leben - Bravebird

Das neue Leben 2.0:
Ausgaben minimiert, Zeit maximiert, Leben bereichert

Wie stark wir tatsächlich “programmiert” sind, erfährt man, wenn sich das anfängliche Glücksgefühl – endlich viel Zeit zu haben – nach einer Weile in Unruhe verwandelt. Man kann als Erwachsener doch nicht einfach so in den Tag hineinleben, sagt der Verstand. Man muss doch etwas tun, also irgendeine Leistung erbringen. Was sollen andere über mich denken? Bin ich gesellschaftlich überhaupt noch anerkannt, wenn ich nicht genauso arbeite, konsumiere und lebe wie andere?

Dem noch nicht genug fallen noch viele weitere Automatismen auf. Wir lernen 3x am Tag zu essen und wann wir aufstehen und ins Bett gehen sollen. Aufgrund unseres Frusts, so viel arbeiten zu müssen, möchten wir uns regelmäßig für dieses harte Los belohnen und brauchen zudem immer mehr Bequemlichkeit, um es uns in unserem harten Alltag so einfach und angenehm wie möglich zu machen. Aber kann dieses Pauschal-Konzept wirklich für jeden das Richtige sein?

Mit meinem schlechten Gewissen, regelmäßig etwas tun zu müssen für meinen Lebensunterhalt und natürlich für meine Rente, kämpfe ich nun seit über drei Jahren. Mit viel Geduld erkläre ich meinem Verstand jedes Mal, dass es niemanden auf dieser Welt gibt, der mir vorschreiben kann, was richtig für mich ist – außer ich selbst! Daher sieht mein Alltag heute völlig anders aus als früher:

  • Schlafen: Ich stehe auf, wenn mir danach ist. Manchmal kann das um 6 Uhr morgens sein, manchmal auch erst um halb neun, wenn es im Winter gerade hell wird. Gleiches gilt für das Einschlafen: es gibt keine Regeln. Ich schlafe heute mehr als früher und bin tagsüber immer hellwach und maximal aufnahmefähig.
  • Natur: Ich verbringe viel Zeit mit meinem Hund im Wald und am Wasser – mindestens je eine Stunde morgens und abends.
  • Essen: Ich esse nur dann, wenn ich Hunger oder Appetit habe. Kein Ernährungsratgeber kann besser wissen als ich, was mein Körper braucht und was ihm gut tut. Daher kommt beim Einkauf auch nur das in den Korb, was sich gerade gut anfühlt. Ich esse kein Fast Food, sondern ernähre mich bewusst, ohne dass es viel Aufwand kostet. Eine gewaltfreie Ernährung (vegan) sorgt zudem für ein besseres Lebensgefühl.
  • Arbeiten: Inzwischen basiert meine Arbeit auf 100% Kreativität. Schreiben, Gestaltung von Blogs und Webseiten, Fotografieren usw. Alles davon macht mir sehr viel Spaß und ist frei von jeglichen negativen Emotionen. Ich arbeite zwischen 2-8 Stunden am Tag, also durchschnittlich vielleicht 5 Stunden. Drei Wochen im Quartal arbeite ich darüber hinaus fest für ca. 6 Stunden täglich in einem Büro, womit ich mir einen Teil meines Lebensunterhaltes sichere.
  • Leben allgemein: Es gibt weder Druck noch Tagespläne. Stress ist ein Fremdwort geworden und ich liebe es, im Dialog den Satz »Kein Problem, ich habe Zeit!« auszusprechen. Man kann es glauben oder nicht, aber ich habe selbst heute noch täglich Glücksgefühle allein aus dem Grund, dass ich den Tag genauso gestalten kann, wie ich es gerade möchte.
  • Wohnen: Da die eigene Unterkunft die höchste finanzielle Verpflichtung monatlich darstellt, habe ich mich bis heute dagegen entschieden und lebe einen recht guten Kompromiss, wie ich in diesem Artikel beschrieben habe. Das ist keine Dauerlösung, aber solange ich viel freie Zeit haben und wenig arbeiten möchte, werde ich es so beibehalten.
  • Einkaufen: Viel wichtiger als Wohnen sind für mich gute Lebensmittel geworden. Ich kaufe fast nur Bio und lege Wert auf hochwertige Nahrungsmittel und Naturkosmetik. In Bezug auf Kleidung entscheide ich mich fast immer für langlebige und möglichst zeitlose Artikel. Zu Hause arbeitend brauche ich keine Berufskleidung, weshalb der Bedarf – neue Sachen kaufen zu müssen – sehr gering ist.
  • Reisen: Seitdem mein Alltag so entspannt ist und es mir an nichts fehlt, muss ich nicht mehr ausbrechen und mir Freiheit in Form eines Urlaubes sozusagen erkaufen. Es gibt noch viele Länder, die ich gerne sehen und bereisen möchte, aber das hat Zeit. Zum einen komme ich durch Pressereisen zu sehr schönen Zielen, zum anderen liebe ich das Erkunden von Europa mit meinem VW Bus zusammen mit meinem Hund. Insgesamt bin ich im Jahr etwa 2-3 Monate unterwegs.
  • Lernen: Um mich persönlich weiterzuentwickeln, habe ich mich für eine mehrjährige Ausbildung zur Kommunikationstrainerin für wertschätzende Kommunikation (GfK) entschieden. Sie findet in Bausteinen statt, wodurch ich mich zwar in regelmäßigen Abständen weiterbilde, aber in meinem Alltag nicht beeinträchtigt bin. Diese Ausbildung mache ich nur für mich, also ohne Perspektive auf einen Berufswechsel.
Herz spricht an Gehirn - Bravebird

Ein lohnenswertes Experiment: Dem Leben vertrauen!

In den vergangenen Jahren habe ich die verschiedensten psychologischen und spirituellen Ratgeber gelesen und noch mehr Hörbücher zu den Sinnfragen der heutigen Zeit gehört: Was macht mein Leben aus? Was will das Leben von mir? Was ist meine Berufung? Am Ende kommt fast immer das gleiche Ergebnis heraus: Ich soll auf mein Herz hören! Hierfür muss man allerdings erst einmal lernen, die Stimme des Herzens und des Verstandes voneinander unterscheiden zu können – und das ist gar nicht so einfach.

In meinem Fall versucht sich der Verstand bis heute hartnäckig durchzusetzen: Ich soll mehr und schneller arbeiten, mehr Geld verdienen, meinen Idealismus ablegen, eine Wohnung haben, für mein Alter vorsorgen, für eventuelle finanzielle Notfälle gewappnet sein, häufiger zum Arzt gehen usw. Mein Herz wiederum ist da völlig anders: Ich soll das Leben genießen, mich für die schönen Dinge des Lebens öffnen und darauf vertrauen, dass ich vom Leben getragen werde und keine Angst zu haben brauche. Alles kommt zur richtigen Zeit.

Seitdem ich mich auf dieses Experiment – einfach zu vertrauen – eingelassen habe, fügt sich vieles ganz automatisch. Während ich früher davon ausging, dass viel auch viel hilft, gestaltet es sich heute für mich völlig anders. Je weniger ich aktiv handle und je mehr ich in Ruhe und Stille bin, umso mehr passiert um mich herum. Ein Verlag kommt auf mich zu und möchte ein Buch mit mir veröffentlichen. Kurze Zeit später folgt die Anfrage eines weiteren Verlages für ein anderes Buch. Und schon ist damit ein halbes bis ganzes Jahr abgesichert und das mit einer Arbeit, die mich erfüllt und mir Freude macht.

Relation Arbeit / Freizeit – Was ist richtig für mich?

Die Antwort darauf kann einem keiner besser geben als man sich selbst. Die Stimme des Herzens ist dabei so wichtig, weil sie einem den richtigen oder besten Weg weist. »Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.«, heißt es. Der Verstand kann uns mit Vernunft und sachlichen Ratschlägen, die meist auf Sicherheit und Schutz beruhen, gute Dienste leisten, aber er führt uns nicht zu unserer persönlichen Erfüllung, Liebe und Freude.

Wenn man also zum Beispiel unzufrieden oder unglücklich in seinem Job oder in seiner Beziehung ist, sollte man keine Zweifel daran haben, dass eine Veränderung der Situation sinnvoll wäre. Wir sind nicht auf die Welt gekommen, um dauerhaft zu leiden oder uns schlecht zu fühlen, sondern um Fülle zu erleben. Dieses vorprogrammierte Lebensprogramm kann nicht für jeden Menschen gut sein und deshalb sollte man sich die Zeit nehmen, sich genauer kennenzulernen und auf seine Bedürfnisse und Sehnsüchte zu achten.

Gleichzeitig macht es Sinn, nicht alles so langfristig zu sehen. Ich für meinen Teil finde mein Leben zum Beispiel momentan wunderbar – genauso wie es ist. Dennoch weiß ich, dass es auch wieder eine Veränderung geben wird. Wie diese aussehen wird, weiß ich nicht, aber es wird so sein. Hierfür muss auch ich in mich hinein hören und mich fragen, wo meine Sehnsüchte für die Zukunft liegen. Wo will ich hin? Was würde mich noch glücklicher machen? Wie könnte das aussehen?

Life and Happiness - Bravebird

Der beste Weg ist der eigene Weg!

Veränderung von Lebensgewohnheiten macht vielen Menschen Angst. Könnte man wirklich mit mehr Freizeit und weniger Geld glücklicher sein? Wenn das Herz zum Beispiel sagt, dass es sich nach Ruhe sehnt, wäre davon auszugehen. Viele haben in ihrer Kindheit eingebrannt bekommen, dass man Geld im wahrsten Sinne des Wortes nur dann verdient, wenn man auch hart dafür arbeitet. Das ist allerdings nur ein Glaubenssatz, denn jeder hat eigentlich das Beste verdient – und das muss nicht zwingend schwer zu erreichen sein.

Je zufriedener und erfüllter man ist und je besser man für sich selbst sorgt, umso weniger wird man Geld, Konsum, andere temporäre Glücklichmacher und Erfolg oder Anerkennung durch andere brauchen.

Es braucht Zeit und Geduld, sich nicht mehr nur von seinem Verstand leiten zu lassen, seinem Herz mehr Gehör zu schenken, sich von eingefahrenen Glaubenssätzen zu befreien und von diesem vorgefertigten 0815-Pauschalweg abzukommen und eigene Wege zu gehen. Daher möchte ich jedem, der sich auf der Suche befindet oder in seiner aktuellen Situation nicht glücklich ist, empfehlen sich auf den Weg zu begeben. Dafür muss man nicht alles aufgeben und nochmal von vorn anfangen. Es genügen bereits kleine Schritte, mit denen man sich nach und nach einem erfüllenderen Lebensstil annähern kann.

Buch- und Hörbuchempfehlungen:

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  • Sehr inspirierender Beitrag. In Zukunft kann ich mir ebenfalls ein Teilzeitmodell oder sogar noch mehr vorstellen. Das Leben ist schließlich zum Leben da und nicht zum Arbeiten. Genügsamkeit und Sparsamkeit sind dort wichtige Attribute.

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