Zuletzt aktualisiert am 29. Mai 2018
Zum ersten Mal auf dieser Reise hatte ich Angst, dass mein Auto auf den letzten Kilometern zur Fähre nach Island versagen könnte. Zu lange hatte ich mich auf dieses Reiseziel gefreut und zu selten legte das einzige Schiff den weiten Weg zur Insel aus Feuer und Eis zurück. Selbst gegen eine gewisse Aufregung konnte ich mich in diesem Fall nicht wehren, denn ich würde nicht einfach in ein Flugzeug steigen und dann vor Ort zu einem Hotel fahren. Das hier würde ein echtes Abenteuer werden.
Trotz meiner bisher gelassenen Einstellung zu Abfahrtszeiten von Fähren reihte ich mich an diesem Samstag in Hirtshals im Norden Dänemarks überpünktlich in einer der Autoschlangen ein, die auf die lange Überfahrt mit der Smyril Line warteten. Die Fahrzeuge, die hier hintereinander standen, waren sehr viel spezieller als das, was ich bisher um mich herum gewohnt war: Vollausgestattete Landrover, monströse Caravan-LKW und Gelände-Wagen, die eher eine bevorstehende Offroad-Challenge als eine idyllische Reise nach Island vermuten ließen.
Diese 3 ½-tägige Überfahrt würde meine bisher bewegendste werden, wie sich bereits nach kurzer Zeit herausstellte. Der sich langsam steigernde Seegang machte sich anfangs nur durch starke Winde und umkippende Holzstühle bemerkbar, endete dann aber in der letzten Nacht bei 7,5 Meter hohen Wellen mit Geräuschen, die den beunruhigenden Gedanken an den Zusammenstoß mit einem Eisberg à la Titanic nicht vermeiden ließen. Auch die Kabine war alles andere als das, was man als komfortabel bezeichnen würde. In unmittelbarer Nähe des Maschinenraums stand mir ein steriles Etagenbett mit acht weiteren Leuten auf kuscheligen 10 qm zur Verfügung und das verlangte nach Alternativen, die den einen auf Deck oder in einem der Flure schlafen ließen und mich zu einem Upgrade in eine bequemere Kabine mit Fenster verleitete.
Die Route der Fähre mit der dazu passenden Weltuntergangsstimmung führte an den Ausläufern der rauen, schottischen Shetland Inseln vorbei und ermöglichte später einen mehrstündigen Aufenthalt in Tórshavn, der Hauptstadt der Färöer Inseln. In der kurzen Zeit war es schwer, sich ein Bild von dieser Stadt zu machen, die auf den ersten Blick eine interessante Mischung aus sehr modern und dringend renovierungsbedürftig vermittelte. Auf dem Schiff selbst hatte sich im Hinblick auf die mitfahrenden Gäste mittlerweile die Spreu vom Weizen getrennt. Neben dem 80%-igen Rentner-Anteil bestand der Rest aus weitestgehend sympathischen Individualisten, Fotografen und Naturliebhabern, die an den drei Abenden in der beheizten “Sky-Bar” auf Deck immer wieder auf mindestens ein dänisches Bier zusammen kamen.
Während es mir einerseits gar nicht so leicht fiel, mich über diese zäh verlaufenden Tage auf einem massiv schwankenden Schiff zu beschäftigen, sollte insbesondere die Fahrt durch die Passage der Färöer-Inseln zu einem der Reiseerlebnisse zählen, die im Gedächtnis unter dem Merkmal »unvergesslich« abgespeichert werden.
Auch die Anfahrt des isländischen Ortes Seydisfjördur im Osten der Insel am nächsten Tag bot einen faszinierenden Anblick, der die Strapazen der letzten Tage schnell in Vergessenheit gerieten ließ: Grüne, spitz zulaufende Berge mit teils schneebedeckten Gipfeln und Höfe, deren Bewohner sich offensichtlich in der grenzenlosen Einsamkeit wohl zu fühlen schienen. Nachdem ich das Schiff verlassen hatte, wurde mein Camper direkt abgefangen und hinter verschlossenen Toren von vier Zollbeamten und einem Hund auf Drogen und Lebensmittel untersucht. Immerhin gab man mir hier den Tipp für den nächstgelegensten Ort zum aktiven Vulkan Bardarbunga mit auf den Weg und dann konnte die Fahrt gegen den Uhrzeigersinn endlich losgehen.
In dem kleinen Künstlerort Seydisfjördur deckte ich mich im Supermarkt mit Verpflegung ein, die erfreulicher und unerwarteter Weise nicht wesentlich teurer war als bei uns, und begab mich auf den Weg Richtung Ringstraße, die über eine Strecke von 1.350 km ein Mal um die Insel herum führt und für mich im Ort Egilsstadir beginnen würde. Also Fenster runter, Musik auf laut und los! Ab jetzt würden die meisten Blicke nach links und rechts wie durch eine Brille sein, bei der Kontraste und Sättigung deutlich höher ausfielen als man es normaler Weise gewohnt ist. Wasserfälle rauschten aus allen nur erdenklichen Ritzen hinab, das Gras leuchtete in knalligem Orange und am Horizont ragten stets die mächtigen, dunklen Vulkanberge empor. Mein erstes Ziel, um dem Bardarbunga ganz nah zu sein, war der Ort Mödrudalur. Das Café Fjallakaffi mit angeschlossener Camping-Wiese lag inmitten einer Einöde, in die sich offenbar nur wenige verirrten.
Dennoch saßen hier Fotografen und Filmemacher an den gemütlichen Holztischen, die sich in regelmäßigen Abständen in den Haus-Hubschrauber setzten und zum Vulkan fliegen ließen. Dieses “Once in a lifetime”-Erlebnis, wie es mir von anderen angepriesen wurde, hätte 600 Euro gekostet. Vielleicht hätte ich das nach dem Anblick der beeindruckenden Fotos und Videos auch investiert, wenn unter den Gästen nicht der Filmemacher Stefan Erdmann von Islandfilm gewesen wäre, dessen Einblicke in seine Aufnahmen mich überzeugten, dass der Kauf seines Videos wesentlich wirtschaftlicher und sinnvoller sein würde.
Den Weg zum mächtigsten Wasserfall Europas, dem Dettifoss, war beschwerlich. Von der Ringstraße zweigen Straßen ab, die entweder normal asphaltiert sind oder eben – wie in diesem Fall – nur aus Stein und Geröll bestehen und mit einem VW Camper wie meinem nur mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 20 km/h befahrbar sind. Daher blieb nur zu hoffen, dass ich im Falle einer Panne in the middle of nowhere wenigstens über Telefonnetz verfügen würde. Spätestens hier wurde mir klar, dass Allradantrieb auf Island definitiv Sinn macht und mein Wagen nach dieser Reise wahrscheinlich nicht ganz ohne Blessuren davon kommen würde.
Húsavík im Norden war meine nächste Destination, an der ich zum ersten Mal aus nächster Nähe Wale sehen würde. Ich entschied mich für eine Tour auf einem Segelboot mit North Sailing und war fasziniert, dass man diese riesigen Tiere tatsächlich aus nächster Nähe sehen konnte – und das sogar gar nicht weit vom Hafen entfernt. Wenn dann allerdings plötzlich ein Wal mit seiner ganzen Masse nur wenige Meter neben dem eigenen Boot auftaucht, kommt man um das Gefühl eines möglichen Herzinfarktes nicht umhin.
Nach einem Besuch des durchaus sehenswürdigen Automuseums legte ich einen Stopp ich der viertgrößten Stadt Akureyri ein. Die Fußgängerzone ist nicht sonderlich groß, dafür aber vollgepackt mit einladenden Cafés, Hostels und isländischer Mode, die besonders die meisten Frauen – wie mich auch – dazu verleitet, sich einen der klassischen Island-Pullis zu kaufen. Sie sind weder wirklich weich noch günstig, halten dafür aber superwarm und wenn man mal schwitzen sollte, weiß man auch, warum Schafe so riechen wie sie riechen…
Während Akureyri im (Mitt-) Sommer bzw. in der Hauptsaison ein beliebter Ort zum Feiern und Ausgehen ist, konnte man die Situation in diesem September als sehr ruhig bezeichnen. Den Besuch des legendären Weihnachtshauses hatte ich verpasst, aber mittlerweile war ohnehin klar, dass dies nicht der letzte Besuch Islands sein würde. Übrigens auch wegen der unglaublich tollen Kuchen, die ich (und meine Hüften) nicht so schnell vergessen werden! Ebenso die Tatsache, dass die Puffins (Papageientaucher) die Insel schon verlassen hatten, würde eine Rückkehr rechtfertigen. So langsam konnte ich den Spruch nachvollziehen, den ich bereits mehrfach auf der Hinfahrt auf der Fähre gehört hatte: Es gibt nur zwei Sorten von Besuchern Islands – die, die wiederkommen und die, die bleiben.
Die Fahrt durch die Städte und Dörfer im Norden war ebenso schön wie außergewöhnlich. Zwischen alten, halb zerfallenen Häusern fielen plötzlich supermoderne Cafés mit rustikal-romantischer Einrichtung ins Auge wie z. B. im Ort Dalvík das Kaffihús Bakkabraedra – im Hintergrund immer ein blaugrünes Meer mit schneebedeckten Bergen am Horizont.
Die Häuser erinnerten ein wenig an den Charme osteuropäischer Länder, die Kirchen waren oft nur mit ein paar Bänken ausgestattet und viele Orte schienen selbst an Wochentagen wie leer gefegt und verlassen. Letzteres ist in Anbetracht der Tatsache, dass Island etwa 223 Einwohner pro km² weniger hat als Deutschland, wohl auch nicht verwunderlich. Ganz im Gegenteil – es ist ein großer Genuss, ohne Drängeln und Hupen die Landschaft um sich herum genießen zu können und durchweg immer auf nette und hilfsbereite Menschen zu treffen.
Die Überlegung, die Westfjorde zu besuchen, verwarf ich in Anbetracht des inzwischen regnerischen und windigen Wetters und des ebenso hohen Fahr- und Zeitaufwandes. Ich wusste bereits, dass der Süden Islands viel zu bieten haben würde und wollte mir dafür genügend Zeit nehmen. Jetzt war ich aber erst einmal gespannt auf die Hauptstadt Reykjavík, von der ich schon so viel Gutes gehört hatte…
Meine Route durch Nord-Island

- Die angegebene Strecke kann man entspannt in 1 Woche zurück legen (den Myvatn See sollte man einbinden)
- Camping ist auf Island günstig; kostet zwischen 10-20 Euro/Nacht inkl. Camper, Strom und Wasser.
- Währung: Isländische Krone
- Einreise: Personalausweis oder Reisepass
- Reiseführer für Camper: Island mit Färöer Inseln von Johannes Hünerfeld (Link führt zu Werbepartner Amazon)