Feste Haarseifen und -shampoos gelten seit vielen Jahren als nachhaltige Alternative zu herkömmlichen, flüssigen Shampoos aus dem Drogerie- oder Biomarkt. Ihre Versprechen sind unter anderem eine natürlichere Pflege, weniger Verpackung und eine bessere Umweltbilanz. Auf Social Media, in Online-Shops und auch in Reisetipps werden sie häufig entsprechend beworben und das mit großem Erfolg, wie Fotos und Bewertungen von Anwender:innen vermuten lassen.
Ich habe mich in diesem Jahr intensiv mit dem Thema Kosmetik beschäftigt, zahlreiche Produkte getestet und Hintergründe recherchiert. In diesem Artikel möchte ich daher einmal genauer hinschauen, wie es mit den Vor- und Nachteilen von Haarseifen, festen und flüssigen Shampoos aussieht, und was davon am besten ist.
1. Was ist der Unterschied zwischen Haarseife und festem Shampoo?
Haarseife und festes Shampoo sehen auf den ersten Blick ähnlich aus. Beide liegen als festes Stück in der Hand und sollen das Haar reinigen. Trotzdem unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer Herstellung und Zusammensetzung.
Haarseife wird durch klassische Verseifung hergestellt. Dabei werden pflanzliche Öle mit Lauge verkocht, ähnlich wie bei Körper- oder Handseife. Das Ergebnis ist ein festes Stück Seife mit einem basischen pH-Wert und oft einem Anteil an pflegenden, unverseiften Ölen. Haarseifen enthalten keine Tenside, sondern reinigen ausschließlich auf Seifenbasis. Häufig werden ätherische Öle oder Duftstoffe beigemischt.
Festes Shampoo ist ein konzentriertes Shampoo in fester Form. Es enthält waschaktive Substanzen (Tenside), Pflegestoffe und meist ebenfalls Duftstoffe. Die Zusammensetzung ähnelt flüssigem Shampoo aus der Flasche, nur ohne Wasser. Die Inhaltsstoffe werden zusammengepresst und in Form gebracht, wodurch das Produkt stabil und gut dosierbar wird.
Kurz gesagt: Haarseife ist Seife – festes Shampoo ist Shampoo
Sie ähneln sich in der Optik und und in der Anwendung, unterscheiden sich aber stark in der chemischen Grundlage und damit auch im Verhalten auf Haut und Haar.

2. Was wirkt besser? Reinigung, Pflege & Anwendung im Alltag
Haarpflege ist natürlich immer individuell. Wer sich aber (noch) nicht gut auskennt, findet in den folgenden Punkten vielleicht eine hilfreiche Orientierung.
2.1 Haarseife: Aufwendig, individuell und nicht für alle geeignet
Haarseife gilt als natürliche Alternative, ist in der Anwendung jedoch die mit Abstand anspruchsvollste Variante und erfordert oft viel Ausprobieren, bis man ein passendes Produkt gefunden hat. Die folgenden Faktoren machen sie im Alltag häufig unpraktisch:
- Wasserhärte und Kalk: Bei kalkhaltigem Wasser entstehen schnell Rückstände auf Haar und Kopfhaut. Das Ergebnis ist nicht selten stumpfes, schwer kämmbares Haar, auch trotz sorgfältigen Ausspülens.
- pH-Wert: Haarseifen sind basisch und haben meist einen pH-Wert von über 9. Das kann den natürlichen Säureschutzmantel der Kopfhaut stören und führt häufig zu Irritationen oder Spannungsgefühl, besonders bei empfindlicher oder trockener Haut. Flüssige und feste Shampoos liegen dagegen meist im hautneutralen Bereich (pH 5–6).
- Blondiertes oder chemisch behandeltes Haar: Die bereits ohnehin strapazierte Haarstruktur kann empfindlich auf den basischen pH-Wert reagieren, was zu zusätzlicher Aufrauung, Trockenheit oder Brüchigkeit führen kann. Flüssige Shampoos sind hier oft die verträglichere Wahl.
- Saure Rinse: Um Rückstände der Haarseife zu neutralisieren, wird nach dem Haarewaschen häufig eine Spülung mit Apfelessig empfohlen. Sie soll den basischen pH-Wert der Seife ausgleichen und die aufgeraute Schuppenschicht des Haares wieder schließen. Ohne diesen Schritt kann das Haar stumpf, strohig oder schwer kämmbar werden. Der Geruch ist für viele unangenehm, der zusätzliche Aufwand im Alltag nicht immer praktikabel.
- Leinsamen-Gel: Einige Anbieter empfehlen ergänzend als natürlichen Leave-In-Conditioner selbstgekochtes Leinsamen-Gel. Hoher Aufwand, maximal eklig durch schleimige Konsistenz, riecht unangenehm, ist nur wenige Tage haltbar und muss regelmäßig frisch hergestellt werden. Das bedeutet: noch ein zusätzlicher Schritt, noch ein weiteres selbstgemachtes Produkt.
- Überfettung: Die richtige Überfettung zu finden, ist entscheidend und gleichzeitig schwierig. Sie muss zum Haartyp, zur Kopfhaut und zur Wasserqualität passen. Viele Produkte machen dazu gar keine Angabe, was eigentlich nicht okay ist. Das führt zu teuren Fehlkäufen und einem frustrierenden „Durchprobieren“.
- Ätherische Öle und Zusatzstoffe: Viele Haarseifen enthalten ätherische Öle oder Duftstoffe, die als natürlich beworben werden, aber die Kopfhaut reizen und/oder Poren verstopfen können. Besonders bei empfindlicher Haut oder häufiger Anwendung kann das problematisch sein.
Fazit Haarseife: In der Theorie klingt Haarseife zwar bewusst, nachhaltig und reduziert, in der Praxis bedeutet sie jedoch meist einen hohen Aufwand, zusätzliche Anwendungen und eine erhebliche Anpassung an das Produkt. Das viele Ausprobieren ist teuer, das eventuell folgende Wegwerfen oder Weiterverkaufen ist weder ressourcenschonend noch besonders umweltfreundlich.
Meine Meinung: Wenn ein Produkt nur in Kombination mit anderen Anwendungen wirklich funktioniert (bzw. wenn überhaupt), stellt sich für mich die Frage, ob das die richtige Lösung sein kann. Am Ende ist es nicht das Produkt, das sich an dich anpasst, sondern du, die sich dem Produkt anpasst.
Wichtig zu wissen: Viele Online-Shops bewerben Haarseifen als natürliche Alternative mit Bio-Inhaltsstoffen, verfügen aber über keine Naturkosmetik-Zertifizierung. In einigen Fällen werden die Produkte von Online-Unternehmern ohne erkennbaren fachlichen Hintergrund im Kosmetikbereich hergestellt.

2.2 Festes Shampoo vs. flüssiges Shampoo
Feste Shampoos
Feste Shampoos enthalten häufig sogenannte Coco-Tenside. Sodium Coco Sulfate gilt trotz pflanzlicher Herkunft als starkes Tensid und kann bei empfindlicher Kopfhaut reizend wirken. Mildere Varianten wie SCI sind hautfreundlicher, aber nicht in jedem Produkt enthalten. Viele feste Shampoos enthalten Duftstoffe oder ätherische Öle, die die Kopfhaut reizen oder austrocknen können, besonders bei empfindlicher Haut oder täglicher Anwendung. Silikone sind in festen Shampoos in der Regel nicht enthalten.
Flüssige Shampoos
Flüssige Shampoos bieten eine große Bandbreite an Tensiden, von klassischen Sulfaten, die als aggressiv gelten, bis hin zu sehr milden Alternativen. In vielen flüssigen Shampoos, sowohl in der Naturkosmetik als auch im konventionellen Bereich, ist Alkohol enthalten, was bei empfindlicher oder trockener Kopfhaut austrocknend wirken kann. Auch Duftstoffe sind in flüssigen Shampoos fast immer enthalten, oft in höherer Konzentration, und können ebenfalls zu Reizungen führen. Häufig werden außerdem Silikone zugesetzt, um Glanz und Kämmbarkeit zu verbessern. Diese können das Haar jedoch beschweren und Rückstände hinterlassen.
Fazit fest/flüssig: Beide Varianten sind alltagstauglich und benötigen keine saure Rinse oder sonstige besondere Gewöhnung. Wer empfindlich auf Tenside, Alkohol oder Duftstoffe reagiert, sollte bei beiden Produkten auf die Inhaltsstoffe achten. Tipps dazu findest du weiter unten. Die Verträglichkeit hängt daher weniger von der Form als von der Formulierung ab.
3. Wie nachhaltig sind feste Haarseifen und feste Shampoos?
Viele möchten der Umwelt etwas Gutes tun, aber es ist wichtig zu wissen, dass hier viel Marketing und Greenwashing im Spiel ist.
Der Mythos der extremen Ergiebigkeit
Oft heißt es, ein Stück festes Shampoo ersetze 2-3 Flaschen Flüssigshampoo, vermutlich vor dem Hintergrund, den hohen Kaufpreis der Seife zu rechtfertigen. Die tatsächliche Ergiebigkeit hängt jedoch stark davon ab, wie oft man die Haare wäscht und wie viel man pro Anwendung benötigt. Wenn ein bekannter Hersteller z. B. verspricht, dass 100 g Haarseife für 40 Haarwäschen reichen sollen, wären das 2,5 g pro Anwendung. Das mag vielleicht für raspelkurzes Haar passen, nicht aber bei längeren oder dickeren Haaren, vor allem, wenn die Seife weich wird, nicht gut trocknet oder nur dürftig schäumt.

Versand, Verpackung und Retouren
Plastikfreie Verpackungen wirken auf den ersten Blick umweltfreundlich. Doch wer statt im lokalen Super- oder Biomarkt online bestellt, verursacht zusätzliche Transportwege, mehr Verpackungs-Material und erhöhten Logistikaufwand. Papier ist dabei nicht automatisch besser als Plastik; im Gegenteil.
Flüssigshampoo gibt es mittlerweile häufig in Recycling-Flaschen
In vielen Werbeaussagen zu festen Shampoos oder Seifen wird häufig ein maximal ungünstiges Beispiel aus der konventionellen Kosmetik zum Vergleich herangezogen. Die Gegenüberstellung wirkt einleuchtend, lässt aber außen vor, dass viele Hersteller inzwischen auf recyceltes Plastik oder Nachfüllsysteme setzen. Gerade im Super-, Drogerie- oder Biomarkt gibt es inzwischen deutlich umweltfreundlichere Verpackungslösungen.
4. Ist Naturkosmetik besser?
Überraschender Weise nicht unbedingt. Naturkosmetik klingt oft sanfter und gesünder, ist aber kein Garant für bessere Verträglichkeit oder Qualität. Der Begriff ist nicht geschützt. Viele Produkte werben mit Formulierungen wie „natürlich“ oder „pflanzlich“, haben aber in Wirklichkeit nichts mit zertifizierter Naturkosmetik zu tun. Die Produkte sind nicht geprüft, und ob das drin ist, was versprochen wird, darauf kann man am Ende nur vertrauen. Wer auf echte Standards achten möchte, sollte gezielt nach Siegeln wie NATRUE oder COSMOS suchen.
Vielleicht lohnt sich auch die Frage: Traue ich einem Online-Handel oder einer unbekannten Marke mit vielen Versprechen in ihrer Instagram-Werbung wirklich zu, ein zuverlässiges und unbedenkliches Pflegeprodukt entwickelt zu haben? Eines, das nicht nur wirkt, sondern auch keine Schäden anrichtet? Oder überlasse ich das doch lieber einem Unternehmen, das sich seit Jahrzehnten mit Kosmetik oder Haarpflege beschäftigt?

5. Mythen rund um feste Haarpflegeprodukte
Rund um feste Produkte, Haarseifen und Naturkosmetik kursieren viele Behauptungen, manchmal gut gemeint, manchmal übertriebene Werbeslogans. Hier ein paar der häufigsten Mythen:
- „Haarseifen sind Detox für die Haare“: Der Begriff „Detox“ klingt nach Entgiftung und Neubeginn, ist bei Haaren aber irreführend. Haare bestehen aus Hornsubstanz, haben keinen Stoffwechsel und können keine Schadstoffe im Inneren speichern. Rückstände wie Silikone oder Stylingprodukte lagern sich äußerlich ab und lassen sich durch passende Reinigung entfernen, nicht durch „Entgiften“.
- „Das Haar muss sich erst an Haarseife gewöhnen“: Häufig heißt es, das Haar sei durch Silikone oder Stylingreste „beschichtet“ und brauche Wochen, um sich „zu befreien“. Tatsächlich lassen sich Silikone mit einem Tiefenreinigungs-Shampoo oder auch mit Natron meist in 1-2 Wäschen entfernen. Eine wochenlange Umstellung ist also nicht nötig. Wenn Haarseife nicht passt, zeigt sich das also nach wenigen Haarwäschen.
- „Zurück zur Natur – das ist immer besser“: Pflanzlich und Natur klingt sanft, ist es aber nicht automatisch. Auch natürliche Inhaltsstoffe können reizen, austrocknen oder allergische Reaktionen auslösen, z. B. ätherische Öle oder Alkohol. Entscheidend ist nicht, ob etwas natürlich ist, sondern ob es zur eigenen Haut und Haarstruktur passt.
- „Überfettung pflegt das Haar“: Bei Haarseifen wird die Überfettung oft als Pluspunkt beworben. Tatsächlich kann sie bei falscher Dosierung oder falschem Haartyp zu fettigem Ansatz, beschwertem Haar oder Rückständen führen. Pflege entsteht nicht automatisch durch mehr Fett, sondern durch abgestimmte Rezepturen.
- „Plastikfrei ist immer nachhaltig“: Produkte in Papierverpackung gelten schnell als umweltfreundlich, doch auch Papier hat eine hohe Ökobilanz. Wenn feste Produkte einzeln bestellt, schlecht gelagert oder ständig ersetzt werden müssen, ist der Effekt schnell relativiert.
- „Haarseifen fördern Haarwachstum“: Für diese Aussage gibt es keinerlei wissenschaftliche Grundlage. Haarwachstum hängt vor allem von Genetik, Ernährung und hormonellen Faktoren ab.

Fazit: Was wirklich funktioniert, ist individuell
Wer sich mit Haarpflege beschäftigt, sucht meist nicht einfach nur ein Produkt, sondern eine Lösung für das schöne Haar, das wir haben, wenn wir aus dem Friseursalon kommen. Die Auswahl an Produkten ist immens, aber nicht alles, was gut oder natürlich klingt, hält, was es verspricht. Diese Suche ist meiner Meinung nach absolut berechtigt, denn nahezu alle Produkte bringen auch Probleme mit sich, z. B. durch reizende Inhaltsstoffe, mangelnde Wirksamkeit oder komplizierte Anwendung. Vieles klingt besser, als es im Alltag tatsächlich funktioniert.
Haarseifen sind eine aufwendige Alternative, die viele Herausforderungen und je nach Produkt unverhältnismäßig hohe Kosten mit sich bringt. Neben dem hohen pH-Wert und dem zusätzlichen Aufwand durch saure Rinse & Co. berichten viele Anwenderinnen von fettigen, strähnigen Haaren oder Rückständen.
Festes Shampoo ist unkomplizierter und auch ideal für unterwegs. Wer auf Plastik verzichten möchte, findet hier eventuell einen guten Kompromiss; vorausgesetzt, die verwendeten Tenside sind mild und gut verträglich. Flüssige Shampoos bieten die größte Bandbreite: von sehr mild bis aggressiv, von konventionell bis Naturkosmetik. Auch hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Inhaltsstoffe.
Tipps für deine Suche nach dem passenden Shampoo
Klar dürfte sein: Das eine perfekte Produkt für alle gibt es nicht. Aber es müsste möglich sein, die Pflege zu finden, die zum eigenen Haar passt und die man gut verträgt. Dafür lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Wenn du ein passendes Shampoo finden möchtest, ohne dich durch unzählige Werbeversprechen testen zu müssen, kannst du dich an ein paar einfachen Kriterien orientieren:
- Silikone und Sulfate vermeiden, wenn man Aufbau, Glanz und Pflege lieber über Inhaltsstoffe als über Beschichtung steuern möchte
- Alkohol möglichst meiden, besonders bei trockener oder empfindlicher Kopfhaut
- Duftstoffe möglichst gering halten oder meiden, auch natürliche Düfte können reizen
- Produkte für Sensitive-Haut oder Allergiker bevorzugen, sie enthalten meist die wenigsten potenziell problematischen Stoffe
- Nicht auf Shop-Bewertungen verlassen: In vielen Online-Shops erscheinen fast ausschließlich positive Bewertungen, was bei Kosmetik im Allgemeinen eher ungewöhnlich ist. Wer ein realistisches Bild will, sollte daher zusätzlich unabhängige Plattformen wie Trustpilot einbeziehen. Aber auch da gibt es natürlich Fake-Bewertungen.
- Inhaltsstoffe mit Hilfe von KI prüfen, z. B. über ChatGPT. Einfach die INCI-Liste kopieren oder im Laden abfotografieren und am besten gleich mit den eigenen Bedürfnissen (z. B. trockene Haare, empfindliche Kopfhaut oder schnell fettender Ansatz, ohne Alkohol, Silikone etc.) kombinieren. Und dann auch ggf. verschiedene Produkte miteinander vergleichen.
- Bewertungen außerhalb des Shops lesen, etwa bei Trustpilot oder in unabhängigen Foren
- Im Drogerie-, Bio- oder Supermarkt kaufen, das spart Verpackung, Transport und Retouren
Liebe Ute,
das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich den Unterschied zwischen Haarseife und festem Shampoo verstanden habe, Danke für die tolle Aufklärung! Ich liebe deine ausführlichen Artikel, auch wenn ich zugegebenermaßen manchmal nur drüberlese, aber irgendetwas nehme ich immer mit. Bleib bitte dabei, das ist echt besonders in dieser Zeit! <3
Viele Grüße aus Graz
Amelie
Toller Artikel! Ich habe auch schon Haarseife ausprobiert und es hat überhaupt nicht funktioniert, leider kannte ich die Unterschiede da noch nicht. Finds schon krass, was die Leute da für ein Aufheben drum machen, ich meine, es sind doch nur Haare?! Magst du auch sagen, was du verwendest? Wäre schonmal ganz interessant ;) LG