Reisen kann viel verändern – bei manchen sogar das ganze Leben! So auch bei Agata Kurek, deren Weg ich seit Jahren verfolge und sehr bewundere. Es begann damit, dass sie ihren Job aufgab und nach Afrika reiste. Hier verbanden sich auf wundersame Weise all ihre Vorlieben für Musik, Tanz, Reisen und Handwerk, wonach die Designerin beschloss, diese Leidenschaften zu ihrem Beruf zu machen und gründete ein faires Modelabel: Die Marke KOKOworld wurde geboren!
Mit beeindruckender Zielstrebigkeit reiste sie mit ihrer kleinen Tochter nach Afrika, Südamerika, Nordasien und Polen und begab sich auf die Suche nach authentischer Handwerkskunst. Hier fand sie zum Beispiel Schneider aus dem Senegal, Kunsthandwerker aus Marokko und Täschner aus Krakau. Und so hat sie es heute geschafft, ein außergewöhnliches Label zu erschaffen, in dem sie Traditionen aus aller Welt, faire Arbeitsbedingungen und sehr schöne Mode zu ebenso fairen Preisen miteinander verbindet.
Im Interview wollte ich unter anderem von Agata wissen, wie sie es geschafft hat, sich auf dem hart umkämpften Modemarkt einen Namen zu machen und dabei gleichzeitig sozial gerecht zu bleiben. Und hier kommt nun die geballte Ladung Inspiration, um sich daraus sein eigenes Scheibchen Frauen-Power abzuschneiden:
1. Agata, du bist von einer leidenschaftlich Reisenden zur Gründerin von KOKOworld geworden. Wie kam es dazu?
Ich habe mich schon lange bevor mit Kunsthandwerk befasst. Zuerst war es nur eine Faszination, später wurde es zu meiner Leidenschaft. Noch als ich in einem Großunternehmen gearbeitet habe, habe ich angefangen verschiedene Produkte von Handwerkern aus meinen Reisen mitzubringen, für mich selbst und für Bekannte. Der Bekanntenkreis wurde immer größer und mein Rucksack immer schwerer.
Eines Tages, während meiner Reise zu einem Musikfestival in Mali, habe ich endlich verstanden, dass ich eigentlich etwas ganz anderes in meinem Leben machen will – die Geburt meiner Tochter war auch ein wichtiger Impuls für mich. Ich habe spontan einige Meter von bunten afrikanischen Stoffen in meinen Rucksack gepackt, woraus die ersten Kleider von KOKOworld entstanden. 6 Wochen nach der Rückkehr habe ich meinen ersten Laden eröffnet.
2. Warum war dir der soziale Aspekt bei deinem Vorhaben so wichtig?
Auf meinen Reisen habe ich so viele tolle Menschen getroffen, die eine Menge fantastischer Sachen produzierten, leider aber keine Chance hatten für eine würdige Bezahlung. Ich hatte einen Wunsch, diesen Menschen zu helfen, und der Wunsch wuchs immer weiter in mir. Ich habe mich seit meiner Grundschulzeit an verschiedenen sozialen Projekte engagiert, weshalb ich mir ein Unternehmen ohne starken sozialen Aspekt nicht vorstellen konnte. Wenn ich etwas eigenes starten sollte, dann musste daraus etwas Gutes entstehen und nicht nur purer Gewinn.
3. Hattest du von Anfang an ein klares Ziel bzw. eine Botschaft oder hat sich das erst im Laufe der Zeit ergeben?
Das Ziel war eigentlich von Anfang an klar, es wurde nur mit der Zeit deutlicher. Ich wollte einfach all denen helfen, die ohne unsere Hilfe keine Chance haben nur mit ihrem Handwerk für ein würdiges Leben zu verdienen. Ich versuche ihnen die Chance zu geben, sich zu entwickeln und ihren Familien Sicherheit zu bieten. Dabei ist ihr Handwerk einfach pure Kunst!
Die Idee ging immer weiter, ich lerne auch ständig und immer mehr über die Modebranche und Herstellungsweisen. Daher habe ich angefangen mit Handwerkern in Polen zusammenzuarbeiten, in einer lokalen Nähstube zu nähen oder organische sowie umweltfreundliche Stoffe zu verwenden.
4. Was sind die wichtigsten Eigenschaften, die man deiner Meinung nach für die Umsetzung eines solch tollen Projektes braucht?
Man braucht vor allem viel Entschlossenheit, aber auch ein bisschen Glück.
»Ich bin fest davon überzeugt, dass man alle um uns herum gut behandeln sollte. Dann wird Gutes zu uns zurückkehren.«
Man muss auch darauf vorbereitet sein, viel zu lernen und man sollte nicht fürchten, andere um ihren Rat zu fragen. Denn eigentlich ist niemand hundertprozentig darauf vorbereitet, ein eigenes Label zu führen. Ich habe selbst einmal den ganzen Tag auf einer Straße verbracht um zu zählen, wie viele Leute an einem Laden vorbeigehen – Nur um zu wissen, ob das ein guter Platz für meinen Laden ist! Heute weiß ich, dass es dafür bessere Tools gibt.
5. Wie sehen deine Reisen heute aus? Verbindest du sie immer mit dem Job oder machst du auch noch ganz normal Urlaub?
Natürlich mache ich auch ganz normal Urlaub. Bei meinen Reisen treffe ich aber immer wieder interessante Personen, die Handwerk betreiben. Handwerker kann man überall treffen und eigentlich dürfte ich mich während eines Urlaubes einfach nicht umschauen, aber das kann ich nicht. Daher kann ich beides wunderbar verbinden! Letztens war ich mit meiner 7-jährigen Tochter in Brasilien und wir hatten eine sehr schöne Zeit.
Dabei habe ich gleichzeitig sehr viel über die dortige Textil-Industrie gelernt und sogar eine Weberei gefunden, die trotz der riesigen Konkurrenz aus China noch wundervolle Stoffe in Brasilien produziert. Bei meiner Reise nach Indonesien, auf der ich den Handwerker Kis Herry kennengelernt habe, war meine Tochter auch dabei. Kis fertigt bereits seit fast 3 Jahren traditionelle Batikstoffe für KOKOworld und meine Tochter kann immer noch bis 10 in bahasa indonesia zählen.
6. Inzwischen hast du ein engagiertes Team von 12 Mitarbeitern. Hast du Tipps, wie man den Anfang macht?
Natürlich braucht man Geld für den Anfang, aber einen genauen Betrag kann man nicht vorhersehen. KOKOworld entwickelte sich nach dem Bootstrapping-Prinzip: Der Gewinn wurde immer wieder neu investiert. Erfahrung braucht man nicht – diese kann man unterwegs sozusagen auf der Reise gewinnen. Was man aber bestimmt benötigt, ist eine Idee und ein Ziel. Vieles kann man nicht einplanen, man muss auch bisschen Raum für Spontanität lassen und einfach die Dinge passieren lassen.
Mit genug Glauben an dein Ziel wirst du immer deinen Weg finden.
7. Hast du Perspektiven und Ziele für die Zukunft? Und was würdest du dir zukünftig im Fair Fashion Bereich wünschen?
Eine der größten Herausforderungen, die jetzt vor uns steht, ist polnische Webereien und Wirkereien zu übrzeugen, Baumwolle und andere Stoffe mit Siegeln (wie GOTS und Fair Trade) herzustellen. Seit einiger Zeit sind wir stärker auf dem deutschen Markt anwesend, daher sind wir uns bewusst, wie viel im Bereich Nachhaltige Mode noch zu machen ist.
Wir treffen immer wieder Labels, die keine Siegel besitzen und nur Stoffe mit Zertifikaten besitzen. In Polen ist es noch lange nicht der Standard, wir fühlen uns aber als Pioniere dazu berufen, diese Gegenwart zu ändern und für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Und genau das wünsche ich mir, dass immer mehr Menschen (Käufer) auf Arbeitsbedingungen achten und die Stoffanbieter auf umweltfreundliche Stoffe mit Siegeln setzen.
8. Immer wieder höre ich den Satz, dass faire Mode zu teuer sein soll. Was antwortest du darauf?
Faire Mode ist oft tatsächlich teurer als Kleidung im Kettenladen. Aber… faire Mode muss ihren Preis haben. Viele von uns sind sich gar nicht bewusst, wie viele Personen auf verschiedenen Kontinenten am Herstellungsprozess teilnehmen. Wenn ein T-Shirt 3 Euro kostet – wieviel davon kann denn an einen Arbeiter in Bangladesh gehen? Es geht auch nicht darum, von Kopf bis Fuss in faire Mode gekleidet zu sein.
Wenn wir nur ein Teil haben, von dem wir wissen, wo es entstand und zu welchen Bedingungen, von dem wir wissen, dass es aus echten Qualitätsstoffen gefertigt ist, dann ist das ein guter Start. Letztendlich lohnt es sich wirklich, ein Teil wirklich guter Qualität zu kaufen anstatt ein paar Teile, die nach zwei Wäschen auseinanderfallen.
9. Wenn sich jemand umweltbewusst kleiden möchte – was sind deine Tipps?
Am wichtigsten ist es immer nachzufragen. Wir selbst lernen viel von KundInnen, die uns sehr detaillierte Fragen stellen. Frage nach, wo die Teile entstanden, aus welchem Stoff sie gefertigt sind, woher der Stoff stammt. Kaufe erst, wenn du dir sicher bist, dass du das Teil brauchst und wenn du dir sicher bist, dass es nachhaltig entstanden ist.
»To cut a long story short: Buy less, choose well!«
Vielen Dank für das schöne und inspirierende Interview und weiterhin ganz viel Erfolg, liebe Agata! ♥ Wer sich gern mal in ihrem Shop verlieren möchte, kann auf KOKOworld reinschauen oder sich auf Facebook und Instagram inspirieren lassen – es lohnt sich!
© Fotos: Agata Kurek / KOKOworld
Schreibe einen Kommentar