Wir haben heute zwar nicht alles, aber meist reicht es für ein gutes Leben aus. Und doch scheint sich langfristig irgendwie keine Zufriedenheit einstellen zu wollen. Also streben wir nach mehr von dem, das uns erfahrungsgemäß zumindest kurzfristig Glücksgefühle beschert: Mehr Urlaub, mehr Gehalt, ein Traumpartner, ein neues Auto oder das aktuellste Handy.
Im Laufe der Jahre nimmt man dabei sogar oft noch Fahrt auf, indem man sich mit noch mehr Geld noch mehr kaufen kann. Zwischendurch hält man vielleicht mal kurz inne und hinterfragt, ob dieses Arbeiten-Konsumieren-Ding wirklich das Richtige für einen ist. Mangels Alternativen und Angst vor Veränderung kaschieren die meisten dieses inhaltsschwere Thema schwungvoll und effektiv mit intensiver Ablenkung. Aber was ist zu tun, wenn die Frage nach dem Sinn an einem zu nagen beginnt?
Ein seltsames Ziel: Höher, schneller, weiter!
Viel verdient, viel ausgegeben, viel gereist – klingt traumhaft, hatte aber ebenso viele Schattenseiten. Wenig freie Zeit für mich und allgemein hatte ich recht wenig von dem mitbekommen, was eigentlich um mich herum passierte. Rückblickend gibt es Jahre, bei denen ich mich an nichts Besonderes erinnere als an ein paar Reisen. Sollte das mein Leben ausmachen? Immer mit Tempo 200 unterwegs und ab und zu mal in ein paar Ländern (mit gleicher Geschwindigkeit) unterwegs gewesen zu sein? Ich hoffte nicht!
Nach 16 stressigen Arbeitsjahren habe ich daher die Reißleine gezogen und mich von allem befreit. Job, Wohnung, Klamotten und sonstiger Krempel kamen weg und sollten gegen ein neues und vor allen Dingen anderes Leben eingetauscht werden. Aussteigen mit einem Batzen Geld, erstmal nicht arbeiten müssen, reisen können, unabhängig und frei sein… Da wunderte es nicht, dass ich viele Menschen sagen hörte »Du lebst meinen absoluten Traum!«. Aber so traumhaft ist dieses Leben zunächst mal nicht.
Mein eigenes Glück bringt mich nicht weiter
Auf meiner Suche nach diesem besseren Leben las ich unzählige Ratgeber zum Thema Glück und Selbstfindung und kam natürlich auch an den spirituellen Leitfäden nicht vorbei. Hier hieß es unter anderem, dass ich möglichst positiv sein müsse, um ein maximal positives Leben anzuziehen. Also lebte ich diese Strategie: Ich war zu allen nett und freundlich, schluckte negative Gedanken runter und versprühte überall meinen happy Glitzer, während ich auf meinem imaginären Glücksthron saß.
Leider hatte die Sache nur einen Haken: Wenn ich selbst glücklich bin, heißt das noch lange nicht, dass das automatisch auch für mein Umfeld zutreffen muss. Umso mehr fielen mir jetzt die vielen schlecht gelaunten, frustrierten und teils aggressiven Menschen auf. Wie soll man glücklich und zufrieden sein, wenn man dennoch ständig aneckt? Das war also nicht der einzig richtige Weg, um ein möglichst erfülltes Leben zu führen.
Aufgewacht – Ein Leben ohne Ablenkung
Wenn man es selbst nicht erlebt, kann man sich nur schwer in diesen Zustand hineinversetzen. Wie verbringt man eigentlich seine Zeit, wenn sie 24 Stunden lang 7 Tage die Woche bewusst gefüllt werden möchte? Während ich früher meine geringe Freizeit mit Online-Shopping, Ausgehen und sonstigem belanglosen Entertainment verbracht habe, brach jetzt eine neue Ära an: Bewusstes Leben, Konsumieren und Handeln!
Manchmal fühlt es sich an, als würde ich in einer großen Seifenblase das Treiben da draußen beobachten. Obwohl vieles eigentlich dem natürlichen Menschenverstand widerspricht, hat sich viel Unnatürliches zum normalen Lebensstandard entwickelt. Medien und einflussreiche Konzerne lenken uns in den unterschiedlichsten Bereichen in Richtungen, die nicht selten zu merkwürdigen Verhaltensweisen und Einsichten führen – wenn man mal genau hinschaut.
Ein guter Weg: Achtsam und wachsam leben
Anfangs dachte ich, es ginge hierbei um das allseits bekannte “Leben im Jetzt”. Nicht in die Vergangenheit oder Zukunft schauen, sondern genau jetzt in diesem Moment leben. Nur ist dieser Gedanke ziemlich abstrakt und kann zudem frustrierend sein, wenn man zu viele Momente mit unsinnigen Dingen verbringt. Auch hier entsteht schnell wieder Druck, aus dem aktuellen Zustand etwas ganz Besonderes machen zu wollen und das sollte nicht Sinn der Sache sein.
Für mich ist Achtsamkeit heute vielmehr das Wahrnehmen, Hinterfragen und die Verbindung zu Mensch, Tier und Umwelt:
Wahrnehmen: Ist das, was ich gerade in diesem Moment mache, höre, sehe oder lese, wirklich stimmig? Was sagen Bauchgefühl und Verstand? Was brauche ich vielleicht noch, falls es sich nicht gut anfühlt?
Hinterfragen: Warum mache, esse, konsumiere ich gerade etwas Bestimmtes? Weil es andere genauso tun? Oder weil es meinem Status dient? Brauche ich das und ist es wirklich wichtig für mich?
Verbindung: Geht das, was ich konsumiere, esse, trinke und tue, mit meiner Umwelt konform? Oder – wenn ich jemandem schade – welche Alternativen gibt es?
Wenn man die Welt mal durch eine andere, reale Brille betrachtet und sich für Dinge interessiert, bei denen man bisher immer weggeklickt oder weggehört hat, kommen unzählige Fragen auf. Warum weiß ich eigentlich so wenig darüber, was in meiner Nahrung ist, wo sie herkommt und was meine Ernährung und Kleidung für Auswirkungen auf meine Gesundheit und die Umwelt hat? Kann ich glücklich sein, wenn durch meinen Konsum und meine Ernährung Tiere leiden und sterben? Kann es mir egal sein, wie viel Plastik und Einwegartikel ich verbrate? Diese Liste könnte ich unendlich fortsetzen.
Eigentlich ist es höchste Zeit, dass sich jeder mit diesen Themen beschäftigt – und handelt! In der schnelllebigen, stressigen Zeit neigen wir jedoch durch die Überforderung eines Überangebotes von fast allem dazu, einfach der Herde zu folgen und das zu tun, was (fast) alle machen und hinterfragen das gar nicht. Es geht darum, immer wach und aufmerksam zu sein und nicht alles unreflektiert hinzunehmen. Heute schäme ich mich ehrlich gesagt dafür, dass ich so unbewusst gelebt habe. Aber wie sagt man so schön, besser spät als nie.
Bewusst umsteigen – Step by Step
Man wird sein Leben nicht auf einen Schlag umstellen können. Zunächst braucht man eigentlich nur sein Bewusstsein verändern und sich für ein anderes, bewusstes Leben öffnen. Bei mir war es auch ein schleichender Prozess. Vor einigen Jahren habe ich bereits gänzlich auf Naturkosmetik umgestellt und überwiegend in Bio-Märkten eingekauft. Dann habe ich Anfang 2017 damit begonnen, kein Fleisch mehr zu essen. Erst sollte es ein Versuch sein, der mir unerwartet leicht fiel, woraufhin ich nun bis Ende des Jahres komplett auf vegan umsteigen werde.
Früher dachte ich immer, dass ich dafür auf so vieles verzichten muss. Aber verrückter Weise ist das Gegenteil der Fall. Ich ernähre mich gesünder und fühle mich wesentlich besser, weil ich mich einfach reiner fühle und kein schlechtes Gewissen mehr habe. Allerdings habe ich festgestellt, dass es wesentlich leichter ist, vegan zu leben als nachhaltig. Diese Unmengen Müll… es scheint wie ein Kampf gegen Windmühlen. Aber auch das geht sicher – Schritt für Schritt.
Ein hartnäckiges Vorurteil war damals der Gedanke, dass mein Handeln als Einzelner nicht viel bewirken kann. Am Ende ist es aber tatsächlich der Verbraucher, der den Konsum steuert und Unternehmen zum Umdenken veranlassen kann. Je mehr Menschen auf die Umwelt achten, umso mehr wird sich die Industrie darauf einstellen müssen. Mein ursprüngliches Vorhaben mit diesem Blog war, Menschen auf einen besseren Weg zu sich selbst zu bringen. Da wir aber alle miteinander verbunden sind, geht es nicht nur um uns selbst, sondern um all das, was uns umgibt.
Mehr und mehr liest man heute die verlockenden Angebote, wie man schnell und einfach ein 6-stelliges Jahreseinkommen erzielt. Geld ist zwar wichtig, aber bekanntlich nicht das Mittel zum Glück. Ich würde mir wünschen, diese Menschen würden ein 6-stelliges Publikum anstreben, um die Welt (und damit auch sich selbst) ein bisschen besser und glücklicher zu machen.
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