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Minimalismus – Was ich durch Loslassen gewonnen habe

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Minimalismus statt Überfluss - Was ich gelernt habe

Ob etwas gut oder schlecht ist, ob wir uns schön oder nicht schön finden, reich oder arm, interessant oder belanglos – all das hat mit Bewertungen zu tun, die wir übernommen haben. Wir orientieren uns an bestimmten Vorstellungen, vergleichen uns, ordnen uns ein. Immer entlang dessen, was als normal gilt oder als erstrebenswert gezeigt wird.

So gilt jemand als reich, wenn er ein großes Auto fährt, Markenkleidung trägt oder First Class fliegt. Aber heißt das automatisch, dass dieser Mensch glücklich ist? Dass er einen guten Charakter hat? Oder dass er sich gut um andere kümmert?

Was uns geprägt hat

Das, was wir heute mit Status, Erfolg oder Attraktivität verbinden, ist nichts Festes. Es sind Bilder, die wir aus unserem Umfeld übernommen haben. Aus Medien, Werbung, sozialen Netzwerken. Was gerade als Erfolg gilt, als schön, als Ziel, verändert sich ständig. Technische Entwicklungen, gesellschaftliche Trends, neue Plattformen, all das beeinflusst unser Denken. Aber das heißt nicht, dass diese Vorstellungen für jeden passen.

Warum Loslassen so schwer klingt

Viele Menschen sind mit ihrem aktuellen Lebensstil nicht wirklich zufrieden, obwohl es ihnen objektiv gut geht. Trotzdem wünschen sie sich meistens noch mehr. Mehr Geld, mehr Komfort, mehr Bestätigung. Die Vorstellung, etwas aufzugeben oder bewusst wegzulassen, wirkt auf viele abschreckend. Es klingt nach Einschränkung, nach Verzicht, nach weniger Möglichkeiten. Als würde man sich etwas nehmen, das das Leben schöner macht.

Was wir mit „mehr“ verbinden

Auch hier folgen wir gesellschaftlichen Bildern. Mehr Geld, längere Urlaube, größere Wohnung, teureres Auto. Diese Dinge gelten als Belohnung für Leistung. Denn wer viel leistet, soll sich auch viel leisten können. So lautet das Versprechen.

Gleichzeitig erleben wir – oder besser gesagt einige von uns -, dass dieses Mehr uns nicht dauerhaft zufriedener macht oder tief erfüllt. Obwohl wir in einem der reichsten Länder der Welt leben, sinkt unser Wohlbefinden. Vielleicht, weil das Mehr am Ende nie wirklich genug ist.

Minimalismus leben - Weniger ist einfach Mehr


Minimalismus statt Dauerstress – mein Weg raus aus dem Zuviel

Vor rund neun Jahren habe ich begonnen, mein Leben zu vereinfachen. Mein Alltag war lange geprägt von sehr viel Arbeit, Geld verdienen, Dinge kaufen. Heute lebe ich mit deutlich weniger und bin trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – insgesamt zufriedener.

Ich möchte hier erwähnen, dass diese Entscheidungen aus einer privilegierten Situation heraus möglich waren. Nicht jeder kann frei wählen, was er braucht und was nicht.

Hier ein paar Bereiche, in denen sich besonders viel getan hat:

1. Weniger Einkommen, mehr Zeit

Früher konnte ich mir nicht vorstellen, mit wenig Geld auszukommen. Es gab so vieles, das ich mir gönnen wollte. Kleidung, Taschen, Technik, Deko, Reisen. Ich wollte immer auf dem neuesten Stand sein. Warum sollte ein Leben mit weniger besser sein?

Weil Zeit unbezahlbar ist. Heute wache ich ohne Wecker auf, sitze entspannt im Café, habe weniger Ballast in der Wohnung und bin durch weniger Stress seltener krank. Ich kann meine Tage selbst gestalten und bekomme mehr vom Leben um mich herum mit.

Gewinn: Wer wenig besitzt, hat weniger zu verlieren. Ich lebe unbeschwerter und bin jeden Tag dankbar, meine Zeit frei einteilen zu können.

2. Mehr Minimalismus, weniger Konsum

Freie Zeit betrifft vor allem mich selbst. Konsum dagegen wirkt über mich hinaus. Denn hinter jedem Produkt steht eine Geschichte. Besonders, wenn etwas extrem günstig ist, geht das fast immer auf Kosten anderer – von Menschen, Tieren oder natürlichen Ressourcen. (Buchtipp: Billig von Franz Kotteder)

Abgesehen davon merkt man außerhalb des Hamsterrads schnell, wie wenig man wirklich braucht. Ich kaufe heute selten, aber bewusst: langlebig, fair und möglichst gebraucht. Vor allem Secondhand spart nicht nur Geld, sondern auch den anfänglichen Wertverlust.

Gewinn: Meine wenigen Dinge haben an Wert gewonnen. Ich pflege sie, und sie bleiben mir lange erhalten. Manche Stücke steigen sogar im Wert.

3. Eine andere Ernährung

Vegan zu leben wirkte früher wie ein riesiger Einschnitt. Heute sehe ich es genau andersherum: als Eingriff in das Leben anderer. Die Umstellung hat etwa drei Monate gedauert und ist im Rückblick einfach nur ein anderer Alltag. Nichts, das man dramatisieren muss.

Gerade beim Essen merkt man, wie viel im Kopf passiert. Sobald ich mir vorstelle, dass Fleisch, Fisch oder Milchprodukte keine Option sind, sucht mein Verstand automatisch nach Alternativen. Für mich ist es inzwischen völlig absurd, ein totes Tier zu essen oder die Muttermilch von einer Kuh zu trinken.

Heute gebe ich das meiste Geld für Lebensmittel aus, denn mein Körper ist am Ende mein Motor, der mich hoffentlich möglichst lange am Leben halten wird. In Zeiten von Pestiziden und Gentechnik will ich meinen Körper bestmöglich versorgen, und das zahlt sich sichtbar aus. Ich war seit Jahren nicht mehr krank und nehme seit 2008 keine pharmazeutischen Medikamente mehr ein.

Gewinn: Ich ernähre mich gesünder und kein Tier muss mehr für mich sterben. Die kleinere Auswahl im Supermarkt macht es zudem einfacher, gute Entscheidungen zu treffen.

4. Reisen mit Maß

Eine Zeitlang wollte ich alle Länder der Welt bereisen. Als Reisebloggerin wäre das sogar möglich gewesen, aber in Zeiten der Klimakrise wurde mir klar, dass es dafür keinen verantwortbaren Weg gibt. Fliegen ist das klimaschädlichste Verkehrsmittel – also habe ich 2018 von diesem Traum losgelassen.

Heute entdecke ich das, was näher liegt. Europa ist vielfältig und wunderschön. Ich reise mit dem Zug oder mit meinem Kleinwagen, oft gemeinsam mit meinem Hund und verbringe viel Zeit draußen in der Natur.

Gewinn: Reisen fühlt sich besser an, wenn ich dabei Rücksicht nehme. Unterwegs versuche ich, möglichst umwelt- und menschenfreundlich zu handeln und meinen ökologischen Handabdruck zu vergrößern.

5. Ein kleineres Auto reicht

Ganz ohne Auto geht es für mich (noch) nicht. Aber ich bin auf ein kleineres Modell mit wenig PS umgestiegen – gebraucht und möglichst langlebig. Weil ich mehr Zeit als früher habe, muss ich nicht schnell sein. Der geringere Verbrauch und weniger Reifenabrieb sind angenehme Nebeneffekte. Auch öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad nutze ich inzwischen häufiger.

Warum kein E-Auto? Weil ein neues Elektroauto wieder viele Ressourcen verbraucht. Und solange ich nicht überall Ökostrom nutzen kann, finde ich es keine bessere Lösung.

Gewinn: Weniger fahren, weniger verbrauchen – das ist für mich im Moment der sinnvollste Weg. Und nein, ich habe durch das kleinere Auto nichts verloren.

Die Angst vor Statusverlust

Was andere über uns denken, beeinflusst oft stärker, als uns lieb ist. Unser Status spielt im Alltag eine größere Rolle, als wir zugeben würden: bei Entscheidungen, beim Konsum, im Verhalten. Wären wir allein auf einer Insel, bräuchten wir keine Markenkleidung oder Gegenstände, die uns von anderen abheben. Niemand würde sie sehen. Die ganze äußere Fassade wäre überflüssig.

Was dort zählen würde, sind andere Dinge: Wohlbefinden, Gesundheit, Freude, Verbundenheit. Dinge, die man nicht einfach kaufen kann. Weil unser Status eng mit dem Selbstwertgefühl verknüpft ist, lohnt es sich, diesen Zusammenhang bewusst zu hinterfragen.

Je weniger ich mich an anderen orientiere, desto freier kann ich das leben, was mir wirklich entspricht. Minimalismus hat mir sehr dabei geholfen, diesen Abstand zu schaffen. Ich besitze heute viel weniger als früher und fühle mich trotzdem reicher als viele, die objektiv mehr haben. Nicht, weil ich auf etwas verzichte, sondern weil ich mich keinem bestimmten System mehr unterordnen muss.

Besser leben durch Minimalismus

Was Minimalismus für mich so wertvoll macht

Früher war mein Alltag stark auf mich selbst ausgerichtet. Es ging um meine Arbeit, mein Einkommen, meine Wohnung, meinen Konsum, meine Urlaube. Heute sehe ich mich eher als Teil eines größeren Ganzen. Die Weltbevölkerung wächst, die Ressourcen werden knapper, und wir werden künftig vieles neu denken müssen, wenn wir diesen Planeten gemeinsam bewohnen wollen.

Allein aus diesem Blickwinkel fällt es mir leicht, Überflüssiges loszulassen. Minimalismus ist für mich keine Einschränkung, sondern eine bewusste Entscheidung. Ich lerne ständig dazu, entdecke neue Wege, mein Leben einfacher und klarer zu gestalten. Für mich bedeutet das: leben, wachsen, mitgestalten – nicht nur für mich, sondern im Zusammenhang mit dem, was um mich herum passiert.

Und wenn du selbst etwas verändern willst?

Ich glaube, mein heutiger Lebensstil passt besser in unsere Zeit als mein früherer. Der Klimawandel ist Realität, vieles wird sich ändern müssen – vor allem in wohlhabenden Ländern. Deshalb möchte ich mit diesem Artikel Mut machen: Minimalismus kann befreiend sein. Es kommt immer darauf an, wie man ihn lebt und wie man über ihn denkt.

Ich versuche, jeder Entscheidung etwas Positives abzugewinnen. Daraus entsteht für mich eine Form von Zufriedenheit, die nicht vom Konsum abhängig ist. Vielleicht ist das auch für dich ein möglicher Weg. Probier es aus – es lohnt sich!

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Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin dieses Online-Magazins teile ich seit 2013 meine Begeisterung fürs Reisen und eine bewusste Lebensgestaltung. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich zudem verstärkt mit gesellschaftlich relevanten Themen.

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