Reisen ist eine großartige Erfahrung und ein Privileg; insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass laut Schätzungen der Weltbank etwa 90% der Weltbevölkerung noch nie ein Flugzeug von innen gesehen haben. Fernreisen ermöglichen uns, neue Kulturen, Menschen und Orte zu entdecken und Perspektiven zu wechseln, was uns dabei helfen kann, unsere Sichtweise auf die Welt zu verändern.
In einer Zeit, in der soziale Medien einen enormen Einfluss auf unser Leben haben, sind Reisesprüche und -zitate sehr populär geworden. Sie sollen motivieren, inspirieren und nicht zuletzt Likes generieren. Gleichzeitig befinden wir uns erfreulicher Weise in einer Ära, in der wir in vielen Bereichen sensibler und sozialer werden – und dazu gehört auch die Sprache.
Obwohl einige Reisesprüche und -zitate in der Vergangenheit als harmlos oder sogar humorvoll angesehen wurden, sind sie heute teilweise ethisch und moralisch problematisch. In diesem Blogartikel werde ich anhand einiger Beispiele erläutern, warum bestimmte Reisesprüche und -zitate überholt sind und wie wir eine inklusive und respektvolle Kultur des Reisens fördern können.
↳ Die Herkunft des Zitats „Reisen bildet“ wird oft Johann Wolfgang von Goethe (18. Jahrhundert) zugeschrieben. Während die Reisemittel früher noch nicht so teuer und unterschiedlich waren, sind heute der Reiseart und -dauer sowie der Entfernung keine Grenzen gesetzt. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass das Reisen nicht für alle Menschen gleich zugänglich ist.
Nicht jeder hat zum Beispiel die finanziellen Mittel, um (weit) zu reisen. Und nicht jeder Mensch auf dieser Welt hat die Freiheit und Möglichkeit, bestimmte Orte zu bereisen; z. B. mangels Geld, durch Visa-Beschränkungen usw.. Wenn dieser Spruch im Gespräch mit jemandem verwendet wird, der aus welchen Gründen auch immer noch nicht viel gereist ist, kann dies dem Gegenüber ein negatives Gefühl der Minderwertigkeit vermitteln.
↳ Dieses Zitat stammt von dem französischen Schriftsteller und Kritiker Émile Zola (19. Jahrhundert). Dieser Spruch ist deshalb problematisch, da er impliziert, dass nur Menschen, die reisen, intelligent sind oder dass Reisen eine notwendige Voraussetzung für die Intelligenzentwicklung darstellt.
Das ist jedoch nicht nur falsch, sondern kann auch diskriminierend sein, da es wie gesagt viele Gründe gibt, warum Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht reisen können oder wollen; z. B. aufgrund von finanziellen oder gesundheitlichen Einschränkungen, familiären Verpflichtungen oder auch politischen Beschränkungen.
Wenn wir das Reisen als Intelligenz-Förderung darstellen, werten wir Menschen ab, die nicht reisen können (oder wollen) bzw. vermitteln ihnen den Eindruck, dass sie weniger intelligent oder gebildet sind.
↳ Dieses Zitat stammt aus dem 5. Jahrhundert und wird dem Heiligen Augustinus zugeschrieben. Wenn wir es heute verwenden, kann es dazu beitragen, eine unangemessene Sichtweise zu fördern, die Reisen als einzigartige oder überlegene Möglichkeit betrachtet, um andere Kulturen und Menschen zu verstehen.
Der Spruch impliziert, dass Reisen die einzige Möglichkeit ist, um die Welt kennenzulernen, was falsch ist. Viele Menschen können ihre intellektuellen und kulturellen Horizonte durch andere Erfahrungen erweitern, z. B. durch Bücher, Filme, Dokumentationen, Gespräche mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und durch das Erleben von kultureller Vielfalt in der eigenen Stadt oder Gemeinde.
Solch ein Spruch kann darüber hinaus Menschen dazu animieren, exotische und weit entfernte Orte zu besuchen, ohne die Auswirkungen ihres Reiseverhaltens auf Umwelt, Klima und die einheimische Bevölkerung zu berücksichtigen. Diese negativen Auswirkungen können z. B. Umweltverschmutzung und Überlastung von touristischen Hotspots sein.
↳ Das Zitat „Man muss reisen, um zu lernen“ stammt offenbar von dem römischen Dichter und Philosophen Seneca zugeschrieben (1. Jahrhundert n. Chr.). Auch dieser Spruch mit ähnlichem Sinn ist problematisch. Ihn absolut zu setzen und damit indirekt zu sagen, dass man ohne Reisen nicht lernen oder sich weiterentwickeln kann, ist natürlich falsch und vernachlässigt die vielen anderen Möglichkeiten des Lernens und des persönlichen Wachstums, die auch ohne Reisen möglich sind.
Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht reisen können oder wollen, können sich dadurch abgewertet oder unnötig unter Druck gesetzt fühlen. Sprüche wie diese können zu einem Gefühl der Ausgrenzung oder sogar Diskriminierung führen.
↳ Dieses Zitat wird häufig dem amerikanischen Schriftsteller Henry David Thoreau (19. Jahrhundert) zugeschrieben. Heute muss dieser Spruch als problematisch angesehen werden, da er vermittelt, dass Reisen eine exklusive Erfahrung ist, die nur von denjenigen gemacht werden kann, die es sich leisten können. Das schafft eine soziale Kluft zwischen denjenigen, die reisen können – und denjenigen, die es sich nicht leisten können; aus welchen Gründen auch immer.
Darüber hinaus kann dieser Spruch Menschen, die nicht in der Lage oder nicht bereit sind zu reisen, das Gefühl geben, dass sie etwas verpassen oder dass ihre Lebenserfahrungen weniger wertvoll sind. Es gibt natürlich unzählige Möglichkeiten, das Leben zu bereichern und zu lernen, die nicht unbedingt mit Reisen verbunden sind!
↳ Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Redewendung. Die ethischen und moralischen Konsequenzen dieser Aussage basieren auf ähnlichen Bedenken wie bei den anderen Zitaten, die das Reisen als notwendig darstellen. Die Aussage, dass Reisen notwendig sei, um das Wohlbefinden unserer Seele zu fördern, könnte Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht reisen können oder wollen, unnötig unter Druck setzen. Zudem suggeriert die Aussage, dass es ein universelles und einzigartiges Heilmittel für die Seele gibt.
↳ Die Herkunft des Spruchs ist unklar, da er in verschiedenen Varianten und Formen verwendet wird. Er wird seit vielen Jahren von Influencer:innen und Blogger:innen verwendet und dient in erster Linie dazu, sich selbst als Reisende:r zu deklarieren und sich damit in die Riege derer einzuordnen, der bzw. die „bessere Reisende“ zu sein.
Dabei sollte es gerade als erfahrene:r Reisende:r eine Selbstverständlichkeit sein zu akzeptieren, dass jeder Mensch unterschiedliche Gründe und Motivationen hat, zu reisen, und dass jede Form des Reisens respektabel sein sollte – auch, wenn das nicht mit dem persönlichen Weltbild übereinstimmen sollte.
Wie kann man es besser machen?
Statt weiterhin die meist abgenutzten Zitate, Sprüche und Phrasen zu verwenden, könnten wir uns darauf konzentrieren, unsere eigenen Erfahrungen und Erlebnisse zu teilen und zu beschreiben, was eine bestimmte Reise für uns persönlich so einzigartig und bereichernd gemacht hat. Dies ist nicht nur wertvoller und persönlicher, sondern auch weniger problematisch, da es weniger wahrscheinlich ist, dass wir mit unseren Bewertungen andere Menschen beleidigen oder abwerten.
Wenn man so an eine Sache herangeht, dann kann man wirklich jede Aussage ins Negative ziehen. Das ist ja inzwischen zu einer Art Sport geworden.
Viele dieser Zitate stammen doch aus ganz anderen Zeiten und müssen auch in diesem Kontext gesehen werden. Eine Aussage wie: „Reisen tut der Seele gut“ ist doch keine Diskriminierung!
Darf ich dann auch nicht mehr lesen, weil jemand anders dadurch, dass er eine Sehbeeinträchtigung hat, sich davon verletzt fühlt? das ist doch absurd.
Nichts für ungut, aber diesen Beitrag finde ich grenzwertig.
Ich verstehe, dass einige Menschen Schwierigkeiten haben, die Wichtigkeit der Veränderung von Sprache und der Berücksichtigung ihrer Auswirkung auf andere zu verstehen. Mein Wunsch ist, dass wir uns bewusst werden, wie Sprache andere Menschen beeinflussen kann und welche Wirkung in diesem Fall lapidare Sprüche auf andere haben können.
Unsere Sprache macht derzeit deutliche Fortschritte, z. B. bei Rassismus, Gender-Gerechtigkeit oder auch bei Menschen mit Behinderungen. Und ich beziehe mich hier eben auf das Reisen, das für viele Menschen hierzulande ein Statussymbol darstellt, das sie im Beisein von anderen bewusst oder unbewusst rauskehren; jedoch mit den möglichen Konsequenzen für andere, die ich beschrieben habe.
Zu deiner Frage bzgl. des Lesens, wenn dein Gegenüber eine Sehbehinderung hat, ist es doch ganz einfach: natürlich wird es dir dein Gegenüber mit der Sehbehinderung nicht übel nehmen, wenn du ein Buch liest. Wenn du jedoch dabei den Satz äußern würdest „Ach, Lesen tut einfach der Seele gut“, wäre die Person zweifelsohne todtraurig und betroffen, weil sie diesen Zustand aufgrund ihrer Einschränkung nie erreichen können wird. Möchtest du, dass sich diese Person schlecht fühlt? Sicher nicht. Daher kann man sich den Spruch einfach sparen.
Ich hoffe, dass ich mit dieser zusätzlichen Erklärung verdeutlichen konnte, warum es meiner Meinung nach wichtig ist, unsere Sprache auch in Bezug auf das Reisen zu hinterfragen und einen sensibleren Umgang damit zu pflegen. Wir können Altes zurücklassen und eine bessere Sprache verwenden, die für alle respektvoll und nicht verletzend ist. Und auf ein paar veraltete Sprüche zu verzichten, dürfte wohl nicht die größte Schwierigkeit darstellen ;)
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Wenn aber z. B. ein*e Mutter*Vater dem heranwachsenden Kind nach dem Abitur – unter Verwendung eines oder mehrerer der zitierten Bonmots – rät, doch erstmal die Welt kennenzulernen und sich für ein Jahr den Rucksack aufzusetzen, wird in dieser Situation ja niemand diskriminiert.
Natürlich ist diese Familie sehr wahrscheinlich (wirtschaftlich) privilegiert – aber so liegt es auch ein Stück weit in der Verantwortung des Privilegs, auf eine interkulturelle Sensibilisierung zu achten. Und Reisen ist eine mögliche Methode der Sensibilisierung.
Dass andere Familien/Menschen sich so etwas (in diesem Umfang) nicht leisten können, ist eben ein altbekanntes strukturelles Problem. Und, ich bekomme ja mit, dass junge Menschen in Entwicklungsländern auch reisen, sich auf diesem Wege bilden und ihre Erfahrungen stolz teilen. Der Radius ist eben leider ein anderer, viel kleinerer als bei „Unsereins“. Menschen handeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Die Skalierung unterscheidet sich.
Die rhetorische oder humorvolle Verwendung eines alten Spruchs schließt eine empathische, persönliche Erfahrungsbeschreibung ja in keiner der genannten Situationen aus. (und vice versa).
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Ich meine, dass das Problem vor allem die Pauschalaussage „7 Reisesprüche, die wir heute nicht mehr verwenden sollten“ und das entsprechende Fazit ist. Das suggeriert nämlich, dass Situationen, in denen Sprüche wie „Reisen bildet!“ und „Reisen ist gut für die Seele!“ grundsätzlich konfrontativer und/oder hierarchischer Natur seien. Immer könne man jemanden damit verletzen.
Gerade zum Schutze der fortschreitenden Sprachsensibilisierung finde ich es wichtig, dabei eine gewisse Balance zu finden und differenziert auf den gesunden Menschenverstand zu setzen.
Rassistische, sexistische und ableistische Sprache ist eben immer diskriminierend – außer evtl. im dokumentarischen oder satirischen Kontext.
Daher sollte in diesen Bereichen eben absolut jede*r grundsätzlich auf eine gewisse Wortwahl verzichten bzw. achten.
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Und zu dem Lesen-Vergleich: Auch „Lesen tut einfach der Seele gut“ oder eben entsprechende, bildungsbezogene Sprüche sind doch in den meisten Kontexten legitim. In der Anwesenheit einer Person mit Sehbehinderung ist es dann eine situationsbedingte Frage der Sprachsensibilität. Und auch eine Frage, in welcher Beziehung und Vertrautheit man zueinander steht.
Ich weiß, ich habe dich schon bei deinem Insta-Post genervt ;-).
Aber ich finde, dass man mit solchen schwarz-weißen Regelentwürfen der Nuhr’schen Fraktion „Man darf ja heutzutage gar nichts mehr sagen.“ nur unnötig Futter gibt und möglicherweise das Problem hinter der Diskussion über sensible Sprache verdünnt.
Liebe Grüße,
Dennis
Tachchen Dennis,
ich habe nicht erwartet, dass sich jede:r in meine eigentlich einfach beschriebenen und simpel dargestellten Situationen hineinversetzen können wird, sonst wäre unsere Welt in vielen Bereichen eine völlig andere. Wenn jemand trotz meiner Erklärungen Schwierigkeiten hat, das Thema zu verstehen, lässt sich da nichts machen. Es handelt sich hier nicht um Regelentwürfe, sondern um bestimmte Situationen, die Rücksichtnahme auf weniger privilegierte Menschen und die Sensibilisierung unseres Sprachgebrauchs. Ich halte es für wichtig darüber zu sprechen, wie wir alle inklusiver und rücksichtsvoller miteinander umgehen können. Ich werde weiterhin über solche Themen schreiben, auch wenn es Leute gibt, die sich mangels Nachvollziehbarkeit oder Empathie darüber aufregen.
Beste Grüße,
Ute
Ich halte den Artikel – ähnlich wie Karen – für sehr grenzwertig. Er passt jedoch in unsere derzeitige linksgrüne Gesellschaft in der wir es allem und jedem versuchen rechtzumachen und keiner diskrimiert, benachteiligt werden soll und wir ja sowieso alle gleich sind. In der nach dem Robin Hood Prinzip den (vermeintlich) Reichen genommen und den Armen gegeben wird, in der Leistung bestraft und Faulheit belohnt wird.
Ich lese deinen Blog seit ungefähr 2012 wo du dich noch auf die Weltreise vorbereitet hast und über 1 Jahr auf Weltreise warst. Nachdem du deinen Spaß hattest machst du eine 180 Grad Kehrtwende und erzählst in deinem Blog, wie schädlich und un-nachhaltig das Reisen doch ist. Das ist so ähnlich wie Sebastian Vettel der für Nachhaltigkeit ist und Müll an der Rennstrecke aufsammelt, nachdem er nach 15 Jahren in der Formel 1 Multimillionär geworden ist.
Soll alles kein persönlicher Angriff auf dich sein, es nervt nur einfach in dieser bekloppten Zeit.
Vielleicht sollte ich aber auch einfach aufhören, hier und da deine Webseite zu besuchen um solche Artikel zu lesen.
Glaube das wäre auch der beste Ansatz.
Grüße
Stefan
Hallo Stefan,
Danke für dein Feedback zu diesem Artikel. Ich respektiere deine Meinung, auch wenn ich sie nicht teile. Der Artikel ist an Menschen gerichtet, die an wertschätzender und respektvoller Kommunikation in dieser modernen Zeit interessiert sind. Es geht außerdem nicht darum, es jedem recht zu machen, sondern um das Wissen, dass manche Sätze und Sprüche schlichtweg veraltet sind und unser Gegenüber verletzen können. Wir kaufen ja schließlich auch neue Produkte, weil andere von der Funktion her nicht mehr taugen; warum soll es also in der Sprache anders sein.
In Bezug auf Nachhaltigkeit ist es für mich wichtig, dass ich mich persönlich und beruflich den Herausforderungen und Gegebenheiten anpasse – sogar schon vor der Fridays for Future Bewegung. Es ist unmöglich, die Zeit zurückzudrehen, aber ich kann heute und seit vielen Jahren mein Bestes geben, um meine Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Dazu gehören beispielsweise der Verzicht auf meinen „Reisespaß“ in Form von vielen kostenfreien Reisen in ferne Länder oder Fleischkonsum. Außerdem investiere ich extrem viel Freizeit in das Schreiben von Artikeln über Nachhaltigkeit, ohne dafür bezahlt zu werden. Und dabei nehme ich mir seit Jahren auch jedes Mal weitere freie Zeit für die Antworten auf abwertende, beleidigende oder polemische Kommentare von überwiegend männlichen Lesern. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, nervt mich das auch.
Veränderung, auch um 180°, ist ein wichtiger Teil unseres Lebens, und ich halte es für wichtig, sich dem anpassen und sich zu bemühen, es in Zukunft besser zu machen. Das ist ein lebenslanger Prozess. Ich habe z. B. auch meinen langjährigen Beruf aufgegeben und dann ein komplett anderes Leben geführt; das hat lustiger Weise niemand kritisiert. Ich zwinge niemanden dazu, mehr Wertschätzung in seinen Alltag einkehren zu lassen, sich klima- bzw. umweltfreundlicher zu verhalten oder diesen Blog zu lesen. Wenn dich meine Art nervt oder ärgert, kann ich daran leider nichts ändern und dir nur alles Gute für die Zukunft wünschen.
Beste Grüße
Ute