Plötzlich hielt mein Taxifahrer an, kurbelte das Fenster runter und sagte auf Arabisch irgendetwas mit Alemani. Dann beugte sich der Mann in schwarzer Uniform nach unten und lächelte »No problem, you can go!« In der Wüste Wadi Rum sollte es noch richtige Männer geben. Stolz, tapfer und ohne Angst. Aber dass sie auch noch so gut aussehen würden wie dieser Polizist gerade, war mir bisher nicht zu Ohren gekommen. Und dann hielt der Taxifahrer erneut an.
An einer einsamen Straße in der Wüste wartete ein Toyota Landcruiser. Ich drückte dem Fahrer für die 2-stündige Fahrt von Petra 35 JD in die Hand und stieg bei Saleem ein. Bis gestern hatte ich mich trotz längerer Recherchen nicht für ein Camp in Wadi Rum entscheiden können, denn es war nahezu unmöglich, die Unterschiede der mehr als 80 Agenturen vor Ort herauszufinden. Also überließ ich es dem Schicksal und lernte in Petra ein Pärchen kennen, das mir eine Visitenkarte von Jordan Tracks in die Hand drückte.
Ein kurzes Telefonat und schon saß ich nun auf dem Beifahrersitz des smarten Beduinen Saleem, der mit Kufiya (dem rot-weiß karierten Kopftuch) und schwarzer Ray Ban-Brille bewaffnet mit einem Affenzahn Richtung Wadi Rum Village fuhr.
Nach einer kurzen Lageplanung im Village machte ich die Bekanntschaft mit einem kuscheligen Kamel-Mann, mit dem ich die nächsten vier Stunden durch die Wüste reiten oder besser gesagt schaukeln würde. Ich hatte zwar schon in Indien und Ägypten auf Kamelen gesessen, aber noch nie so lange. Daher mein Tipp für diejenigen, die längere Ausritte auf Kamelen planen: Keine Unterwäsche tragen, denn die bildet sich durch die Reibung in schmerzhafter Art und Weise auf dem Hintern ab… Ein Souvenir, auf das man gut und gerne verzichten kann.
Der Khazali Canyon unterwegs erinnerte ein wenig an die riesigen Felsschluchten in Petra. Nur waren hier so gut wie keine Touristen und auch diese extreme Stille ist etwas, an das man sich als Stadtmensch erst einmal gewöhnen muss. Man wartet ständig auf irgendein Geräusch, aber es kommt nichts. Ein wunderschöner Zustand!
Aber auch die hohen Temperaturen in der Wüste sind nicht ganz ohne… mal wieder vergessen, sich rechtzeitig einzucremen, bleibt einem nur noch die Komplett-Gesichtsverhüllung. Und dann gilt ja auch noch die religionsbedingte Anpassung: Mit langen Klamotten ist es auf einem Kamel in der Mittagszeit ein schweißtreibendes Unterfangen!
Wieder bei Saleem im bequemen Auto sitzend, legten wir einen Zwischenstopp bei seinen Eltern ein, die seit seines Vaters Pensionierung in der Wüste im Zelt wohnen. Im kühlen Schatten tranken wir Tee, während Saleem’s Mutter die Ziegen draußen umpositionierte. Sie bot mir ihren selbstgemachten Ziegenkäse an, der härter war als unserer und auch wesentlich salziger schmeckte. Was hätte ich jetzt dafür gegeben, Arabisch sprechen zu können…
Die Zeit schien hier in der Wüste irgendwie langsamer zu laufen als bei uns zu Hause. Auch ohne sich zu unterhalten hätte ich stundenlang im Zelt sitzen bleiben können. Wir fuhren aber weiter zum Um Frouth Arch, den man in nur wenigen Minuten besteigen kann. Irgendwann mal wird das Mittelstück abbrechen, dachte ich mir. Nur hoffentlich nicht genau in dem Moment, wo ich gerade darauf stehe!
Die nächste Pause stand an. Saleem nahm einen Beutel und einen kleinen Kessel von der Rücksitzbank, sammelte trockenes Gestrüpp und Äste und machte uns Tee. Er übergab mir die Hälfte eines Granatapfels, holte ein großes Zupfinstrument aus dem Kofferraum und spielte darauf, während ich mich in einem emotionalen Auflösungsprozess befand. Man kann uns Frauen mit solch einfachen Dingen so unglaublich glücklich machen. Besonders, wenn man sich an so einem wunderschönen Fleckchen Erde befindet.
Ich fragte Saleem, ob er diese Landschaft nach all den Jahren immer noch so schätzen würde, obwohl er hier schließlich jeden Winkel kannte und wahrscheinlich auch blind navigieren könnte. Überraschender Weise bejahte er meine Frage. Irgendwie beneidete ich die Beduinen darum, hier geboren zu sein und in der Wüste zu leben. Alles war so friedlich und ruhig. Es erschien mir wie eine große Familie, in der sich jeder hilft und in Not zur Seite steht. Jordanien gehört immerhin zu den zehn trockensten Ländern der Erde.
Aber nicht nur die Trockenheit, sondern auch die Tatsache, dass der Tourismus (die größte Einnahmequelle in diesem Land) bedingt durch die Unruhen in den Nachbarländern nachgelassen hat, erfordert einen starken Zusammenhalt unter der Beduinen. Wenn man allerdings gerade hier ist und sich in dieser paradiesischen Landschaft befindet, mag und kann man sich überhaupt nichts Negatives dergleichen vorstellen, weil es hier einfach so unglaublich ruhig und entspannt ist.
Meinem leidenschaftlichen Vortrag am Abend über meine Liebe zu Kamelen hatte ich es wohl zu verdanken, dass ich am nächsten Morgen an einem Training von Rennkamelen dabei sein durfte. Um 5 Uhr saßen wir dann schon im Auto, weckten unterwegs drei weitere Jungs, die in einer Felsnische auf Matratzen übernachtet hatten, machten Tee und standen pünktlich zum Sonnenaufgang am Rennparcours. Die Racing Camels haben lange Beine und sind teilweise sehr zierlich.
Auch sitzen aufgrund der großen Unfallgefahr keine Reiter mehr auf dem Rücken, sondern kleine Maschinen, die mit einer Gerte per Fernsteuerung das Kamel antreiben sollen. Während sie den Parcours entlang laufen, fahren die Besitzer mit dem Auto nebenher, hupen und feuern das schnelle Wüstenschiff an. Eine aufregende Angelegenheit!
Den Tag verbrachte ich mit Zidane, einem verrückten und extrem witzigen Beduinen. Die Windschutzscheibe seines alten Toyota Landcruisers erweckte den Anschein, als wäre er in eine derbe Schießerei geraten. Auch er kennt Wadi Rum in- und auswendig und da kann es schon mal vorkommen, dass man mit über 150 Sachen durch die Wüste scheppert und dabei noch problemlos Kamelen und Ziegen unterwegs ausweicht.
An diesem Tag erlernte ich diverse Überlebensstrategien in der Wüste, z. B. Tee kochen, klettern und ohne Klopapier Geschäfte verrichten. Auch gab’s Nachhilfestunden in Bezug auf den Islam, die Familienehre und die besten Beduinen-Witze. Langsam aber sicher konnte ich im Umgang mit den verschiedenen Männern hier bestätigen, dass sie tatsächlich (noch) anders zu sein scheinen als der uns bekannte Durchschnittsmann. Sie sind mit einem extremen Beschützer-Instinkt ausgestattet, reparieren ihre Autos und alles andere selbst, öffnen Dosen mit stumpfen Messern, schlafen in der bitteren Kälte im Freien und nehmen der Frau alles ab, was ihnen als zu schwer für sie erscheint.
Der Abschied von der Wüste am dritten Tag fiel mir so schwer, dass ich mich entschloss, meine Zeit in Aqaba am Roten Meer zu verkürzen und noch mal zurück zu kommen. Ich wollte unbedingt eine Nacht unter freiem Himmel in der Wüste schlafen und Sterne zählen. Mittlerweile wusste ich, dass die Gefahr von Schlangen, Skorpionen oder gar Spinnen in dieser Jahreszeit äußerst gering sein würde und auch sonst keine großen Gefahren draußen auf mich lauern würden. Auch die Füchse würden mich nicht beißen.
Die Entscheidung bzw. Planänderung stellte sich als richtig heraus. Aqaba im Süden Jordaniens liegt nur etwa eine Stunde von Wadi Rum entfernt und ist einerseits ganz interessant, aber auf der anderen Seite sehr laut (auch nachts) und wenig entspannend. Also verbrachte ich noch eine Nacht in der Wüste, in einem Schlafsack auf einer Matratze neben einem glimmenden Lagerfeuer. Zugegeben, viel geschlafen habe ich dabei nicht, aber es war ein unvergessliches Erlebnis.
Nicht erst auf dem fünfstündigen Weg zum Flughafen Amman war mir klar, dass ich wieder kommen würde! Wahrscheinlich sogar schon ziemlich bald…
Reisetipps für Wadi Rum:
- Touren: Wer sich einen authentischen Aufenthalt in der Wüste wünscht, sollte eine Agentur wählen, deren Guides gebürtig aus dem Ort kommen. Leider haben sich dort auch marketing-starke Agenturen breit gemacht, die sich bei tripadvisor auf den ersten Plätzen tummeln, die nicht waschecht aus dem Ort kommen und angelernte Guides von außerhalb anbieten (auch gibt es z. B. Geld zurück, um schlechte Bewertungen zu vermeiden). Die „echten“ Beduinen aus Wadi Rum sprechen zwar gut Englisch, sind aber keine Marketing-Experten und somit auch nicht so Internet-aktiv. Daher sollte man nicht nur auf die Werbung im Internet bauen und gleichzeitig auch die lokalen Anbieter unterstützen. Die beiden Agenturen Bedouinroads und Jordan Tracks sind zuverlässig, sicher, sehr engagiert, 100% Wadi Rum und – wie man auf den Fotos sehen kann – absolut empfehlenswert! Wer dort ist, sollte es sich nicht entgehen lassen, einmal unter freiem Himmel oder in einer Höhle zu übernachten.
- Reisezeit: Die beste Reisezeit ist im Herbst (September/Oktober) und im Frühling (März/April). In den Sommermonaten ist es tagsüber extrem heiß und im Winter in den Nächten extrem kalt, beides ist eher ungünstig.
- Flugverbindung: Wer nicht unbedingt in den Norden in die Hauptstadt Amman und Umgebung reisen möchte, kann auch über den Flughafen Aqaba im Süden Jordaniens anreisen. Sehr günstige Flüge (zum Teil ab 150 €) gibt es ab Brüssel mit Jetairfly oder ab Amsterdam mit ArkeFly. Bei der Einreise mit der belgischen Airline Jetairfly ist die Visumsgebühr von etwa 20 € bereits im Flugpreis enthalten.
So. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch mal offiziell als großer Fan deiner Seite outen. Sowohl textlich, als auch fotografisch haut mich das alles vom Hocker. Wirklich gute Arbeit!! Macht mir Spaß hier :-)
So. Jetzt bin ich echt stolz! Vielen lieben Dank für das tolle Kompliment, Gesa!
Ute! Ich habe es schonmal an anderer Stelle auf deinem Blog geäußert: Ich bewundere dich nicht nur für deinen Mut (das ein oder andere Reieziel ist sicher nicht für jede Frau geeignet), sondern auch deine Texte und Fotos zeigen, mit wie viel Leidenschaft du ein land bereist.Ich wünsche dir alles gute für deine weiteren Reisen, alles Liebe, Irene
Liebe Irene, vielen Dank für das Lob! Das spornt mich an, so weiterzumachen :) Ganz liebe Grüße und dir auch alles Gute!
Hut ab, geile Bilder!
Danke, lieber Hannes!
Hallo,
habe vor kurzem deinen Blog entdeckt und bin total begeistert. Ich kannes in G+ kaum erwarten Neuigkeiten zu lesen.
Gerade las ich deine Tipps zu Kameras. Ich besitze eine digitiale Spiegelreflexkamera und letztes Jahr lieh ich meinem Vati für Israel mein wertvollstes Objektiv. Als er aber wieder in Dtl. war konnte ich das Objektiv für teuer Geld erst mal reparieren lassen. Ich vermute es war Sand drin. Wie kann ich das vermeiden?
Ich habe durch meine Ausbildung leider hohe Ansprüche an mich und meine Kamera, deshalb kann ich mich auch nicht für andere Kameras begeistern.
LG
Hi Lydia,
erstmal ganz lieben Dank! :) Das mit den Ansprüchen an die Kamera kann ich gut nachvollziehen. In Sachen Sand habe ich bisher immer Glück gehabt. Großartig schützen kann man sich meines Erachtens nicht, außer die Kamera immer direkt wieder in die Tasche zu legen… Auch hilft ein Pinsel zum Entfernen von Körnchen, die irgendwo reingerutscht sind. Mehr weiß ich da leider nicht.
Liebe Grüße und Danke nochmals!
Ute
Ich muss auch sagen: fantastische fotos! Ich habe gelesen, dass du die 5D M II und die 600D verwendest, welche hast duhier mitgenommen? Gruß und weiter so! Dieter
Hallo Dieter! Vielen Dank auch an dich für das tolle Kompliment! In Jordanien hatte ich die 5D Mark II dabei mit zwei Tamron-Zoomobjektiven. Liebe Grüße, Ute
What beautiful pictures!
I’m so glad you had such a good trip to Wadi Rum after we parted company!
Bill
Thanks, Bill! Wadi Rum is absolutely worth it!!
Hier zu lesen, das bringt Spaß!
Nachfrage: Individueller Kontakt zu Frauen, in einem islamischen Land, wie sie leben, welchen Status sie denn nun (jenseits westlicher Vorurteile) wirklich haben, ist das möglich? Und, hattest/suchtest Du ihn?
Hi Bärbel,
vielen Dank! Verrückter Weise schreibe ich gerade einen Artikel darüber, der wahrscheinlich am Freitag hier online gehen wird. Der Kontakt ist möglich, aber in der Kürze der Zeit nicht ganz einfach. Mehr dazu also bald in zwei Artikeln :)
LG Ute
Sehr schöne Impressionen, die du hier aus Wadi Rum mit uns teilst! :)
Hi Christian, Dank dir! ;) Ist auch ein wunderwunderschöner Ort…
Wow Ute!!! Such wonderful journey again! And love the photos!
Thanks my love <3
Tippi Toppi Ute :)
Danki Herr Willie :)
Ein hola von Teneriffa.
Deine Seiten über Jordanien finde ich SUPER SCHÖN! Ich darf das behaupten, denn ich habe dort fast 5 Jahre meines Lebens verbracht! Petra,Wadi-Rum,Aqaba,Amman,Ma’an, Zarga, H4…na halt das ganze wunderschöne Land.
Vielleicht (liest) man sich ja öfter? Werde Deine Seite nun öfter und etwas Intensiver Bestaunen. OK? Danke für die wunderschönen Erinnerungen,die Du da in mir Erweckt hast.
Hallo lieber Jürgen,
wow, 5 Jahre in Jordanien leben hört sich sehr spannend an! Ich bin gerade wieder hier und werde auch sicher noch öfter wiederkommen. Freut mich, wenn wir uns öfter lesen :)
LG Ute
Tja so wird man wieder an WADI-RUM erinnert.
Lawrenz(Laurenz) von Arabien! RIP.
Lieber Jürgen,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ich bin unglaublich verliebt in diese Wüste und in ein paar Tagen gibt es sogar wieder einen Bericht und tiefere Einblicke darüber :)
LG Ute
Ja,Jordanien…letztes mal war ich in den 80er Jahren dort. Gibt es noch Teilstrecken von der „Hedschas-Bahn?“ oder der“Aqaba-Bahn“ welcher das Phosphat von der Wüste nach Aqaba – Hafen bringt? Hatte einige Jahre in Aqaba gelebt (gearbeitet). Natürlich kenne ich das Land und Leute „Gut“ bin sehr froh,in deinem Blog so schöne Berichte zu lesen..DANKE!
Ui, das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Da laufen Bahnstrecken entlang und es fahren auch noch Züge, aber ob das die Hodschas- oder Aqaba-Bahn ist… keine Ahnung. Auch für mich sind das hier immer wieder schöne Erinnerungen, würde gerne nochmals dorthin!
Viele Grüße!
Wenn man vergleicht, wir waren erst vor wenigen Wochen dort, es ändert sich wenig, im laufe der Jahre, es ist tatsächlich alles noch so, wie Du es beschrieben hast. Und das ist gut so.
http://wegsite.net/unser-weg/naher-osten/jordanien/wadi-rum/
Gruss Aras Und Christiane
Wunderschöne Fotos, die einen guten Eindruck von der Reise durch die Wüste vermitteln.
Hallo Jerome,
vielen Dank für das schöne Kompliment. Ich erinnere mich auch sehr gerne an diese tolle Reise zurück!
Viele Grüße
Ute