Die ruhige Zeit in der Corona-Pandemie habe ich intensiv dazu genutzt, mich von Überflüssigem zu befreien, von Altem zu lösen und Überholtes gegen Nützlicheres auszutauschen. Zu Letzterem zählte auch der Wechsel zu einem für mich passenderen Fahrrad. Bislang hatte ich zwei sehr unterschiedliche Räder: ein sportliches Bike für Stadt und Land sowie ein Klapprad für Reisen mit dem Auto. Nur passten sie inzwischen nicht mehr so recht zu meinem jetzigen Alltag.
Bei der heutigen, enormen Vielfalt ist die Entscheidung für das passende Fahrrad gar nicht so einfach. Bei all den Überlegungen, in welchen Situationen ich das neue Fahrrad verwenden würde, schien mir ein E-Faltrad die beste Wahl zu sein. Ich könnte es problemlos im Auto, in der Bahn und im Zug mitnehmen, sah mich in den Alpen gazellenhaft bergauf bergab fahren und den 13 kg schweren Hundeanhänger würde ich auch spielend leicht hinter mir herziehen können. Soviel zur Theorie.
In Fahrradläden testete ich die wenigen, qualitativ hochwertigeren Marken der Falt-E-Bikes aus und war danach ziemlich ernüchtert. Moderne Falträder ohne E-Antrieb finde ich nach wie vor superklasse (↠ s. auch meinen Artikel “5 stylische Falträder für Citytrips & Ausflüge“), allerdings habe ich mich aus verschiedenen Gründen am Ende doch für ein klassisches, gebrauchtes Damenrad im Neuzustand entschieden.

Welche Gründe sprechen gegen ein E-Bike oder Pedelec?
In grünen Lifestyle Print- und Online-Magazinen werden sie gerne als tolle Innovation dargestellt, die unsere Zukunft verbessern sollen. Selten gibt es etwas Kritisches zu lesen und in Sachen Nachhaltigkeit wird – wenn überhaupt – meist nur der problematische Umwelt-Aspekt “Akku” angesprochen, der gegen das elektrische Fahrrad spricht; aber da gibt es noch einige weitere Argumente, die man meiner Meinung nach nicht unter den Tisch kehren sollte.
Anmerkung: Wir verwenden hierzulande allgemein den Begriff “E-Bike”, gemeint ist damit allerdings in erster Linie das “Pedelec”, das etwa 90-95% in Deutschland gefahren wird. Ein Pedelec fährt mit Tretunterstützung bis 25 km/h; ein E-Bike gilt eher als Leicht-Mofa, fährt auch ohne Tretleistung, braucht eine Zulassung und kann bis 45 km/h fahren. Da wir das Elektro-Fahrrad gemeinhin als E-Bike bezeichnen, verwende ich im Text beide Wörter; gemeint ist aber in der Regel das Pedelec.
1. Fördert Bequemlichkeit
Mittlerweile gelten 30% der Weltbevölkerung als übergewichtig. In Deutschland sind es lt. RKI 67% der Männer und 53% der Frauen; jeweils ein Viertel ist stark übergewichtig. Dieser Trend wird sich Forschern zufolge zu einem der größten Gesundheitsprobleme der Zukunft entwickeln. Der Hauptgrund liegt hier sicher in schlechter Ernährung, aber natürlich hat sich auch unsere Fortbewegung stark zugunsten der Bequemlichkeit verändert.
Mein inneres Faultierchen ist in den letzten Jahren leider auch immer lauter geworden – und das hat sich u. a. auch bei meiner Figur bemerkbar gemacht. Und hier entsteht letzten Endes ein ungesunder Teufelskreis: je bequemer man wird und je mehr Gewicht man hat, umso weniger gern bewegt man sich und am Ende kommt man nur sehr schwer und langwierig wieder zu seinem früheren Ausgangs- und Wohlfühlgewicht zurück (- wenn überhaupt).
Wenn es eine einfache, günstige und zudem schöne Möglichkeit der Fortbewegung gibt, die das Verbrennen von Kalorien an der frischen Luft ermöglicht, ist das klassische Fahrrad auf jeden Fall das beste Mittel der Wahl. Seit über 200 Jahren bewährt und ein nützliches Utensil für unseren Körper, der gefordert werden sollte, um gesund, agil und fit zu bleiben. Für mich daher der Hauptgrund, mich gegen eine elektrische Unterstützung zu entscheiden.
2. Fördert Ungleichgewicht im Straßenverkehr
Wer gerne auf Uferpromenaden, Feldwegen oder im Wald spazieren geht, wird möglicherweise des Öfteren schonmal die Faust in der Tasche geballt haben, wenn ein wildes Klingeln im Hintergrund zum schnellen Sprung zur Seite auffordert. Während das klassische Fahrrad im Schnitt 15-18 km/h fährt, sind Pedelecs mit bis zu 25 km/h unterwegs und E-Bikes können sogar 45 km/h erreichen.
Deutschland steckt in Sachen Infrastruktur für Radfahrer immer noch in den Kinderschuhen und daher gestaltet sich das Miteinander auf gemeinsam genutzten Rad-, Geh- und Wanderwegen mit derart großen Geschwindigkeits-Unterschieden von Fußgängern, Radfahrern und E-Bikern als äußerst problematisch. Radfahrer haben keinen Vorrang auf gemeinsamen Geh- und Radwegen, stören aber den gemütlichen Spaziergang insbesondere mit Kindern und Hunden zum Teil gewaltig.
Ich bin täglich 2-5 Stunden überwiegend zu Fuß mit meinem Hund in der Natur unterwegs und habe mein eigenes Verhalten bedingt durch die zunehmende Zahl von Radfahrern und E-Bike-Fahrern bereits deutlich verändert. Mich nervt das ständige Anhalten und Passieren lassen extrem, da es mit einem genussvollen Spaziergang nichts mehr zu tun hat. Aus dieser Erfahrung heraus kommt für mich selbst ein Elektro-Fahrrad ebenfalls nicht in Frage.
3. Nicht so wirklich “öko“
Die Problematik von Lithium-Ionen-Akkus ist den meisten hinlänglich bekannt. Daher nur in Kürze:
- Für die Herstellung eines E-Bikes bzw. Pedelecs werden etwa 35% mehr Rohstoffe verwendet als für ein herkömmliches Fahrrad. In Südamerika gibt es regelmäßig Unruhen wegen der Lithium-Gewinnung, da der extrem hohe Verbrauch von Wasser der indigenen Bevölkerung schadet. Der Kobalt-Abbau erfolgt teils illegal und nicht selten durch Kinderhand. Für Akku-Rohstoffe gibt es keine Zertifizierungen oder andere Standards für faire Bedingungen.
- Die durchschnittliche Lebensdauer der Batterie beträgt je nach Hersteller, Modell und Lagerung 500-1.000 Ladezyklen; nach Angaben von Werkstätten selten mehr als 4 Jahre.
- Die Akkus können nur zu ca. 50-70% recycelt werden (sofern sie nicht verbotener Weise im Restmüll landen).
- Ohne Versorgung des Akkus mit Ökostrom kein ökologischer Fortschritt.
Nun ließe sich argumentieren, dass man dann auch auf Handy und Laptop verzichten müsste. Hier sehe ich allerdings den Unterschied, dass Handy und Laptop täglich im Einsatz befindliche Arbeitsgeräte sind; ein Pedelec oder E-Bike hingegen wäre z. B. in meinem Fall ein gelegentlich verwendetes Freizeitgerät, auf das ich verzichten kann, zumal es eine bewährte Alternative ohne Akku gibt.

4. Ein ziemlich teures Vergnügen
Laut Umfragen wären über 75% der Befragten bereit, mehr als 2.000 Euro für ein E-Bike oder Pedelec auszugeben. Die meisten investieren offenbar zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Ein hoher Kaufpreis für ein qualitativ hochwertiges Produkt ist an sich kein Problem, wenn da nicht der enorme Wertverlust wäre. Schon im 1. Jahr verliert das E-Fahrrad etwa 30% an Wert und nach nur drei Jahren kann der Wert um 80% auf einen Bruchteil des Kaufpreises gesunken sein. Speiche24 bietet einen Restwertrechner an.
Hinzu kommen die Wartungskosten, die jährlich bei ca. 300 Euro liegen sollen. Und Reparaturen? Eine Umfrage des Versicherers Wertgarantie in Kooperation mit Statista in 2020 ergab: rund 20% der befragten E-Bike-Fahrer beklagten technische Defekte (Akku, Motor, Display); knapp 16% hatten Schäden durch Unfälle. Den Akku sollte man nach einem Unfall austauschen zur Vorbeugung der Gefahr einer Selbstentzündung. Ein neuer Akku kostet ab 500 Euro aufwärts.
Mit meinem bekannten Reiseblog ein hochwertiges Pedelec kostenfrei gesponsert zu bekommen, ist relativ unproblematisch. Nur muss ich mir – abgesehen vom Eigennutz – die Frage stellen, ob ich Werbung für einen Trend machen möchte, den ich nicht für 100% sinnvoll erachte. Die Frage habe ich mit einem “Nein” beantwortet. Hier übrigens ein interessanter Beitrag eines Fahrradhändlers, der heute trotz finanzieller Einbußen keine E-Bikes mehr vertreibt.
5. Eine höhere Unfallgefahr
Fahrradfahrer:innen sind ohnehin bereits die gefährdetsten Verkehrsteilnehmer. Nach einer Studie der Allianz Versicherung in 2019 haben Elektro-Fahrräder darüber hinaus eine deutlich höhere Unfallquote. Die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls soll demnach bei einer Fahrt auf dem E-Bike 3x höher sein als auf einem normalen Fahrrad ohne Motor. Lt. Statistischem Bundesamt stieg die Zahl der auf einem Pedelec verunglückten Personen im Frühjahr 2020 im Vergleich zum Frühjahr 2019 um etwa 52% an.
Wenn E-Bike-Fahrer verunfallen, geschieht dies lt. Statistik oft bei einem Alleinunfall. Gründe dafür werden u. a. in der höheren Geschwindigkeit, dem höheren Gewicht, der anderen Bremstechnik und psychomotorischen Defiziten vermutet. Dann gibt es natürlich bei uns noch die vielen maroden Straßen und Radwege mit Unebenheiten, Löchern und Dellen, die insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten zu gefährlichen Stürzen führen können.
Die statistisch nicht erfassten, milderen Unfälle wie Umkippen, Ausrutschen sowie Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern und Fußgängern dürften um ein Vielfaches höher sein als die vorliegende Statistik. Man gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer.
6. Hohes Gewicht
Während ein normales Fahrrad im Durchschnitt um die 11-15 kg wiegt, können Pedelecs und E-Bikes schonmal 20-25 kg auf die Waage bringen. Wenn man keine Garage hat und das Elektrofahrrad im Keller oder in der Wohnung ohne Aufzug unterstellen muss, kann das auf Dauer eine ziemlich sportliche Angelegenheit werden. Auch in den Kofferraum des Kombis legen ist dann nicht mehr ganz so einfach, sofern der Akku sich nicht separat abnehmen lassen sollte.
Meine ursprüngliche Idee, ein E-Faltrad für die Reise im Zug, Bus und Auto mitzunehmen, schlug bei meinen Tests im Fahrradladen fehl, denn ein 20 kg schweres – wenn auch klein gefaltetes – Fahrrad neben meinem Koffer, einem Rucksack und ggf. noch meinem Hund mit Hundebox zu transportieren ist schlichtweg nicht praktikabel. Auch ein klassisches Pedelec oder E-Bike im Zug mitzunehmen ist gar nicht so einfach, denn es muss ohne Hilfe des Zugpersonals in den Zug ein- und ausgeladen werden können.
Im Flugzeug ist die Mitnahme eines Fahrrads mit E-Antrieb wegen möglicher Brandgefahr bei den meisten Airlines untersagt. Manche schicken den Akku separat per Post ans Reiseziel, was allerdings auch nochmal mit Kosten verbunden und zudem umständlich ist. Also alles in allem ist das hohe Gewicht in vielen Fällen lästig und abgesehen davon muss ich natürlich auch ständig den Akku herumtragen, um ihn irgendwo laden zu können. Vom Laden in der Wohnung raten Experten wegen Brandgefahr ab.
7. Weniger echter Genuss
Immer häufiger frage ich mich, wo wir als Gesellschaft eigentlich genau hin wollen mit unserem ständig steigenden Tempo. Schnelle Computer und das Internet nehmen uns viel Arbeit ab, aber wir müssen dafür im Gegensatz zu früher um ein Vielfaches mehr leisten – in derselben Zeit. Viele Menschen fühlen sich dadurch überfordert. Jeder dritte Verkehrstote stirbt durch zu hohe Geschwindigkeit. Fast Food hat kaum Nährstoffe und zu viele Kalorien. Also was bringt die Schnelligkeit in unserem Alltag?
Klar ist es effizient, wenn wir das E-Bike für den täglichen Arbeitsweg nutzen können. Nur wird lt. Statistik das E-Bike bzw. Pedelec von mehr als 75% aller Besitzer:innen in der Freizeit genutzt und hier frage ich mich, wie uns die Schnelligkeit weiterbringen soll. Die Natur ist so ein großes Geschenk an uns und ist es da nicht sinnvoll, wenn wir sie aufmerksam und langsam mit allen Sinnen genießen als nur schnell mal durchzufahren?
Erfreulicher Weise wächst die Zahl der Menschen, die feststellen, dass das Motto “Höher, Schneller, Weiter” nicht das große Glück verspricht. Eine schöne Hör-/Buchempfehlung wäre hier »Mythos Überforderung« von Michael Winterhoff.

Zusammenfassung
Wie bei vielen der heutigen technischen “Innovationen” sehe ich im E-Bike oder Pedelec keine wirkliche Errungenschaft, die 1.) den Verkehr signifikant verbessert oder 2.) erheblich zum Umweltschutz beiträgt. Laut Umfragen nutzen mehr als 75% ihr Elektrofahrrad in der Freizeit und nicht z. B. als vollständigen Ersatz für das Auto, wodurch es sich in erster Linie nur um ein zusätzliches Verkehrsmittel mit Lithium-Ionen-Akku handeln dürfte.
Wenn ein E-Bike lediglich ein normales Fahrrad oder den Spaziergang ersetzt, hat es keinen Umweltnutzen; durch den Stromverbrauch des Akkus ist sogar das Gegenteil der Fall. Und da unsere Straßen ursprünglich weder für die wachsende Anzahl überbreiter SUVs noch für regen, schnellen Radverkehr ausgelegt sind, kann hier ein E-Bike aktuell nicht viel verbessern. Im Wald, auf gemütlichen Wanderwegen und auf Promenaden sind überdurchschnittlich schnelle Radfahrer störend für Fußgänger.
Kurzum: Warum bleibe ich beim klassischen Fahrrad?
- Ich bin körperlich fit und gesund, wohne in einer flachen Region und brauche daher keine zusätzliche elektronische Unterstützung.
- Es ist ein zusätzliches Verkehrsmittel und Freizeitgerät für mich und das sollte ohne Lithium-Ionen-Akku auskommen.
- Ein leichtes Fahrrad bekomme ich ohne große Anstrengung in den Kofferraum oder auf den Heck-Gepäckträger.
- Ich bin mit dem Fahrrad fast nur in der Natur unterwegs und da möchte ich langsam und bewusst unterwegs sein.
- Meinem Hund würde ich schnelleres Fahren bis 25 km/h nicht zumuten.
- Geringer zu erwartender Wertverlust, auch nach vielen Jahren.
- Geringe Reparatur- und Wartungskosten.
- Bestmöglich in Harmonie mit Fußgängern unterwegs.
- Kann in Zug, Bahn und Flugzeug mitgenommen werden.
- Auf Reisen oder in den Bergen würde ich mir mit dem Leihen eines Pedelecs eine exklusive Freude machen und dadurch u. a. mit diesem Beitrag ein kleines, lokales Unternehmen unterstützen.
Noch 3 Fahrrad-Tipps
- Wenn dein Elektrofahrrad (oder das deiner Eltern) schon länger im Keller steht, weil es doch nicht gefahren wird, verkaufe es am besten zeitnah, z. B. über Ebay Kleinanzeigen. Damit vermeidest du einen noch höheren Wertverlust, der Akku kann weiter genutzt werden und durch den Kauf deines gebrauchten Fahrrads wird möglicherweise der Kauf eines neuen E-Bikes vermieden.
- Achte bei deiner Hausratversicherung darauf, dass dein Fahrrad bei einem Diebstahl nicht nur dann versichert ist, wenn es im Keller untergebracht war, sondern auch draußen bei angemessener Sicherung durch ein Fahrradschloss.
- Notiere die Rahmennummer, damit dein Fahrrad bei einem Diebstahl identifiziert werden kann. Eine Hilfestellung gibt hier die Fahrradpass-App der Polizei. Einfach downloaden und Daten eintragen: App-Store oder Google Play Store.