Nie hätte ich damit gerechnet, dass die Umstellung auf ein möglichst tierleidfreies Leben derart viel Aufregung, Gegenwind und sogar Aggression erzeugen würde. Als Vegetarierin wurde ich problemlos von der Gesellschaft akzeptiert, als Veganerin hingegen war ich plötzlich unentwegt Fragen und Diskussionen ausgesetzt.
Obwohl der Grundgedanke ausschließlich in etwas Gutem liegt, fühlt man sich als Veganer häufig als Außenseiter oder zumindest als jemand, der anders ist. Es gibt meiner Meinung nach im zwischenmenschlichen Miteinander kein anderes Thema, bei dem man so derart verschiedener Meinung sein kann wie bei diesem.
Während ich mein Umfeld anfangs voller Leidenschaft zu diesem für mich wichtigen Schritt animieren wollte, haben mich die sehr unterschiedlichen Erfahrungen in den vergangenen Monaten dazu gebracht, besonders am gemeinsamen Tisch gar nicht oder nur spärlich auf das Thema einzugehen.
Die Reaktionen anderer sind vielfältig und oft nicht gerade angenehm. Man wird ausgelacht, provoziert, abgelehnt, für dumm erklärt und bekommt nicht selten den ultimativen Gutmenschen-Ökostempel aufgedrückt, mit dem man gleichzeitig auch noch unter Beobachtung steht, bloß in Zukunft alles 100% “richtig” zu machen.
Mittlerweile bin ich der Meinung, dass die Kommunikation hier eine ganz wesentliche Rolle spielt. Zu schnell lässt man sich in die Rechtfertigungsfalle zwängen oder gerät in Ärger oder Wut, die beide selten gute Berater in einer sachlichen Unterhaltung sind. Warum sich also nicht einen klaren Plan zurechtlegen, der einem das Gespräch erleichtern kann?
Da wäre eine der meist gestellten Fragen an Veganer*innen:
“Warum hat du dich für diese Lebensweise entschieden?”
Grundsätzlich geht es hierbei schlichtweg um Empathie für alle Lebewesen, die sich mit uns diese Erde teilen und ebenso ein Recht auf ein würdevolles Leben haben sollen. Die Beweggründe für die Umstellung auf eine tierleidfreie Ernährung und Kleidung können sehr unterschiedlich sein, wenngleich alle wichtig und gravierend sind:
1. Ethik – Zum Wohl von Tier und Mensch
Wir kennen die grausamen Bilder aus den Schlachthäusern, doch irgendwie scheint unser Verstand dieses Horror-Szenario mit dem sorgfältig eingepackten, rosigen Etwas in der Kühltheke nicht verknüpfen zu wollen. Fleisch und Milch sind gewöhnliche Produkte im Supermarkt, die für die meisten gar nicht im Zusammenhang mit einem dafür gestorbenen Lebewesen steht.
Man sagt, dass für jeden Allesesser etwa ein Tier pro Tag qualvoll sterben muss. Und hierbei zählt nicht nur das Tier auf dem Teller oder die Lederbekleidung am Körper, sondern auch die riesige Menge an “Kollateralschäden”: Männliche Küken werden geschreddert, männliche Kälber eingeschläfert und dann wären da noch die langsam dahinsterbenden Tiere, die in der Masse oder auf dem Transport bis zu ihrem ohnehin frühen Tod nicht durchhalten. Vom Beifang in den Meeren und Tieren, die bei Tierversuchen für Kosmetik, Pharma und andere Industriezweige gequält werden, ganz abgesehen.
98% aller verzehrten sogenannten Nutztiere kommen aus der Massentierhaltung. Und was hier wahnsinnig traurig macht ist die Tatsache, dass sich zum aktuellen Zeitpunkt keine einzige Partei gänzlich gegen die Massentierhaltung ausspricht. Von daher können wir aktuell nur als Einzelne etwas dafür tun, um das Leid wenigstens um einen kleinen Teil zu verringern. Denn Alternativen gibt es in jeder Hinsicht mehr als genug.
Aber noch ein weiterer Punkt sollte nicht außer Acht gelassen werden: Etwa 70% des weltweiten Getreides wird direkt an die sogenannten Nutztiere verfüttert. Wenn man dieses Getreide direkt verwerten würde, müsste niemand auf der Welt mehr hungern – aktuell sprechen wir da über 800 Millionen Menschen weltweit!
2. Umwelt – Ein weitreichendes Problem
Die Folgen der extensiven, industriellen Landwirtschaft sind immens und sollten in der Summe mehr als besorgniserregend sein. Sie fördert die globale Erwärmung, produziert hohe Mengen CO2-Emissionen und Feinstaub und verbraucht riesige Flächen Acker- und Weideland sowie unendlich große Massen der endlichen Ressource Wasser.
Für die Herstellung von Futtermitteln werden Weideflächen benötigt, für die große Waldflächen gerodet werden. In zwei Jahrzehnten sollen voraussichtlich mehr als 50% der heutigen Regenwälder verschwunden sein. Daraus resultierend hat bereits ein Artensterben eines einzigartigen Ausmaßes eingesetzt. Pestizide, Überdüngung und saurer Regen fördern darüber hinaus das Insekten- und Vogelsterben.
Hiesige Monokulturen sind für eine hohe Belastung des Grundwassers verantwortlich. Gülle, Nitrat, Methan, Glyphosat & Co. sind den meisten – auch in ihrer Konsequenz für die Umwelt – bekannt. Besonders Butter, Rindfleisch und Käse gelten als die Top 3 Lebensmittel-Klimakiller. Auch für die Lederproduktion gelangen große Mengen Schadstoffe und krebserregende Säuren ins Grundwasser.
Ich finde es klasse, dass ich auf all diese Aspekte durch meine Entscheidung Einfluss nehmen kann. Allein die Tatsache, dass für die Herstellung eines einzigen Burgers so viel Wasser verbraucht wird wie etwa zwei Monate lang duschen, finde ich mehr als beeindruckend und gleichzeitig bestärkend, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
3. Gesundheit – Für mich und andere
Verrückter Weise leben wir in einer Zeit, in der Gesundheit und Fitness auf der Prioritätenliste vieler Menschen ganz oben stehen. Und trotzdem ist bei den meisten Fleisch, Wurst und die ganze Bandbreite von Milchprodukten auf dem täglichen Speiseplan vertreten mit dem Bewusstsein, sich damit gesund zu ernähren.
Studien belegen, dass verarbeitetes und rohes Fleisch krebsfördernde Tendenzen hat. Die Tiere werden mit Antibiotika versorgt, das im Fleisch verbleiben und beim Menschen eine entsprechende Antibiotika-Resistenz auslösen kann. Ein Huhn bekommt z. B. während seines kurzen Daseins so viel Antibiotika verabreicht wie ein Mensch im ganzen Leben. Auch Pestizide können über das Futter in das Tier gelangen.
Was Milch angeht, die ebenfalls als krebserregend gilt, wissen viele nicht, dass es sich eigentlich um Muttermilch handelt, die lediglich und ausschließlich zur Aufzucht eines Kälbchens gedacht ist. Wer von uns würde Menschen-Muttermilch trinken? Niemand. Warum also die von einer anderen Spezies? Die Kuh-Muttermilch beinhaltet Hormone, die beim Menschen negative Auswirkungen haben können.
Weitere gesundheitliche Probleme sind Adipositas, erhöhte Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt usw. Fische können bis zu 50 Jahre alt werden, nur was haben sie alles in ihrem Gewebe gespeichert? Plastik, Schweröl und viele andere giftige Schadstoffe breiten sich mit unvorhersehbaren Folgen im Meer und damit sicher auch in den Meerestieren aus.
Wenn ich selbst auf den Konsum tierischer Produkte verzichte, verbessert das in der Regel nicht nur meine Gesundheit (man kann sich natürlich auch vegan schlecht ernähren), sondern auch das Wohlbefinden anderer, indem die unter Punkt 2 genannten, umweltschädlichen Ausmaße vermieden werden.
4. Spiritualität – Ich bin, was ich esse
Ein Aspekt, der meiner Meinung nach viel zu selten angebracht wird, für mich jedoch tatsächlich der ausschlaggebende Punkt für die Umstellung war: Kann es wirklich mein Glück sein, wenn ich etwas esse oder trage, was sein ganzes kurzes Leben nur gelitten hat? Nie Licht gesehen hat? Nur eingesperrt war und dabei fast verrückt geworden ist?
In Großbetrieben werden bis zu 1.500 Schweine pro Stunde geschlachtet, das sind 2 Sekunden pro Schwein. Viele sterben dabei nicht und werden somit lebendig verbrüht; manchen werden bei Bewusstsein die Gliedmaßen abgetrennt. So etwas unfassbar Brutales kann uns doch niemals etwas Gutes tun oder uns in irgendeiner Form nähren.
All diese sensiblen Tiere haben einen ausgeprägten sechsten Sinn und einen hohen Freiheitsdrang. Sie sehen und spüren, wie ihre Leidensgenossen schreien und sterben, und stoßen während ihres Todes massenhaft Angsthormone aus. Und es ist durchaus nachvollziehbar, dass diese im Fleisch verbleiben.
Alles in diesem Universum besteht aus Energie. Was macht also diese über Wochen und Monate entstandene, negative Energie aus Qual und Tod mit uns, wenn wir sie in Form von Fleisch oder anderen tierischen Produkten aufnehmen? Kann es unsere liebe Seele wirklich wollen, dass wir uns an diesem ganzen Elend indirekt beteiligen?
Heute macht mich allein der Gedanke wahnsinnig glücklich, dass Tiere nicht mehr für meinen Alltag oder Wohlstand sterben müssen. Gleichzeitig hat die Umstellung einen riesigen Raum in meinem Herzen für Empathie geöffnet, was mich weicher und herzlicher hat werden lassen – auch das ist ein sehr bereicherndes Gefühl, das auch meiner Seele gut gefällt!
Heute sehne ich mich wiederum danach, mich gegen dieses wahnsinnige Leid auszusprechen und Menschen dabei zu unterstützen, diesen steinigen, aber sehr lohnenswerten Weg zu gehen. Falls du schon vegan leben solltest, würde es mich interessieren, aus welchem Grund du vegan geworden bist – gerne per Kommentar unter diesem Beitrag.
Ich fand es so interessant, deinen Artikel über vegane Lebensweise zu lesen. Wir sind sicher, was wir essen.
Hallo Ute,
ich bin von meinem kleinen Fahrradausflug zurück, habe geduscht und den Teig für ein Brot gemacht, der jetzt noch etwas reifen und ruhen darf, bevor er in den Ofen kommt.
Und was mache ich in der Zwischenzeit? Ich schmökere weiter in Deinen sehr interessanten und lesenswerten Beiträgen und lasse es mir nicht nehmen, immer wieder mal einen Kommentar zu schreiben. Ich hoffe, das es nicht zuviele werden und es beginnt, Dich zu nerven;-).
Was mir bei Deinem Beitrag gerade extrem auffällt, das es nur einen kurzen Kommentar zum Thema vegane Ernährung und Lebensweise gibt!! Das zeigt, dass das Interesse hier relativ klein ist. Oder es unter Deinen Lesern keine Veganer oder Vegetarier gibt ;-).
Ich finde, Dein Bericht bringt es auf den Punkt! Ich bin seit einigen Jahren Vegetarier und mache gerade einen schleichenden Prozess zum Veganer durch. Über einen Wandel unserer oder meiner Ernährung habe ich begonnen, intensiv nachzudenken, als ich begonnen habe, über einen anderen Berufszweig nachzudenken. In einem meiner Kommentare hatte ich ja schon kurz beschrieben, das ich seit einigen Jahren beruflich umgestiegen bin, weg von Werbung und Marketing und eines meiner Hobbies, die Pferde, zum Beruf, mittlerweile zur Berufung, machen konnte. Im Laufe der Zeit konnte ich feststellen, das ich eine nonverbale Verbindung und Kommunikation mit diesen tollen Tieren aufbauen kann. Mittlerweile habe ich das mit vielen Tierarten ausprobiert und es hat immer funktioniert. Der Zweite Input kam durch den Umstand, das ich wieder mal für mein Gewicht zu klein war ;-). Ich habe es geschafft, mich unter ärztlicher Aufsicht in 6 Wochen von über 95 kg auf 72 kg bringen. Das Geheimnis war eine komplette Ernährungsumstellung in Verbindung mit Sport. Das ist jetzt schon lange her und ich habe diese Kombi beibehalten, halte meine Gewicht und bin fit. Auch seit über 10 Jahren nicht mehr Krank!
Da ich meine Pferdepatienten ebenfalls ganzheitlich behandele und auch hier ist ein großer Teil von Krankheiten auf die falsche Ernährung zurückzuführen. Diese Erfahrungen haben mich dazu veranlasst, und tun es immer noch, mir zum Thema vegane Ernährung immer mehr Gedanken zu machen. Einen sehr großen Schups in die Richtige Richtung gab und gibt mir meine Partnerin, die sich selbst vegan ernährt. Das führt auch dazu, wie Du ebenfalls schreibst, das sich die Einstellung, die Verantwortung und die Sichtweise automatisch auch im Hinblick auf unsere Umwelt drastisch verändert. Ich kaufe nur noch im äußersten Notfall im Supermarkt ein. Durch meine Tätigkeit kenne ich mittlerweile sehr viele Hofläden. Dort kaufe ich meine Lebensmittel ein. Regional, Bio und entsprechend der Jahreszeit. Und selten auf Vorrat, da ich am Abend die Sachen gerne gleich lecker verarbeite. Es gibt dann halt nur das, was die Jahreszeit gerade anbietet. Wo ich noch zu knabbern habe, ist Käse…aber mittlerweile gibt es sehr gute Alternativen, die tatsächlich sehr lecker schmecken. Das meinte ich Eingangs mit „schleichendem Prozess“.
Was die von Dir beschriebenen Erfahrungen meiner Mitmenschen anbelangt, so kann ich das nicht oder nur wenig bestätigen. Liegt vielleicht auch daran, das sich im Laufe der Zeit ein Bekannten- und Freundeskreis bildet, der ähnlich gestrickt ist. Was nicht bedeutet, das wir nur noch mit Menschen zu tun haben, die Vegan oder Vegetarier sind. Nein, bunt gemischt. Aber jeder akzeptiert und toleriert die Lebensweise des Anderen. Und auch hier glaube ich, es ist ein guter Weg, anstatt zu Missionieren, einfach machen und Vorleben. Der Rest wird sich zeigen, weil – Druck erzeugt Gegendruck –
Viele Grüße, Peter