Es würde meine letzte Reise dieser Art sein: Ein letztes Mal einen 15 kg-Rucksack packen, zwei Wochen lang maximal viel sehen und erleben wollen und vor allen Dingen nicht auf’s Geld schauen müssen. Und zu diesem besonderen Ereignis sollte es in die Karibik gehen, die es mir seit Kuba, Jamaika und der Dominikanischen Republik angetan hat. Die Wahl auf die beiden Inseln St. Lucia und Antigua fiel mehr zufällig als ausgiebig recherchiert.
Außer den Flügen hatte ich nichts gebucht und wollte den Rest dem Schicksal überlassen. Im Flieger mal wieder auf der falschen Seite gesessen, blieb beim Anflug der Blick auf die Insel mit dem dazu gehörigen Aaah-Geräusch aus und somit landete ich am frühen Nachmittag im Süden der Insel St. Lucia, die gerade mal etwas kleiner als Hamburg ist. Nur wenige Minuten später im Taxi sitzend war bereits klar, dass ich diese Insel lieben würde.
Vorbei an den Pitons
Obwohl die Serpentinen mit ihren unzähligen Höhen, Tiefen und Schrägen in Kombination mit der abenteuerlichen Fahrweise des Taxifahrers meinen Magen maximal auf die Probe stellten, konnte mir die traumhafte Umgebung nicht entgehen: Auf der einen Seite die Küste, auf der anderen Seite satt grüner Regenwald. So könnte das Paradies aussehen, dachte ich mir.
Mein erstes Ziel sollte der Ort Soufrière im Südwesten der Insel sein. Nachdem der Taxifahrer nach einer halben Stunde das deutsche Pärchen, mit dem ich mir die Fahrt teilte, an einem schicken Boutique-Hotel mit dem verlockenden Namen Rabot Hotel From Hotel Chocolat* absetzte, endete meine Fahrt vor dem kompletten Gegensatz.
Das Downtown Hotel* machte seinem Namen alle Ehre, denn „downtowner“ kann man nicht wohnen. Auf der einen Seite die Kirche mit dem zentralen Park, auf der anderen Seite das Meer mit Blick auf einen der beiden Pitons, den prägnanten Vulkanhügeln der Insel. (* Die Links sind Partner-Links zu booking.com).
Hier wollte ich mich für zwei Tage niederlassen und die weitere Rundreise über die Insel planen, aber es kam anders. Bereits am nächsten Morgen kündigte sich eine Mandelentzündung an, die sich kurze Zeit später in einen unschönen grippalen Infekt verwandelte.
So verlängerte sich mein Aufenthalt in diesem Hotel von Tag zu Tag. In den letzten 16 Jahren war ich nicht mehr so lange an einem Stück krank – Warum also nun genau jetzt und ausgerechnet hier, an diesem wunderschönen Ort?
Langsam begann ich, mich mit meinem Schicksal abzufinden. Da lag ich nun jeden Tag von morgens bis abends in meinem Bett mit offener Balkontür, wo mich früh morgens die lauten Kirchenglocken und Sonnenstrahlen weckten und abends der große runde Mond zwischen dichten Wolken hervorblinzelnd Gute Nacht sagte. Schnell hatte sich ein auf das Nötigste reduzierter Tagesablauf eingespielt.
Morgens um 9 Uhr stand ich im größten kleinen Supermarkt und besorgte die Lebensmittel, die mich bis zum Abend versorgen würden. Am Abend saß ich meist um die Ecke im kleinen Restaurant »Petit Peak« mit einem Piton-Bier auf dem Tisch, dem Blick auf das Meer und Menschen, die sich abends an diesem kleinen Hafen versammelten.
Normaler Weise wäre ich nach zwei Tagen Sightseeing einfach weitergezogen. Aber durch die notgedrungene Verlängerung konnte ich endlich einmal das erfahren, was mir bisher aus Zeitgründen sonst so oft auf Reisen verwehrt bleibt: Das intimere Verhältnis zu einem Ort.
Bereits am zweiten Tag kaufte ich schon mehr Früchte ein, weil mir trotz des kurzen Weges vom Supermarkt zum Hotel immer ein Mann über den Weg lief, der mich um Essen anbettelte. Er schien eine geistige beeinträchtigt zu sein und hatte etwas sehr Liebenswertes an sich, was sich auch an seinem breiten Lächeln zeigte, sobald ich ihm die frischen Bananen oder Mangos in die Hand drückte.
Da ich fast nie Medikamente dabei habe, lernte ich auch notgedrungen die kleine Apotheke kennen, die man von außen auf den ersten Blick nicht als solche erkennen würde. Der Arzt des Ortes wäre im Hinterhof gewesen, den ich allerdings erst in letzter Instanz aufgesucht hätte und begnügte mich daher mit Paracetamol, Vitamin C und einem Saft, der mich an das Sanostol aus meiner Kindheit erinnerte.
Nach einigen Tagen drängte sich bei mir zum ersten Mal nach vielen Reisejahren die Frage auf, was eigentlich im Falle eines Falles passieren würde, wenn ich hier wirklich ernsthaft erkranken würde. Was wäre, wenn ich mir die schlimmste Form von Dengue-Fieber eingeholt hätte und in wenigen Tagen das Zeitliche segnen würde? Aufgrund dieses sehr unwahrscheinlichen Verlaufes lehnte ich mich mit der Antwort weit aus dem Fenster, indem ich mir sagte, dass es wohl keinen schöneren Ort auf der Welt geben würde, an dem man sterben könnte, wenn es sich denn nicht vermeiden ließ.
Am fünften Tag ging es dann endlich wieder aufwärts. Ich entschied mich für kurze Ausflüge in die Umgebung: Eine Plantage in der Nähe des Vulkans mit einer Menge an Früchten, die an das Schlaraffenland erinnerten, und den nahe gelegenen Botanischen Garten mit riesigen Blüten, duftenden Kräutern und Kolibris, die man hier endlich mal entspannt auf einem Ast sitzend statt hektisch umherschwirrend bewundern kann. Selbst die Moskitos schienen sich auf dieser Insel irgendwie langsamer zu bewegen.
Obwohl es am Kirchplatz oft laut zuging, schien alles andere so wahnsinnig friedlich. In die frühere Hauptstadt Soufrière verirrten sich offensichtlich nur wenige Touristen, die meist nur für ein paar Stunden mit dem Segelboot Halt machten oder in luxuriösen Resorts auf irgendeinem Berg wohnten.
Gleichzeitig war das hier wohl die sauberste Insel, die ich je gesehen habe. Die Bewohner waren allgemein sehr höflich und auch das im Reiseführer angedeutete Problem, ständig angegraben und bereits nach fünf Minuten mit Heiratsanträgen überschüttet zu werden, bestätigte sich erfreulicher Weise nicht.
Für mich ist es einer der schönsten und romantischsten Flecken Erde der Welt und ich bin dem Schicksal dankbar dafür, dass ich genau an diesem Ort für diese vielen Tage fest hing. Meine weitere Fahrt in den Norden bis hoch zu Pigeon Island stellte sich zwar auch als eine sehr angenehme Strecke entlang der Küste mit schönen Stränden und netten kleinen Orten heraus, aber das war alles nicht mehr vergleichbar.
Dann sitzt man am Ende zum Dinner auf einer traumhaften Restaurant-Terrasse eines Luxus-Hotels (Jade Mountain*) mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und fragt sich, wo eigentlich das Paradies ist. Gibt es das überhaupt? Ist das nur eine Traumvorstellung oder sitze ich gerade mittendrin? Mit einem Cocktail in der Hand beobachtete ich die Sonne bei ihrem Untergang, die mich in wenigen Stunden schon wieder aufwecken würde.
Ich ging im Dunkeln zurück auf die gering beleuchtete Straße, vorbei am Friedhof und an Häusern, aus denen laute Musik drang, über die Brücke bis zum Kirchplatz, wo ich kurze Zeit später glücklich ins Bett meines Hotels von Zimmer Nr. 5 fiel.
Reisetipps für St. Lucia
- Sprache und Währung: Die Landessprache ist Englisch, die Landeswährung der Ostkaribische Dollar, aber man kann auch fast überall mit US Dollar bezahlen.
- Auto: Auf St. Lucia herrscht Linksverkehr. Man kann sich gut ein Auto mieten, da die Insel relativ sicher ist und die Straßen in einem guten Zustand (obwohl von Reiseführern oft anders dargestellt).
- Transfers: Taxen sind in Bezug auf den Preis meist Verhandlungssache, 45 Min. kosten bis zu 70 US$. Minibusse sind mit nur wenigen US $ recht günstig; sie fahren an bestimmten Stellen ab und fahren erst los, wenn alle Plätze belegt sind.
- Backpacken ist – wie fast überall in der Karibik – nicht ganz einfach, weil es wenige Hostels oder Jugendherbergen gibt. Wer günstig reisen möchte, sollte vorher gut recherchieren. Alternativ kann man immer Taxifahrer ansprechen, die meist gute und günstige Unterkünfte kennen.
- Sicherheit: St. Lucia gehört zu den sicheren Reisezielen. Ich habe mich dort problemlos, auch spät abends, überall aufhalten können.
- Internet: Gibt es fast überall und superschnell. Auch in den öffentlichen Institutionen ist fast immer WIFI frei verfügbar, selbst mitten im Park im Restaurant.
- Reiseführer: Hier gibt es leider nur ein geringes Angebot. Ich habe mir bei Amazon das Kapitel St. Lucia aus dem Karibik-Lonely Planet als Kindle-Version runtergeladen, das man dann auf dem Smartphone überall dabei hat. Der Marco Polo Karibik ist für die Insel St. Lucia allein zu dürftig. Einen schönen Überblick über alle karibische Inseln mit deren Highlights gibt das Buch Highlights Karibik*.
Hinweis: Links mit einem * sind Affiliate-Links.
Mir hat es auf St. Lucia auch sehr gut gefallen. Es hat eine gute Infrastruktur aber auch noch sehr viel ursprüngliches. Der Regenwald ist unglaublich, manchmal denkt man es käme gleich ein Saurier aus Jurassic Parc um die Ecke. Es gibt eine Mischung unterschiedlichster Strände und es ist auch ein toller Platz zum Segeln und tauchen… Es gibt tollen Rum Punch… Was braucht man mehr? Übrigens ist Europa nur eine kurze Überfahrt (nach Martinique) entfernt. Dort kann man mit seiner Krankenkassenkarte einfach in Krankenhaus gehen, sollte es nötig sein…
Falls jemand einen deutschen Reiseführer dort braucht: Ich kenne einen.
Lieber Holger,
vielen Dank für den Tipp! Ich hätte auch gerne einen Daytrip nach Martinique gemacht, aber ging ja nicht…
Viele Grüße!
Ute
Hallo Holger
Habe gelesen, dass du einen deutschen Reiseführer auf St.Lucia kennst. Bin ende Januar 2016 auf der Insel, wäre für den Tipp sehr dankbar.
Hallo Holger,
wir fliegen im Januar nach Saint Lucia.
Und ich würde es toll finden wenn du mir den Namen und email von dem Guid geben könntest.
Vielen Dank Rita
St. Lucia gilt meines Wissens als Geheimtip unter Europäern, die in die Karibik auswandern wollen, denen die Antillen aber zu europäisch und alles andere zu wenig zivilisiert ist.
Jetzt weiß ich auch warum ;)
Pssst ;)
Hi Ute,
warst du jetzt eigentlich länger auf Antigua oder nur für einen Stopover? Dein Bild bei Instagram war ja in Hafen- und Busbahnhofnähe. Falls es weitere Bilder von Antigua gab muss ich die übersehen haben %-)
Bei mir kam es übrigens auch anders. Ich wollte eigentlich vier Wochen um Antigua segeln, daraus wurden aber drei und die letzte Woche hatte ich dann Zeit mir auf der Insel alles anzusehen. Besonders gut war der Ausflug mit meinem neuen Einheimischen Freund Baba den ich über Couchsurfing kennen gelernt habe ;-)
Gruß Markus
Hi Markus,
ich war eine Woche auf Antigua und Barbuda. Wie kann man eigentlich drei Wochen um so eine kleine Insel segeln? (Ich kenn mich damit nicht so aus…) Habe da auch sehr viele nette Leute kennengelernt, aber dazu später ;)
Viele Grüße,
Ute
Hi Ute,
ich perfektioniere die Kunst des langsamreisens ;-) Es war in der Zeit die Klassik Regatta die wir uns vom Meer aus angesehen haben und es gab immer wieder schäden am Schiff und deshalb echt viel zu tun. Die Insel selber kann man sicher schneller abgrasen :-P
Gruß Markus
Beneidenswert! Ich hab mich am Ende doch noch gewundert, dass die Insel so vielseitig ist. Hätte da problemlos noch ein paar Wochen dran hängen können :) Schöne Reise noch!
Super schöner Bericht. Aber für das Paradies musst du schon noch einmal Grenada bereisen – das ist harte Konkurrenz zu St. Lucia. ;-)
Die Fotos sind unglaublich toll. Da bekommt man richtig Lust, sich auch gleich mit einem Piton nach Soufriere zu setzen.
Gibts auch einen Bericht zu Antigua oder ist der dem Schnellreisen zum Opfer gefallen? ;-)
Beste Grüße aus dem Paradies
Chris
Hi Chris,
gut aufgepasst ;) Manchmal schreibe ich zu einem Land oder einer Insel nichts, weil ich entweder nicht begeistert war oder keine genaue Meinung hatte. Letzteres war bei Antigua der Fall und ist bis heute so geblieben. Warum, weiß ich gar nicht so genau, aber es hat mich einfach nicht so mitgerissen…
Danke jedenfalls für den Tipp bzgl. Grenada – werde ich mir merken. Da gibt es noch so einige Inseln, die mich reizen.
Viele Grüße und weiterhin schönes Reisen!
Ute
Die Freuden einer langsam Reisenden. Für mich gehört das Hängenbleiben an einem Ort schon fast zur Reise-Überlebenstaktik, da ich einfach nicht dazu gemacht bin, jeden 2. Tag meine Sachen zu packen und weiterzuziehen. Nur wird dann der Abschied von Ort und Menschen meistens umso schwerer.
Aber schön, hat dir das Schicksal auf seine Weise gezeigt, dass weniger (sehen) manchmal sehr viel mehr ist. Eine Reise lehrt uns schliesslich immer was. In diesem Sinne wünsche ich dir schon jetzt ganz viel Spass und Freude bei deinem grossen Abenteuer!
Liebe Manuela,
aufgrund meines ausgeprägten Entdecker-Gens fällt mir das langsame Reisen zugegebenermaßen schwer, aber das wird sich hoffentlich bald ändern, wenn ich mehr Zeit habe.
Vielen Dank für die schöne Beschreibung!
Viele Grüße
Ute
Hey Ute, das sind ja traumhafte Fotos und das nur in 2 Wochen. Fantastisch!!!
Hallo Ben,
vielen Dank, ist aber auch einfach ein traumhafter Fleck Erde!
Viele Grüße
Ute
Hallo Ute,
ich war letztes Jahr 2,5 Wochen in der Dominikanischen Republik und war hellauf begeistert. Muss dazu alledings sagen, dass ich vor allem auf der – noch etwas unberührteren – Halbinsel Samana rumgereist bin. Plane jetzt grad meinen nächsten Karibik-Urlaub im März und da du da ja etwas mehr erfahrung hast, wollte ich dich mal fragen, wo es dir am besten gefallen hat?
Liebe Grüße,
Emilia