Wenn wir uns an die Reiseplanung begeben, ist das Verkehrsmittel der Wahl in erster Linie das Flugzeug oder das Auto. An den wesentlich umweltfreundlicheren Zug denken wir hierbei meist ungern aus den unterschiedlichsten Gründen: zu kompliziert, zu häufig umsteigen, eventuell zu teuer, zu unbequem mit viel Gepäck, zu wenig individuell oder zu unzuverlässig.
Zugegeben – so geht es mir auch. Daher habe ich mir gedacht, ich frage einmal bei einer Expertin für Zugreisen nach, ob sie uns mit ihrer Erfahrung nicht ein wenig unter die Arme greifen kann. Steffi ist leidenschaftlich gerne mit dem Zug unterwegs und gibt auf ihrem Reiseblog jede Menge Tipps und Inspiration für tolle Touren durch Europa.
Und hier nun das Interview mit Steffi und ihren Tipps:
1. Eine deiner größten Leidenschaften ist das Reisen mit dem Zug. Wie kam es dazu?
Als „Zugfräulein“ schreibe jetzt seit ca. fünf Jahren auf meinem Reiseblog reiselife vorrangig über das Thema „Reisen auf Gleisen“. Wenn ich in Deutschland und dem restlichen Europa unterwegs bin, dann bin ich das meistens mit dem Zug. Bahnreisen sind eine wahnsinnig große Leidenschaft von mir und diese ist damals eigentlich weniger aus dem Nachhaltigkeits-Gedanken heraus entstanden, sondern weil ich Autofahren irgendwie gar nicht mag (nur als Beifahrer).
Meine erste eigene Solo-Reise führte mich daher für eine Woche mit dem Zug durch Tschechien. Und was soll ich sagen, das war einfach eine so einmalig fantastische Erfahrung und somit auch der Startschuss für diese Leidenschaft. Seitdem bereitet es mir unheimlich viel Freude, über die vielen wunderschönen Zugrouten Europas zu schreiben und meinen Blogleser Inspirationen für ihre nächste Reise mit an die Hand zu geben.
2. Was macht das Reisen mit dem Zug für dich so besonders?
Für mich bedeutet das Reisen mit dem Zug pure Entschleunigung. Die vorbeirauschenden Landschaften und Orte verraten bereits so unheimlich viel über ein Land. Und ich gebe zu, ich bin auch einfach eine kleine Träumerin. Für mich gibt es nichts Schöneres als während einer langen Bahnfahrt stundenlang aus dem Fenster zu starren und meinen Gedanken nachzuhängen.
Dieses gemütliche Rattern auf den Schienen ist einfach ein Gefühl, das ich nicht mehr missen möchte und ich liebe es, die Zeit während einer langen Zugreise ganz für mich nutzen zu können. Ich höre spannende Podcasts oder poliere meine Fremdsprachenkenntnisse auf – es gibt einfach so viele inspirierende Beschäftigungs-Möglichkeiten während einer langen Bahnfahrt.
3. Was unterscheidet die Zugreise beispielsweise von einer Flugreise?
Es ist einfach eine ganz andere Art des Reisens. Während bei einer Flugreise das Ziel auch tatsächlich das Ziel ist, ist beim Bahnreisen eher der Weg das Ziel. Meine Zugreisen bestehen meistens aus mehreren Etappen und geben mir so die Möglichkeit, ein Land oder eine Region aus vielen unterschiedlichen Perspektiven und mit seinen zahlreichen Facetten kennenzulernen. Auch langwierige Check-ins am Flughafen, Menschenmassen an den Sicherheitskontrollen… mich hat das alles zunehmend einfach wahnsinnig gestresst.
Ein weiterer sehr großer Pluspunkt ist, dass sich die Bahnhöfe meist direkt in den Zielorten befinden; also anders als bei Flughäfen, die in der Regel viele Kilometer vom eigentlichen Reiseziel entfernt sind. Das spart Zeit, Stress und organisatorischen Aufwand. (Bild 3)
Und natürlich schwingt auch immer der positive Gedanke mit, auf meiner Reise die Umwelt nicht unnötig stark zu belasten. Auf meinem Reiseblog geht es aber nicht darum, mit mahnendem Zeigefinger Flugreisen zu verurteilen. Jeder Schritt diesbezüglich ist ein Schritt in die richtige Richtung, und wenn er noch so klein ist.
Auch in meinem Leben gibt es alle paar Jahre mal eine Reise mit dem Flugzeug, einfach weil ein persönliches Traumreiseland mit dem Zug nicht erreichbar ist oder es manchmal aus Zeitgründen bzw. aus infrastrukturellen Gegebenheiten vor Ort nicht anders möglich ist.
4. Was versteht man genau unter „Bahnwandern“?
Beim Bahnwandern geht es darum, noch aktive oder auch stillgelegte Bahnstrecken zu Fuß zu erkunden (natürlich nur soweit das auch erlaubt und zulässig ist). In Deutschland gibt es viele wirklich atemberaubend schöne Bahnwanderwege und oft sind das sogar Wege/Strecken, die man mit dem Auto nicht erreichen kann.
Zu meinen Lieblingsbahnwanderwegen in Deutschland zählen zum Beispiel die Wanderung rund um die Ziemestalbrücke in Thüringen und der Hunsrück-Bahnwanderweg in Rheinland-Pfalz.
5. Viele scheuen das Zugfahren, weil sie sich am Reiseziel unflexibel fühlen, wenn es um das Erkunden der Gegend geht. Was würdest du empfehlen, um es doch einmal zu probieren?
Ja natürlich muss man vielleicht ein wenig mehr recherchieren, aber ich finde, dass insbesondere in Deutschland und in zahlreichen anderen Ländern in Europa die Zug- und Busanbindungen auch in vielen entlegenen Ecken sehr gut sind. Und gerade bei Städtetrips ist dieses Argument für mich nicht haltbar, denn wenn ich mit dem Flieger nach bspw. Paris fliege, habe ich genau dieselbe Ausgangssituation. Alles eine Sache der guten Vorbereitung.
Wer es also einfach mal ausprobieren möchte, sollte vielleicht auch tatsächlich mit einem Städtetrip beginnen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Nachtzugfahrt von München nach Florenz oder einem Trip ins wunderschöne elsässische Straßburg. Auch hier gibt es von Deutschland aus zahlreiche Direktverbindungen.
6. Welche Tipps hast du für Reisende mit viel Gepäck (z. B. als Familie)?
Generell empfehle ich für längere Bahnfahrten oder Zugrundreisen lieber einen Rucksack (Backpack) zu tragen statt einen oder mehrere große Koffer mitzunehmen. Rucksäcke lassen sich einfach besser verstauen, man hat die Hände frei (bspw. für die Hand seines Kindes) und kann in vollen Zügen auch besser durch die Gänge balancieren.
Gerade für Familien, die mit viel Gepäck reisen, kann für Fahrten innerhalb Deutschlands der Deutsche Bahn Gepäckservice eine große Erleichterung sein. Damit können Gepäckstücke wie z. B. Koffer und Kinderwagen bereits vorab an das Wunschziel verschickt werden. Diese werden sogar direkt von zuhause abgeholt.
Wenn ich große Gepäckstücke dabei habe, achte ich darauf, mir bei meiner Sitzplatz-Buchung einen Platz auszuwählen, der ganz in der Nähe einer Gepäckaufbewahrung ist. Online im Sitzplan bei der Deutschen Bahn sind diese bei der Buchung sehr gut erkennbar. Somit habe ich mein Gepäck immer im Sichtfeld und kann notfalls auch darauf zugreifen, um benötigte Sachten herausnehmen.
7. Flugtickets sind oftmals noch teurer als eine Zugfahrt. Wie lässt sich hier am besten Geld sparen?
Wer rechtzeitig plant und bucht, kann hier richtige Schnäppchen abgreifen. Gerade bei der Deutschen Bahn gibt es oft für einen begrenzten Zeitraum Sonderangebote mit super günstigen Preisen – da kann man dann auch schonmal für 39 EUR pro Person von Süddeutschland bis an die Ostsee düsen. Je näher das Reisedatum rückt, umso teurer werden oft die Tickets. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern.
Auch die Wahl des Reiselands spielt beim Preis eine große Rolle. Während man in Ländern wie Tschechien, Italien oder Spanien oft günstig bis sehr günstig unterwegs ist, ist Bahnfahren in der Schweiz oder in den skandinavischen Ländern eher auf deutschem Niveau oder sogar teurer.
Auch Nachtzüge sind aktuell preislich noch recht kostenintensiv. Ich hoffe aber, dass sich das in den kommenden Jahren mit steigender Konkurrenz noch etwas verbessert. Hier ist klar im Vorteil, wer sich als Gruppe gleich ein ganzes Abteil bucht und diesen Preis dann durch mehrere Personen teilen kann. Sitzplätze sind zwar oft sehr günstig, aber wer möchte schon eine zwölfstündige Nachtzugfahrt im Sitzen verbringen.
Und für Jüngere kann natürlich auch Interrail eine interessante Alternative sein. Hier sollte man aber im Vorfeld auch einmal quer gegenrechnen, ob es sich wirklich lohnt oder ob nicht die Buchung auf den Webseiten der lokalen Bahnanbieter dann doch günstiger ist.
8. Wie gestaltet man seine Zugreise durch Europa, wenn sie mehrere Tage in Anspruch nehmen sollte?
Wer nicht gerade das große Glück hat, sich wochenlang treiben lassen zu können, sondern vielleicht nur ein paar Tage bis zwei Wochen Zeit hat, sollte seine Route bereits im Vorfeld planen und buchen. Mit der rechtzeitigen Buchung spart man nicht nur Geld, sondern umgeht auch das Problem möglicher ausgebuchter Züge. Meine Tickets buche ich meistens online bei den jeweiligen Bahnunternehmen des Landes, da man so oft auch direkt Sitzplätze dazu buchen kann.
Bei Verbindungen, bei denen ich umsteigen muss, versuche ich immer, eine Umsteigezeit von mindestens einer halben Stunde einzuhalten. Nicht nur, dass es zu Verspätungen kommen kann, sondern auch die Orientierung vor Ort auf einem Bahnhof in einem fremden Land kann einfach mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Das Schöne an einer Zugreise ist ja, dass man sich bei seinen Reisezielen total kreativ austoben kann. Du wolltest schon immer einmal nach Mailand, Florenz und Rom? Dann ab in den Direktzug von Frankfurt nach Mailand und weiter mit den Direktverbindungen von Trenitalia über Florenz nach Rom.
9. Welche 3 Zugfahrten in Deutschland sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
- Gerade erst zurück bin ich von einer kleinen zauberhaften Zugreise aus dem hohen Norden. Mein Trip führte mich nicht nur entlang einer der schönsten Bahnstrecken Deutschlands von Lübeck nach Kiel, sondern überraschte mich auch mit charmantem Lübecker Altstadtzauber und salzigem Meeresduft an weißen Ostseestränden. Zwischen Lübeck und Kiel liegt dann noch die Plöner Seenplatte, ein ganz wundervolles Erholungsgebiet.
2. Als kleiner Altstadt- und Fachwerk-Fan hat mich auch meine Rundreise durch den Harz sehr begeistert. Mit den Harzer Schmalspurbahnen ging es über Wernigerode hoch auf den Brocken und weiter nach Quedlinburg. Eine tolle kleine Auszeit für ein paar Tage.
3. Wer es etwas bergiger mag, der sollte sich auf keinen Fall eine Fahrt mit der Schwarzwaldbahn entgehen lassen, welche von Karlsruhe bis an den Bodensee führt. Bei einem Zwischenstopp in Triberg kann man dann nicht nur einen der höchsten Wasserfälle Deutschlands bestaunen, sondern auch den spannenden Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad erwandern.
10. Kannst du 3 Zugreisen innerhalb Europas empfehlen, die dir ganz besonders gut gefallen haben?
- Unvergesslich bleibt auf jeden Fall meine Zugrundreise durch Schweden, bei der ich mit der kleinen, roten Inlandsbahn bis nach Schwedisch Lappland gedüst bin.
- Aber auch meine Bahnreise entlang der italienischen Westküste (Cinque Terre, Rom, Amalfiküste, Sizilien) war fantastisch.
- Und der Zugtrip nach Nizza an die Côte d´Azur wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.
11. Welche Zugreise im Ausland eignet sich deiner Meinung nach am ehesten für absolute Anfänger, um Geschmack an dieser Reiseart zu bekommen?
In keinem Land ist Bahnfahren so schön wie in der Schweiz und gleichzeitig ist unser kleiner Nachbar auch perfekt für Anfänger geeignet. Die Züge funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk und es gibt keine Verständigungsprobleme. Ähnlich verhält es sich mit Österreich. Eine Zugreise auf der Strecke der Berninabahn in der Schweiz ist landschaftlich nicht nur atemberaubend, sondern auch leicht auf eigene Faust zu organisieren (s. Titelfoto).
Du möchtest noch mehr über Steffi wissen oder suchst weitere Inspiration über Zugreisen? Dann schau‘ doch mal auf ihrem Reiseblog REISELIFE vorbei oder auf ihrem Instagram-Kanal. Austauschen kannst du dich in ihrer Facebook-Gruppe „Zugreise Community – Mit der Bahn durch die Welt!„. In ihrem kostenlosen E-Book empfiehlt Steffi die 5 schönsten Bahnreisen in Deutschland.
Gute Fahrt!
Alle Fotos © Stephanie Forsch
Ich gehöre auch zu denen, die gern mit dem Zug fahren. Steffis Empfehlungen kann ich noch zwei Lieblingsstrecken hinzufügen: die West Highland Railway von Glasgow nach Oban / Mallaig, und die Strecke Oslo – Bergen, zwei der landschaftlich schönsten Strecken in Europa.
Liebe Gabriele,
ooh das kann ich mir sehr gut vorstellen, dass das tolle Zugstrecken sind! Herzlichen Dank dafür!
Viele Grüße!
Ute