Wenn wir uns auf den Weg in die Berge machen, freuen wir uns auf die frische Luft und die Gelegenheit, endlich einmal wieder richtig tief durchatmen zu können und unseren von der Stadt geplagten Lungen etwas Gutes zu tun. Diese frische, kühle Bergluft ist einer der Gründe, warum ich die Alpen so liebe und immer wieder gerne nach Südtirol fahre. Die atemberaubende Landschaft, die wunderschönen Wälder und Seen, die Gastfreundschaft und die fantastische Küche sind für mich etwas ganz Besonderes, wie ich es in vielen Artikeln beschrieben habe.
Ich fühle mich hier sogar so wohl, dass ich schon oft darüber nachgedacht habe, nach Südtirol auszuwandern. Doch besonders während meiner letzten beiden Aufenthalte von jeweils einem Monat habe ich die eher unsichtbaren Probleme der Region wahrgenommen. Und diese möchte ich heute auch einmal ansprechen, denn ähnlich wie bei einer Beziehung zu einem geliebten Menschen möchte man nicht die Augen vor Entwicklungen verschließen, die bereits heute auf eine ungewisse Zukunft dieses beliebten Urlaubsparadieses hindeuten.
1. Abgase & Feinstaub – Eine Herausforderung für die Atemwege
Es geschah ebenso plötzlich wie unerwartet und markierte retrospektiv einen historischen Moment in meinem Leben, als ich vor zwei Jahren mit meinem Hund abends bergauf durch die verschneite Hauptstraße eines kleinen Ortes in Südtirol spazierte und zum ersten Mal den beißenden Geruch von Abgasen der vorbeifahrenden Autos wahrnahm. Diese Sensibilität gegenüber bestimmten Gerüchen ist von diesem Tag an geblieben und stellt seitdem eine enorme Herausforderung in meinem Alltag dar.
Im vergangenen Februar verbrachte ich wieder vier Wochen in Südtirol. Bereits nach vier Tagen hatte ich mit einem starkem Schnupfen zu kämpfen. Zunächst dachte ich an eine Erkältung, doch es blieb bei Schnupfen, der während meines gesamten, restlichen Aufenthalts anhielt und erst eine Woche nach meiner Rückkehr in Deutschland abklang. Ein Blick auf meine Wetter-App, die mit der Funktion von BreezoMeter Informationen zur Luftqualität preisgab, ließ mich nachdenklich werden:
In einem Artikel wurde über Feinstaubwerte berichtet, die doppelt so hoch wie der Grenzwert und 7x so hoch wie der Richtwert lagen, was sogar zur Warnstufe in einigen Gemeinden führte. Diese hohen Werte wurden offenbar durch den Wind verursacht. Solche Situationen seien in den Wintermonaten in Südtirol üblich und würden mit geringen gesundheitlichen Auswirkungen eingestuft. Meine persönliche Erfahrung wies jedoch auf eine andere Realität hin.
Richtwert Feinstaubgehalt PM10 lt. WHO | 15 µg/m³ |
EU-Tagesgrenzwert PM10 | 50 µg/m³ |
Gemessener Wert am 07.02.24 in Südtirol | 99 µg/m³ |
Was hat all das zu bedeuten? Die hohe Feinstaubbelastung entsteht hier vor allem durch den Autoverkehr (insbes. Diesel sowie Reifen- und Bremsenabrieb) und das Heizen mit Holz. Die geografische Lage der Alpentäler sowie die Wetterbedingungen führen dazu, dass sich die Luftverschmutzung dort staut und nicht abziehen kann. In anderen Regionen kommen noch die Industrie, Schiffe und der Einfluss von Wind bzw. Windstille hinzu. Die einzig gute Nachricht dabei: Die Sommermonate sind weniger belastet und dann eher unproblematisch.
Je höher die Feinstaubbelastung am Wohnort ist, desto größer ist auch das Risiko für Lungenkrebs, zeigt eine aktuelle Studie. (Pharmazeutische Zeitung)
Auf der Webseite der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz kann man sich tagesaktuell die in diesem Jahr bereits erfolgten Überschreitungen von Ozon und Feinstaub ansehen.
2. Wandern durch Apfelplantagen – Was das Auge nicht sieht
Jeder zehnte in Europa produzierte Apfel stammt aus Südtirol. In Reiseführern und Prospekten sehen wir fröhliche Wanderer, die durch Apfel- und Weinplantagen schlendern, und das sieht zweifelsohne auch toll aus. Doch was in diesen Darstellungen nicht erwähnt wird, ist die Realität des Apfelanbaus in der Region: In einer Saison (März bis September) werden bis zu 38 Mal Pestizide über die Plantagen versprüht (BR24). Eine im Februar 2024 vorgestellte Studie zeigte sogar, dass diese chemisch-synthetischen Pestizide bis in die Berggipfel geweht werden.
Was hat das zu bedeuten? Pestizide schädigen nicht nur Schädlinge, sondern können auch nützliche Insekten und andere Lebewesen (z. B. Kühe, Wildtiere) beeinträchtigen. Die Monokulturen, die in Südtirol weit verbreitet sind, tragen zusätzlich zu diesen Problemen bei. Diese sind anfälliger für Schädlingsbefall und Krankheiten, da sie die Vielfalt der Pflanzenwelt einschränken. All das führt nicht nur zu einem Verlust an Biodiversität, sondern erhöht das Risiko für ökologische Störungen deutlich.
Die Verwendung von Pestiziden kann auch Risiken für uns und unsere Haustiere mit sich bringen. Der wiederholte Kontakt mit Pestiziden kann gesundheitliche Probleme wie Atemwegs-Beschwerden, Hautreizungen und sogar ein erhöhtes Krebsrisiko verursachen (APA Science). Bei Spaziergängen durch die Plantagen können unangenehme Gerüche auftreten, z. B. stechend, chemisch oder faulig-modrig. Ich bemerkte einige Male ein scharfes Brennen auf der Zunge.
Südtirol – Eine Zukunft ohne Schmetterlinge?
Die Reise durch Südtirol hat mir die Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf die Umwelt und unsere Gesundheit auf vielfältige Art und Weise vor Augen geführt. Pestizide, Monokulturen und die Belastung durch giftige Abgase stehen im krassen Gegensatz zu dem, was ein Naturparadies ausmachen sollte. Hat diese einzigartige Natur das verdient? – habe ich mich gefragt. Und was macht Südtirol irgendwann ohne Insekten? Werden dann Menschen wie in China eingesetzt, um die Äpfel zu bestäuben? Diese Gedanken lassen mich seitdem nicht mehr los.
Muss ich als Tourist:in auf etwas achten?
Für einen kürzeren Aufenthalt von einigen Tagen bis Wochen sind die genannten Probleme in der Regel vermutlich unproblematisch. Allerdings könnten sie bei sensitiven Menschen oder Reisenden mit bereits vorhandenen Atemwegsproblemen zu Schwierigkeiten führen. Sollte sich, wie bei mir, zum Beispiel ein hartnäckiger Schnupfen einstellen, kann man sich in der Apotheke einen einfachen Inhalator mit entsprechender Lösung besorgen.
Bei Wanderungen oder Radtouren durch Apfelplantagen (und Umgebung) im Zeitraum März bis September ist es sinnvoll, nichts anzufassen, nach dem Spaziergang die Kleidung zu waschen und zu duschen und darauf zu achten, dass der Hund kein Gras frisst oder sich wälzt. Auf der Webseite European Air Quality Index kannst du dich über das gewünschte Reiseziel im Vorfeld informieren und auch während der Reise up to date bleiben.
Solltest du bereits wissen, dass du empfindlich auf Umweltreize reagierst, kann es sinnvoll sein, konkret nach Unterkünften zu suchen, die sich in Gebieten mit wenig Verkehr sowie jenseits der Plantagen-Gebiete und Industrie befinden, um die Belastung durch Luftverschmutzung und Pestizid-Einflüsse so gering wie möglich zu halten. Und dann können wir die Reise und die wunderschöne Natur in Südtirol genießen, solange sie noch in dieser Form besteht.
Weiterführende Informationen & Links
- Für deinen Standort anzeigen: European Air Quality Index und BreezoMeter
- Alpenzustandsbericht: Luftqualität in den Alpen
- Youtube: Das Wunder von Mals
- Tagesspiegel: Luftverschmutzung: Beim Smog ist Italien das China Europas
- Tagesspiegel (bereits 2011): Klonarmeen im Apfel-Universum
- Daniel Schlegel Umweltstiftung: Luftverschmutzung durch die Autoindustrie
- Deutschlandfunk: Luft in Südtirol durch Pestizide belastet
- Umweltstiftung Greenpeace: Studie in Südtirol: Pestizide auf Abwegen
- Tagesschau: Grenzwerte für Luftverschmutzung
- Südtirol News: 250.000 Tote durch Luftverschmutzung in der EU
- Tagesschau: EU-Staaten beschließen abgeschwächte Abgasnorm
- Bravebird: Massentourismus in Portugal – Wenig Wasser, viele Probleme
Ich finde es äußerst wertvoll, dass du sowohl die Schönheit als auch die Herausforderungen von Südtirol darstellst. Die detaillierten Beobachtungen und Erfahrungen hinsichtlich der Luftverschmutzung und der Auswirkungen des intensiven Apfelanbaus eröffnen eine notwendige Perspektive auf die langfristigen Konsequenzen für Mensch und Umwelt. Es erfordert Mut, sich nicht nur von der idyllischen Oberfläche blenden zu lassen, sondern auch die tieferliegenden Probleme zu erkennen und anzusprechen.
Ich persönlich glaube, dass solche Diskussionen entscheidend sind, um nachhaltigen Tourismus zu fördern und die lokalen Gemeinschaften zu unterstützen. Es ist wichtig, dass wir als Touristen verantwortungsbewusst handeln und die Schönheit der Natur schätzen, ohne dabei die Augen vor den negativen Folgen menschlicher Aktivitäten zu verschließen. Südtirol ist und bleibt ein wunderbares Reiseziel, aber wir müssen uns alle bemühen, seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren und für seine Erhaltung zu kämpfen.