Seit mittlerweile elf Jahren schreibe ich auf diesem Blog über besondere Orte und Erlebnisse in der Natur. Normalerweise würde an dieser Stelle ein Artikel wie „Die 10 schönsten Orte in Köln“ zu finden sein – doch davon gibt es im Internet unzählige. Ich möchte daher einmal auf etwas anderes eingehen, denn leider gibt es viel zu wenige Beiträge, die über Schattenseiten berichten. Angesichts des enormen Drucks, unter dem unsere Tier- und Pflanzenwelt steht, reicht es meiner Meinung nach nicht mehr, immer noch so zu tun, als sei alles in bester Ordnung.
Deshalb geht es heute um Natur- und Umweltschutz – genauer gesagt, um den mangelnden Natur- und Umweltschutz. Gerade in einer Zeit, in der unsere Umwelt und ihre vielfältigen Lebewesen mehr Schutz denn je bräuchten, nehmen immer mehr Menschen immer mehr Lebensraum von Tieren und Pflanzen in Beschlag. Dadurch wird das empfindliche Gleichgewicht unserer fragilen Ökosysteme gestört und der Lebensraum vieler Arten eingeschränkt oder gestört, was im starken Kontrast zu den dringend notwendigen Zielen im Naturschutz steht:
In den nächsten 6 Jahren müssten wir den Anteil der geschützten Flächen in Deutschland von derzeit 15,5 % auf 30 % und den Anteil der streng geschützten Gebiete von 0,6 % auf 10 % erhöhen, um den Vorgaben der EU gerecht zu werden!
– Quelle: Tagesschau und Biodiversity strategy by 2030 der Europäischen Kommission
Über die letzten Jahrzehnte, in denen ich mit meinen Hunden täglich mehrere Stunden in der Natur verbringe, habe ich die schleichenden Veränderungen in unseren Wäldern und Schutzgebieten hautnah miterlebt: Unberührte Rückzugsorte werden immer häufiger als temporärer oder dauerhafter Lebensraum beansprucht. Mit diesem Artikel möchte ich am Beispiel Köln aufzeigen, wie gesellschaftliche Trends, soziale Probleme und ein Mangel an regulierenden Maßnahmen von Verwaltung und Politik gemeinsam eine Abwärtsspirale bewirken, die die Zukunft dieser wertvollen Räume stark verändert.
1. Der Wald als Zufluchtsort für Obdachlose
Ein konkretes Beispiel: Dimitri (Name geändert), 59 Jahre alt, lebt seit vielen Jahren in einem Landschaftsschutzgebiet in Rheinnähe in Köln und verbringt seine Tage mit dem Sammeln von Pfandflaschen. Viele Spaziergänger sind mit seiner Anwesenheit vertraut, doch es gibt auch Situationen, die all das in einem anderen Licht erscheinen lassen. So sah ich ihn kürzlich zufällig hinter einem Busch in einer kompromittierenden Situation. Eine Begegnung, die die vielschichtige Realität des Lebens im Wald zeigt und die Frage aufwirft, wie dehnfähig die Toleranz hier sein darf.
Allein in diesem recht kleinen Landschaftsschutzgebiet leben aktuell fünf Männer an unterschiedlichen Stellen, was besonders in der dunklen Jahreszeit alles andere als angenehm ist. Abgesehen von der Sicherheitsfrage entstehen durch diese Entwicklungen auch ökologische Probleme: Menschen, die dauerhaft im Wald leben, hinterlassen zum Teil deutliche Spuren: Abgeschnittene Äste, Feuerstellen und neue Trampelpfade beeinträchtigen nicht nur die unberührte Natur, sondern auch die Rückzugsräume der Wildtiere.
Landschaftsschutzgebiete sind Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist, um die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert der Landschaft nachhaltig zu sichern.
– Quelle: § 26 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
Wenn jene Personen Drogen oder Medikamente konsumieren sollten, können die Ausscheidungen für Wild- und Haustiere, die davon fressen, potenziell tödlich sein. Und nicht selten werden die Lagerstellen einfach so zurückgelassen, wenn beispielsweise durch vermehrte Ratten die Lager aufgegeben und verlegt werden müssen. Da es sich um Orte handelt, die nur selten von anderen betreten werden, entstehen so kleine Müllkippen mitten im Wald.
Es ist nachvollziehbar, dass Menschen in schwierigen Lebenssituationen den Wald als Rückzugsort wählen. Doch die natürliche Umgebung leidet zunehmend unter den Auswirkungen dieser dauerhaften Aufenthalte, vor allem, wenn immer mehr Menschen hier Raum einnehmen; von dem Verlust des Sicherheitsgefühl anderer Waldbesucher ganz abgesehen. Bislang wird jedoch nichts dagegen unternommen, wenngleich der Stadt Köln das Problem seit vielen Jahren bekannt ist.
2. Bushcraft und Mikroabenteuer: Wenn die Natur zum Freizeitpark wird
Während einige Menschen aus der Not heraus Zuflucht im Wald suchen, zieht es andere, die bestens ausgerüstet sind und sich das Abenteuer problemlos leisten könnten, ebenfalls in die Natur – oftmals angetrieben von einem nostalgischen Ideal von Männlichkeit und Mut, das dann wenig mit echter Naturverbundenheit zu tun hat. In den letzten Jahren, insbesondere seit der Corona-Pandemie, hat dieser problematische Trend unter Begriffen wie „Bushcraft“ und „Mikroabenteuer“ deutlich zugenommen.
→ Wie Outdoor-Trends der Natur schaden: Wildcamping, Vanlife & Mikroabenteuer
Was dabei als Rückbesinnung auf die Natur dargestellt wird, ist häufig eine egoistische Selbstinszenierung, die die Natur belastet und die ökologischen Folgen ignoriert. Diese Freizeitaktivitäten setzen sich zudem bewusst über bestehende Gesetze hinweg, da Wildcamping in Deutschland illegal ist; erst recht in Schutzgebieten. Und es geht nicht nur um liegen gelassenen Müll: Wege werden durchs Unterholz geschlagen und wichtiges Totholz wird für Lagerfeuer verwendet, das eigentlich eine bedeutende Rolle im Ökosystem spielt.
Eine der Ursachen für dieses Problem unter anderem Influencer und YouTuber dar, die diesen Lifestyle als Erlebnis der „Naturverbundenheit“ präsentieren und dabei Menschen anziehen und zum Nachahmen animieren, denen es häufig an jeglichem Verständnis für die Natur fehlt. So lassen viele beispielsweise Fleischreste von ihrem Grillabenteuer liegen, die verderben und für Wildtiere wie Füchse tödlich enden können. Auch Dokus wie die ZDF-Produktion Zuhause im Wald, die mit dem Begriff „Lebenstraum“ verknüpft sind, fördern diesen unglücklichen Trend.
Wenngleich Wildcamping illegal ist, scheint das weitreichende Problem die zuständigen Stellen kaum zu interessieren, obwohl der Schaden für die Umwelt weiterhin wächst. Und weil viele wissen, dass es die Stadt nicht interessiert, entstehen an manchen Stellen in Köln sogar kleine Zelt-Dörfer mit allem nötigen Equipment. So werden beispielsweise Solarzellen mitten im Schutzgebiet aufgestellt, um es sich am Rheinufer unter Bäumen richtig nett machen zu können.
Ein weiterer Aspekt, der die Situation zusätzlich verschlimmert: Laut geltendem Recht gelten Zelte im öffentlichen Raum als persönliches Eigentum und dürfen nicht einfach entfernt werden. Selbst wenn das Ordnungsamt über ein verlassenes oder bewohntes Zelt informiert wird, muss zunächst ein Hinweis mit einer zweiwöchigen Frist angebracht werden. Nur wenn nach Ablauf der Frist niemand reagiert und eine erneute Kontrolle erfolgt, kann das Zelt entfernt werden. In der Praxis stehen diese Zelte jedoch oft Wochen, wenn nicht Monate an Ort und Stelle. Das wiederum vermittelt anderen den Eindruck, dass das Zelten in Schutzgebieten geduldet oder gar erlaubt ist.
3. Schlafende Stadt, wachsende Probleme: Wie Untätigkeit zu Müll und Missständen führt
Während einige Menschen aus der Not heraus im Wald Zuflucht suchen und andere sich von einem romantisierten Naturbild treiben lassen, bleibt ein Aspekt konstant: Die Verantwortungslosigkeit der zuständigen Behörden. Die Stadt Köln, wie vermutlich viele andere Städte auch, bleibt in einem Dornröschenschlaf, während Wälder und Schutzgebiete zunehmend unter der Schutzlosigkeit und den Folgen von Vermüllung und Wildcamping leiden.
An vielen Stellen haben sich regelrechte Müllkippen gebildet; hinterlassen von Menschen, die ihre Lagerplätze aufgeben und ohne Rücksichtnahme einfach zurücklassen. Zelte, Kleidung, Plastikmüll und Outdoor-Equipment bleiben liegen, werden versteckt oder vergraben und belasten die Umwelt.
Besonders ärgerlich ist, dass es keine prägnanten Schilder gibt, die auf Verbote hinweisen – viele Menschen wissen eben nicht, was in Natur- und Landschaftsschutzgebieten überhaupt erlaubt ist und was nicht. Und das, obwohl es offenbar möglich ist, knapp 15 Millionen Euro für eine temporäre EM-Fanzone bereitzustellen, während dringend notwendige Schilder und Maßnahmen zum Schutz der Natur seit Jahren auf sich warten lassen bzw. ignoriert werden.
Es schmerzt mich förmlich, solche unästhetischen Bilder hier zu posten, da ich normalerweise lieber schöne und inspirierende Fotos teile. Doch leider gehört diese unglaublich hässliche Realität seit vielen Jahren zu meinem Alltag, den ich hier jetzt gerne einmal veranschaulichen möchte. Dies ist wie gesagt der erste Teil, weitere Aspekte folgen bald.
Inzwischen wissen wir, dass wir die Welt nicht im Alleingang retten können. Aber wir können versuchen, unsere eigene kleine Welt zu retten. Ich für meinen Teil habe hier über viele Jahre alles versucht und die Stadt, sämtliche Behörden und die gesamte Lokalpolitik angeschrieben, jedoch entweder ohne Rückmeldung oder Engagement, an der Situation irgendetwas zu ändern. Wie es scheint, ist Stillstand das einzige, das hier wächst.
Weiterführende Artikel
- Wie Outdoor-Trends der Natur schaden: Wildcamping, Vanlife & Mikroabenteuer
- 5 Gründe, warum der Lagerfeuer-Trend so problematisch ist
- Grün, öko, unbeliebt – Warum Nachhaltigkeit auf so viel Ablehnung stößt
- Wilden Müll melden – So einfach geht’s
- Vanlife ist out – Was passiert jetzt mit den ganzen Autos? (am Beispiel Köln)
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