Zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2020
Für fünf Tage nach Phuket in ein Luxus-Resort am Meer reisen, für drei Tage mal schnell nach Marokko für ein kurzes Wüsten-Abenteuer in einem neuen Off Road-Fahrzeug oder eine Woche Sightseeing-Marathon in Japan und Südkorea – so könnte heute mein Alltag als eine der renommiertesten, deutschsprachigen Reiseblogger*innen aussehen.
Regelmäßig rauschen verlockende Pressereisen-Angebote in mein Email-Postfach und bis auf maximal zwei Flugreisen im Jahr gilt es zu widerstehen. Unmittelbar nach meiner flugintensiven Weltreise vor drei Jahren habe ich mich mit den Konsequenzen des Reisens für unsere Umwelt vertraut gemacht und seitdem kann und mag ich das Vielfliegen nicht mehr gutheißen und schon gar nicht verantworten.
Wie wir es seit langem beim Thema Plastik oder nun auch bei der Braunkohle mitbekommen, reagiert unsere Politik bzw. Regierung gar nicht bis extrem schleppend auf unsere Wünsche, Plastik und Einwegartikel zu verbannen oder alte Wälder zu erhalten. Und genauso deprimierend werden alle anderen Umwelt-Themen behandelt, weshalb wir “Kleinen” in der Pflicht sind, aktiv zu werden!
Warum ist Fliegen überhaupt so schädlich für die Umwelt?
Schonmal vorweg: Fliegen ist die klimaschädlichste Fortbewegungsart! Durch das Verbrennen des Kerosins entsteht Kohlendioxid (CO2), das zu den Treibhausgasen gehört. Eigentlich schützen natürliche Treibhausgase die Erde; es sei denn, es steigt die Konzentration an unnatürlichen Treibhausgasen durch Verkehr, Industrie, Massentierhaltung usw. – dann steigt auch die Temperatur der Erde.
Des Weiteren verursachen Flugzeuge Stickoxide, Wasserdampf und Rußpartikel, die ebenfalls teilweise zur Erderwärmung und Veränderung der Atmosphäre beitragen. Da die Weltbevölkerung ständig steigt und daraus resultierend immer mehr Menschen produzieren, konsumieren und reisen, steigt die Temperatur der Erde zu schnell und zu stark an und das kann die Erde auf Dauer nicht verkraften.

Durch die Erderwärmung entstehen viele Probleme, die wir bereits jetzt schon weltweit in beängstigendem Ausmaß beobachten können: Dürren, Waldbrände, Stürme, Überschwemmungen, Wasserknappheit sowie Arten- und Korallensterben. Daraus resultierend ergibt sich für die Menschen u. a. mehr Hungersnot und natürlich ergeben sich daraus über die Jahre immer größere Flüchtlingsströme.
Die Temperatur ist seit 1850 schon um fast 1° Celsius angestiegen und dieses Wachstum wird durch Industrie, Technologie & Co. in den nächsten Jahren wesentlich rasanter ansteigen. Daher haben sich die Industrieländer zum Ziel gesetzt, die 2° C Marke nicht zu überschreiten, was aufgrund der bisher geringen Klimaschutz-Maßnahmen seitens der größten Emittenten China, USA und EU unmöglich scheint.
Was habe ich als Einzelne*r damit zu tun?
Nun, da wir uns alle diesen Planeten teilen, muss jeder mit seinen Emissionen entsprechend haushalten, damit wir gemeinsam diese 2° C Grenze einhalten können. Mit dieser Vorgabe wurde errechnet, dass wir bis 2050 ein globales Emissionsbudget von ca. 750 Milliarden Tonnen CO2 haben (eine durchschnittliche Weltbevölkerung von 8,2 Milliarden Menschen bis 2050 angenommen).
Damit stünden jedem Menschen dieser Erde ein Ausstoß von jährlich rund 2,3 Tonnen CO2 zu. Unser ökologischer Fußabdruck zeigt allerdings, dass wir in Europa bereits massiv darüber liegen. Unser Lebensstandard, also Energie-Verbrauch, Verkehr, Nahrung, Konsum und viele weitere Aspekte tragen dazu bei, dass der deutsche Durchschnitt bei 11,63 Tonnen CO2 im Jahr liegt, also 5x so hoch!

Kürzlich forderten verschiedene Länder und somit der Klimarat sogar eine Reduktion der Grenze auf 1,5° C, die allerdings noch unrealistischer erscheint, da hierfür drastischere Klimaschutz-Maßnahmen oder negative Emissionen (z. B. Planzungen von Bäumen) notwendig wären. Letzteres dürfte sich ebenfalls durch unseren ständig wachsenden Konsum von Möbeln, Papier, Brennholz usw. ausschließen.
Fliegen: Bei nur einer einzigen Reise nach Thailand verursachen wir bereits 6,0 t CO2, bei einer Reise nach Australien ganze 11,5 t CO2 oder bei dem so beliebten Bali 8,5 t CO2. Bei diesen Summen ist noch kein einziger Tag unseres Alltags (Nahrung, Verkehrsmittel, Heizen, Klimaanlage etc.) im Jahr enthalten. Gäbe es ein reales CO2-Konto, dürften wir nur alle paar Jahre ein einziges Mal eine Fernreise buchen.
Da es bei unserem persönlichen CO2-Konto weder einen Dispo noch einen Kredit gibt, kann jeder sein Konto bis ins Unendliche überziehen. Und so gibt es aktuell bedauerlicher Weise nichts, das Menschen davon abhält, der Umwelt mit ihrem Verhalten massiv zu schaden. Die Deutschen fliegen so viel wie nie – kein Wunder, wenn man schon für 1,99 Euro nach Mallorca fliegen kann.
Diese Statistiken beinhalten zum einen Menschen, die so gut wie nie fliegen, aber auch eine Menge von Vielfliegern: Bei Lifestyle- und Reisebloggern, Instagrammern und Influencern ist dies besonders bedenklich, weil sie mit ihrem so begehrenswerten Lifestyle und einem Jahres-CO2-Konto von mehreren zehntausend Tonnen eine große Anzahl Menschen dazu inspirieren, es ihnen gleichzutun.
Warum soll ich Rücksicht nehmen, wenn andere es nicht tun?
Viele haben sich mit den Ursachen des Klimawandels noch überhaupt nicht auseinandergesetzt, andere sehen schlichtweg keinen Grund sich einzuschränken. Gleichzeitig hat sich das Reisen zu einer der großen Säulen der persönlichen Statussymbole entwickelt und da gilt es neben Auto, Kleidung, Wohnung, Marken und Technik mitzuhalten. Aber es gibt da noch eine paar andere wichtige Aspekte:
- Fairness: Stell’ dir vor, du würdest in Bhutan oder auf Fidschi wohnen. Dort leben die glücklichsten Menschen der Welt, die interessanter Weise das Reisen bzw. Fliegen gar nicht brauchen, um persönliche Zufriedenheit zu erlangen. Sie halten ihre CO2-Grenzen ein. Wie würden wir es wohl finden, wenn wir uns reduzieren – und Menschen in anderen Ländern so gedankenlos mit der Natur umgehen würden? Wäre es fair, dass wir die Konsequenzen des Klimawandels genauso mittragen müssten wie die, die ihn verursacht haben? Wohl kaum!
- Soziale Verantwortung: In vielen Ländern dieser Erde haben Menschen nicht mal eben die Möglichkeit, sich im Falle von Flut, Dürre oder Brand für sich und ihre Familie ein neues Zuhause oder eine neue Arbeit zu suchen. Wir müssen uns alle der Tatsache bewusst sein, dass während wir irgendwo weit weg vergnügt an unserer Kokosnuss schlürfen, an einer anderen Stelle jemand aufgrund einer Naturkatastrophe, Wassermangel oder Hunger großes Leid erlebt.
Wichtig: Je mehr CO2 wir heute und in Zukunft durch unseren eigenen, hohen Lebensstandard verursachen, umso schlimmer wird es die treffen, die vollkommen mittellos sind!
Was kann ich tun, wenn ich trotzdem fliegen muss oder möchte?
Abgesehen davon, dass Flüge im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln viel zu billig sind, wäre es unter den erwähnten Umweltschutz-Vorgaben unter anderem dringend notwendig, dass bei einer Flugbuchung automatisch und mindestens ein sogenannter Kompensations-Beitrag erhoben wird.
Warum ist Fliegen überhaupt so billig?
Weil der Flugverkehr seit Jahrzehnten staatlich subventioniert wird!
Weil in Deutschland bei Auslandsflügen die Mehrwertsteuer entfällt!
Weil die Airlines keine Mineralölsteuern auf Kerosin zu zahlen brauchen!
Weil die Umwelt bei unserer Regierung eine untergeordnete Rolle spielt!
Kompensation bedeutet: Man spendet entsprechend der durch den Flug verursachten Menge CO2 einen Betrag, der über eine gemeinnützige Organisation in ein Projekt investiert wird, um dort in Zukunft CO2 einzusparen. Simpel ausgedrückt macht man das, was man selbst an der einen Stelle verursacht hat, an einer anderen Stelle wieder gut.
Bei den Klimaschutzprojekten, die im globalen Süden durchgeführt werden, wird erfreulicher Weise sogar oftmals durch neue Technologien (spritsparende Pumpen, sauberer Strom, Biogasanlagen etc.) nicht nur CO2 eingespart, sondern oft wird dadurch gleichzeitig auch die nachhaltige Entwicklung gefördert, Armut in der Region verringert und die Gesundheit verbessert.
Wie kann ich meinen Flug kompensieren?
Allen Unternehmen in der Reisebranche ist das CO2-Problem bewusst, allerdings möchte sich natürlich niemand unbeliebt machen. Wenn eine Kompensation automatisch mit in den Reisepreis integriert werden würde, bliebe man nicht mehr konkurrenzfähig auf dem Markt der Billiganbieter. Also wird das Thema unter den Teppich gekehrt, obwohl es unsere eigene Zukunft maßgeblich negativ beeinflusst.
Bei einigen wenigen Anbietern gibt es zwar am Ende der Buchung die Möglichkeit, ein Häkchen für die freiwillige Kompensation (englisch “Offsetting”) zu setzen, allerdings fällt diese meist geringer aus als bei einer gemeinnützigen Organisation. Daher kann und sollte man seinen Hin- und Rückflug besser separat bei einem dieser Veranstalter mittels CO2-Rechner kompensieren:
- Atmosfair: Gemeinnützige Organisation seit 2005, seit Jahren Testsieger. – Lt. Auskunft von Atmosfair werden 90% der Spenden in Projekte investiert, 10% werden zur Deckung der verwaltungsinternen Kosten verwendet.
Testnote Stiftung Warentest: 0,6 (sehr gut) - Klima-Kollekte: Gemeinnütziger Kompensationsfonds christlicher Kirchen seit 2011. Projekte konzentrieren sich auf den Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz. – Investieren lt. Jahresbericht knapp 90% in Projekte.
Testnote Stiftung Warentest: 1,1 (sehr gut) - PrimaKlima: Gemeinnütziger Verein seit 1991. Setzt sich für den Erhalt und die Mehrung von Wäldern ein. Jeder Baum filtert das Treibhausgas CO2 aus der Atmosphäre. – Lt. Auskunft von PrimaKlima werden ca. 81% der Spenden in Projekte investiert.
Testnote Stiftung Warentest: 1,5 (sehr gut) - myclimate: Initiative mit Schweizer Wurzeln, investiert in internationale Projekte. – Lt. Auskunft von myclimate werden 80% der Spenden in Projekte investiert.
Testnote Stiftung Warentest: 2,2 (gut)
Für welches Projekt man sich letztendlich entscheidet, ist Geschmackssache – Hauptsache, man kompensiert überhaupt, wenn man fliegt! Die Spendenquittung/en kann man übrigens bei der Steuererklärung mit einreichen.
Wichtig ist allerdings, dass Nichtfliegen immer die bessere Alternative ist. Andererseits ist Fliegen und Kompensieren allemal besser als nur zu fliegen und ansonsten nichts zu tun! Und es ist natürlich nicht Sinn der Sache, mit Kompensationszahlungen zukünftig mehr zu fliegen als vorher, sozusagen mit Lizenz zum umweltschädlichen Agieren!
Wie ich das Fliegen und Kompensieren handhabe
Seit 3 ½ Jahren habe ich mir die Einschränkung auferlegt, nur noch 1-2x im Jahr zu fliegen – und das, obwohl Reisen mein Beruf ist. Seit diesem Jahr kompensiere ich meine Flüge und gleichzeitig auch meine Roadtrips. Fliegen innerhalb Deutschlands oder Europa Festland kommt für mich überhaupt nicht mehr in Frage, solange es eine Zugverbindung gibt oder das Ziel per Auto erreichbar ist.

Einige Kritiker haben mir trotz meiner selbst auferlegten Einschränkung vorgeworfen, ich solle aufgrund meiner Vorbildfunktion doch gar nicht mehr fliegen. Das ist zwar einerseits nachvollziehbar, andererseits halte ich es für effektiver, realistische Ziele zu setzen. Zum “Gar-nicht-mehr-fliegen” werde ich die wenigsten inspirieren können, zur Einschränkung auf ein gewisses Maß vielleicht und hoffentlich schon.
Mittlerweile bin ich auch dazu übergegangen, weitere CO2-intensive Aktivitäten zu kompensieren wie zum Beispiel meinen Ratgeber (Artikel). Jeden Tag lerne ich in Sachen Umwelt etwas Neues dazu und komme immer mehr zu der Überzeugung, dass wir uns selbst in Zukunft wesentlich aktiver für die Umwelt einsetzen müssen, damit wir und unsere Kinder – sofern vorhanden – überhaupt noch alt werden können.
Informationen zum Thema freiwillige CO2-Kompensation
- SRF: Klimakiller Tourismus – CO2 durch Touristen fast 3x größer als angenommen
- UN-Klima-Report: CO2-Ausstoß 2017 so hoch wie nie
- Umfangreicher Kompensations-Ratgeber vom Umweltbundesamt (kostenlos, pdf)
- Ratgeber FAIRreisen von Frank Herrmann
- Testsiegerbroschüre CO2-Kompensation Stiftung Warentest / Finanztest 3/18
- NABU- Konsequenzen bei 2, 3 oder 4 Grad Erderwärmung
- Klimawandel: Sonderbericht des Klimarats
- Atmosfair: Klimafreundliche Reiseveranstalter
Mitmachen: Aktuelle Petition für eine angemessene Besteuerung von Flugreisen!
[Hinweis zum Cover-Foto: Das Flugzeug ist ein Löschfahrzeug und somit wahrscheinlich eines der einzigen Verkehrsmittel in der Luft, die unserer Natur behilflich sind.]