Vielleicht ist dir auch die penetrante Anzeigenschaltung auf Instagram von Gründer.de aufgefallen, die mit dem Satz „3 Gründe, warum das Sommer Reisegeschäft deine Business Chance ist“ um Aufmerksamkeit ringt. In Zeiten, in denen die meisten Reiseblogger:innen aufgrund mangelnder Umsätze ihre Arbeit niedergelegt haben, dachte ich mir, ich schaue mir das mal genauer an.
Gründer.de ist eine Marke der Digital Beat GmbH mit Sitz in Köln. Einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens, Thomas Klußmann, vermarktet die eigenen Produkte im Werbevideo bzw. Webinar und das alles erscheint auf den ersten Blick seriös zu sein. Auf dieser Seite wird man zum Teilnahme-Bereich geführt, bei dem man sich gegen Angabe der Email-Adresse anmelden kann. (Bitte nicht eintragen!) So weit, so gut…
Webinar „Mega-Chance Reisegeschäft 2023“ von Gründer.de
Bei dem etwa 2-stündigen Vortrag des Referenten Thomas Klußmann handelt es sich nicht um ein Live-Video, sondern um eine vorproduzierte Aufzeichnung, die täglich mehrmals vollautomatisch ausgestrahlt wird. Die Punkte, die gleich auffallen:
- Die Teilnehmerzahl ist, auch wenn man sich zu weiteren Zeitpunkten anmeldet, immer gleich: 82 Personen. Diese Zahl ändert sich im Laufe des gesamten Videos nicht. Diese Strategie nennt sich „Astroturfing“ und zielt darauf, den Eindruck zu erwecken, dass der Online-Kurs beliebt ist und viele Teilnehmer hat, um das Vertrauen potenzieller Kunden zu gewinnen und den Erfolg des Kurses zu fördern. Diese Taktik wird häufig als unethisch betrachtet, da es den Anschein erweckt, dass es mehr Nachfrage gibt als tatsächlich vorhanden ist.
- Im Vorfeld wird vermittelt, dass die Teilnahme auf 200 Plätze limitiert ist. Eine Marketing-Strategie, bei der die Begrenzung der Teilnehmerzahl für einen Online-Kurs betont wird, wird als „Knappheits-Marketing“ bezeichnet. Diese Strategie zielt darauf ab, das Interesse potenzieller Kunden zu steigern, indem die Verfügbarkeit des Kurses oder Produkts begrenzt wird. In Wirklichkeit können an solch einem aufgezeichneten Video natürlich Tausende teilnehmen.
- Der Chat im Webinar ist bewusst so eingestellt, dass Nachrichten für andere nicht sichtbar sind. Dadurch würde sich schnell feststellen lassen, dass man unter Umständen der einzige Teilnehmer des Kurses ist.
- Thomas Klußmann erweckt in diesem Werbevideo den Eindruck, als könne man interaktiv mit Nachrichten mitwirken und er liest Fragen von Teilnehmer:innen vor; wie gesagt handelt es sich jedoch um eine Voraufzeichnung und auch das ist irreführend.
Erfolgs-Referenzen im Webinar
Wie würden nun die erfolgreichen Beispiele aussehen, die mit Reisen gutes Geld verdienen? Komischerweise werden keine Referenzen aus der Reise-Branche angegeben, sondern ein Angel-Shop und ein Ratgeberportal für Klimaanlagen und Luftqualität. Letzteren Webseiten-Betreiber habe ich kontaktiert und gefragt, ob er wirklich 7.500 Euro monatlich über Affiliates verdient.
Seine Antwort:
Um Einverständnis haben die mich zumindest nicht gefragt! Aber dass ich mit dieser Seite 7.500 € verdiene, stimmt ja hinten und vorne nicht.
Was sind eigentlich Affiliates?
Affiliate-Marketing funktioniert folgendermaßen: Ein Unternehmen stellt spezielle Links zur Verfügung, die Blogger:innen, Unternehmer:innen, Youtuber:innen und andere Webseiten-Betreiber:innen auf ihren Websites, Blogs oder Social-Media-Kanälen platzieren. Wenn ein potenzieller Kunde dann auf diesen Link klickt und einen Kauf tätigt, erhält man eine Provision, die in der Regel zwischen 1-15% vom Warenwert des Verkaufspreises ist.
Affiliates sind Werbung und müssen als solche stets gekennzeichnet werden. Das ist insofern wichtig zu wissen, weil eine nicht gekennzeichnete Werbung gegenüber den Verbrauchern als Täuschung angesehen werden kann und somit gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.
Was möchte Gründer.de im Webinar verkaufen?
Thomas Klußmann von Gründer.de bzw. Digital Beat verkauft ein Paket von 10 bzw. 11 vorgefertigten WordPress-Websites bzw. -Blogs aus den Branchen Fashion & Beauty, Elektronik, Sport & Freizeit, Haus & Garten, Hundefreunde, Familie & Kind, Job & Karriere, Liebesglück, Reiseglück und Sommerurlaub. Die Webseiten bzw. Blogs basieren lt. Darstellung auf dem gleichen Layout und verfügen bereits über einige Artikel.
Die Kosten liegen bei monatlich 79 Euro zzgl. MwSt. mit einer Mindestlaufzeit von 1 Jahr. Die Ausgaben ab dem Moment, wo man den Kauf für dieses Produkt abgeschlossen hat, liegen dann bei mindestens 948 Euro für Selbstständige bzw. 1.130 Euro für Kleingewerbetreibende (wer mit Affiliates Geld verdienen möchte, muss ein Gewerbe anmelden; wird im Webinar allerdings nicht erwähnt).
Warum sich der Kauf absolut NICHT lohnt!
Ich möchte mich bewusst nicht auf eine Beurteilung von Seriosität oder Unseriösität des Produkts oder des Unternehmens einlassen; hierfür sind Institutionen wie z. B. die Verbraucherzentrale zuständig. Stattdessen möchte ich anhand der von mir aufgeführten Punkte aufzeigen, welche Aspekte nicht erwähnt wurden und warum der Kauf reine Geldverschwendung wäre:
- Die Beliebtheit von Blogs hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen und ich selbst kenne darüber hinaus keinen einzigen hauptberuflichen Reiseblogger (m/w/d), der im Laufe der letzten Jahre allein von Affiliate-Einnahmen leben konnte. Allein das sagt schon alles…
- Ein neuer Blog ohne soziale Medien bringt nahezu überhaupt keine Besucher. Gründer.de schreibt, dass „die Einnahmen zwischen 5 und 15 Euro pro 1.000 Seitenaufrufen“ liegen (Quelle). Selbst, wenn diese Angaben stimmen sollten, bräuchte man bereits 5.000-15.000 Seitenaufrufe im Monat, nur um auf die monatlichen Kosten von 79 Euro zu kommen. Und dann hat man immer noch keinen einzigen Cent für den eigenen zeitlichen Aufwand verdient. Also völlig utopisch.
- Reiseberichte sind unfassbar zeitintensiv. Wer glaubt, dass man ganz einfach viele Leser:innen bekommt, wenn man einfach ein paar Fotos nimmt und einen ChatGPT-Text darunter klatscht, den muss ich leider enttäuschen.
- Wenn alle Kund:innen die vorgefertigten Webseiten/Blogs mit den gleichen Inhalten erhalten (so wird es im Webinar vermittelt), ist das ein Todesurteil für das eigene SEO bei Google. Dies liegt daran, dass Google nach einzigartigem und qualitativ hochwertigem Inhalt sucht und wenn alle Blogs den gleichen Inhalt haben, wird Google diese Webseiten in der Rangfolge herabstufen = weniger bis null Besucher:innen. Daher bringen diese fertigen Artikel rein gar nichts, im Gegenteil.
- Die Webseiten bleiben von Anfang bis Ende in der Hand von Gründer.de. Wenn man kündigt, gibt man die Blogs und damit die gesamte investierte, eigene Zeit und Arbeit an das Unternehmen ab. So wird es zumindest im Webinar erklärt, möglicherweise gibt es hier Sonderregelungen.
- Durch die DSGVO und die Cookie-Richtlinien kann es dazu führen, dass die Einnahmen von Affiliates deutlich geringer ausfallen, denn wenn Nutzer den Cookies nicht zustimmen, kann das Tracking nicht erfolgen, was die Affiliates beeinträchtigt.
- Wer ausschließlich auf Affiliates im Reise-Sektor setzen möchte, muss jegliche Bedenken in punkto Klimawandel und Auswirkungen des Tourismus auf das Klima über Bord werfen. Siehe auch meinen Artikel Wie nachhaltig sind unsere Reiseportale?
- Das große Trend-Portal AirBnb bietet keine Affiliates an.
- Man muss ein Kleingewerbe anmelden bzw. sich selbstständig machen mit entsprechenden Kosten wie Steuerberater, IHK, ggf. Versicherungen etc.
- Zu guter Letzt sollte man sich bei allen Angeboten, die kinderleichte Umsetzung mit wenig Aufwand und tolle Umsätze versprechen, immer die Frage stellen, warum es denn nicht alle machen.
Hinweis zu Auszeichnungen und Zertifikaten
Mehrmals werden von Herrn Klußmann die Auszeichnungen hervorgehoben, die die Seriösität und Vertrauenswürdigkeit eines Unternehmens belegen sollen. Die gängigen Siegel sind allerdings relativ einfach zu erwerben, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind. Beispiel Kununu, Handelsblatt oder DIOP. Daher sollte man immer kritisch hinterfragen, welche Aussagekraft solche Siegel tatsächlich haben und sich nicht blind darauf verlassen, dass ein Unternehmen allein aufgrund eines kostenpflichtigen Siegels vertrauenswürdig ist.
Liste von Nutzerbewertungen:
- Trustpilot: aktuell 76% geben nur 1 Stern
- Trustedshops: Bewertung mangelhaft
- Youtube Erfahrungsbericht: Marketing Supergau? Schlechte Erfahrungen: Warum ich gruender.de als Affiliate NICHT bewerbe!
Danke für deine Recherche! Klar, muss man misstrauisch werden, bei solch hochtrabenden Versprechungen, aber dass so wenig dahinter steckt, ist echt übel.
Und Danke auch dafür, dass Du _nicht_ die Klimaschutz- und sonstige Auswirkungen des Reisens in deinem Blog ignorierst, sondern im Gegenteil darauf aufmerksam machst.
Hi Fabian,
ich beobachte diese Online-Kurs-Szene schon recht lange und bin immer wieder fasziniert, wie viele Menschen diesen ganzen Verheißungen Glauben schenken… diese Art von Korrektiv ist leider nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein, aber ich bleibe dran :) Vielen Dank auch für den Zuspruch, das spornt an, so weiterzumachen.
Liebe Grüße!
Ute
Hi Ute,
Affiliate-Marketing ist schon recht interessant und sicherlich ein gigantischer Markt! Und auf den Zug so Marketing gekonnt aufzuspringen von gründer.de ist schon nicht ungeschickt! ABER, wenn wir alle wirklich darüber nachdenken – und dabei hilft dein sachlich kritischer Artikel ausgezeichnet – dürften auch wir zum Schluss kommen, dass gründer.de keine Mitarbeiter haben dürfte, denn Affiliate-Marketing kennt dort garantiert jeder und wäre dann bereits auf einer Insel statt im Büro!
Entsetzt bin ich über die unehrliche und lückenhafte Information – nur ihr könnt bis 2.000 EUR verdienen – pro Monat versteht sich – dieses Schaffen von Illusionen und es als Realität bewerben finde ich unter aller Sau!
Ich bin den Werbemails und den „Live“ Events eine Weile gefolgt und auch die zeitlich befristeten Angebote sind nur Marketing zum Erzeugen von Kaufdruck!!! An vielen Stellen wird klar, dass es rein ums Verkaufen geht und gründer.de Geld verdienen will – dem Klußmann liegt aber nichts daran, dass wir erfolgreich werden! Und seine Auszeichnungen – na ja, für uns Deutsche, die Zertifikate und Abschlüsse sammeln wie keine zweite Nation – beeindruckend. Aber was zählt es im Einzelfall – NICHTS!
Wirklich enttäuschend, auch das Thema KI – es wird ein Paket geschnürt in einem Wert von gigantischen 25.000 EUR, aber heute, nur heute bekommt ihr es für 2.500 EUR – und auch nur die ersten 50 Leute von den über 2.000 Leuten, die heute hier teilnehmen – geschickt gemacht, aber ist es ECHT? Zu gut, um wahr zu sein? Dann ist es wohl auch NICHT wahr! Ok ich schweife ab :)
Ich denke, man kann Interessantes auf deren Webseite finden – aber für schnell mal Ersatzeinkommen im 4-stelligen Bereich ohne große Zeitinvestition bestimmt nicht! Dazu wiederhole ich nochmal deinen Punkt der eigentlich am klarsten sein dürfte: „Wenn alle Kund:innen die vorgefertigten Webseiten/Blogs mit den gleichen Inhalten erhalten (so wird es im Webinar vermittelt), ist das ein Todesurteil für das eigene SEO bei Google. Dies liegt daran, dass Google nach einzigartigem und qualitativ hochwertigem Inhalt sucht und wenn alle Blogs den gleichen Inhalt haben, wird Google diese Webseiten in der Rangfolge herabstufen = weniger bis null Besucher:innen. Daher bringen diese fertigen Artikel rein gar nichts, im Gegenteil.“
Danke nochmal für deine Analyse! Nicht mit uns – Finder weg!
Ach so und auf Google ist das UN auch mit weniger als 4 Sternen bewertet!!!
Trustpilot gibt 31% 1 Stern und 69% 5 Sterne. Oder bin ich auf dem falschen Trustpilot. Trustpilotfake vielleicht :-)
Na, der Link führt ja im Artikel zu Trustpilot und dieser Artikel hier ist von April. Dass der Wert heute nicht mehr mit dem von April übereinstimmt, dürfte wohl mehr als logisch sein. Oder erwartest du, dass ich das täglich aktualisiere? Oder willst du sagen, dass ein aktueller Durchschnitt von 3,9 top ist? Bei den vielen Bewertungen, die besagen „Finger weg!“? Die neueren 5-Sterne-Bewertungen sind von Rezensent:innen mit teilweise nur 1 Bewertung – natürlich nur für gruender.de – und teilweise mit starkem Werbecharakter. Bei TrustPilot kann jede:r bewerten. TrustedShops ist bei mangelhaft geblieben.