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Warum ich mit Instagram und Facebook aufhöre

Warum ich mit Instagram und Facebook aufhöre

  • und dieser Blog ganz normal bestehen bleibt
Warum ich mich von Instagram und Facebook verabschiede - Reiseblog Bravebird

»Ohne Instagram geht es heute nicht mehr!«, ist ein Satz, den wahrscheinlich die meisten Menschen mit einem Business blind unterschreiben würden. Mit dieser Überzeugung habe auch ich über einen inzwischen recht langen Zeitraum daran festgehalten, obwohl ich viele Aspekte von sozialen Medien problematisch finde und im Laufe der Jahre eine gewisse Ablehnung gegen diese Apps entwickelt habe.

Bereits 2017 begann meine Freude an den sozialen Medien zu schwinden, als ich auf einer längeren Reise bemerkte, wie stark sich mein Reiseverhalten durch den Blog und die dazugehörigen Plattformen verändert hatte. Und wenn ich heute zurückblicke, muss ich feststellen, dass überdurchschnittlich viele Momente meines Lebens auf vielfältige Weise mit Instagram verknüpft waren.

Aber es ist nicht nur die Konditionierung, die mich stört. Es sind noch diverse andere Faktoren. Vor kurzem stieß ich auf einen Artikel über die Kosmetik-Marke Lush, die sich bereits 2021 mit einer anti-social-Kampagne von Instagram, Facebook, Snapchat und TikTok verabschiedet hat. Für Lush war der Hauptgrund die fehlende Sicherheit; für mich persönlich sind es u. a. die nachstehend aufgeführten Gründe:

FREMDBESTIMMUNG.

Wenn man als Influencer:in erfolgreich bzw. beliebt sein möchte, lernt man sehr schnell, was viele Likes bringt und was nicht. So liegt es nahe, dass nach und nach immer mehr Fotos mit Glück, Happiness, Begeisterung, Leidenschaft, tollen Projekten und Produkten, Haustieren, Partnerschaft und exotischen Orten gepostet werden. Niemand will langweiligen Alltag sehen.

Reise Influencing Probleme Kritik - Reiseblog Bravebird
Aus meinem Artikel Bravebird wird anders (2017)

Je mehr Follower:innen und Reichweite, umso mehr Content muss tendenziell her. Nochmal an denselben Ort in die dieselbe Unterkunft reisen? Schwierig. Man möchte ja begeistern, mitreißen und inspirieren – und Menschen sind schnell gelangweilt. Also muss immer was Neues, möglichst noch Besseres oder sogar Überraschendes her.

Mein Alltag ist wahnsinnig schön, nur ist er (leider) nicht instagrammable.

Ich kann nicht zählen, wie oft ich mir in den letzten Jahren gesagt habe, wie langweilig mein Leben ist; nur weil ich nichts Spannendes auf Instagram posten konnte. Wie oft stand ich irgendwo im Wald mit Stativ für ein Selfie, auf das ich eigentlich überhaupt keine Lust hatte. Diese Liste könnte ich unendlich fortsetzen. Viel zu häufig ging es bei Kauf- und Reise-Entscheidungen indirekt um die Frage „Passt das zu der öffentlichen Darstellung meiner Person?“

ZEIT.

Besonders bei Insta Storys oder Posts, die viele Emotionen mit sich bringen, stelle ich mich im Vorfeld auf mehrere Stunden Nachrichten-Austausch ein. Bei einem Account, den man beruflich nutzt, ist das völlig okay und als kostenlose Serviceleistung zu verbuchen. Wenn man kein Geld damit verdient, ist es ein zeitintensives Hobby, bei dem man sich permanent mit wildfremden Menschen austauscht.

Das ist bei ein paar Nachrichten pro Tag kein Problem, aber bei 30 bis 100 eine persönliche Herausforderung. Hier gerät man automatisch in die Oberflächlichkeit, denn es ist schlichtweg unmöglich, sich zu allen Profilen Details zu merken. Eine Situation, die mir überhaupt nicht gefällt, zumal ich als Introvertierte generell nicht viel mit Smalltalk anfangen kann. Um dem Problem zu entgehen, habe ich dann oftmals gar nichts gepostet.

Abgesehen davon bin ich selbst sozusagen gezwungenermaßen Konsumentin auf dieser Plattform und maximal genervt von Werbung, unpassenden Beitrags-Vorschlägen, dem Schönheitswahn, Fast Fashion, der Ausbeutung von Haus- und Wildtieren, den Heilversprechen von Esoterikerinnen, der Coaching-Bubble und so vielen anderen Themen, die mich einfach null interessieren.

KLIMAWANDEL.

Wie bereits oben beschrieben braucht man auf Instagram tendenziell etwas, mit dem man eine möglichst breite Community begeistern kann. Der Tourismussektor ist für 5-8% der CO2-Emissonen verantwortlich und mir fällt da kaum noch etwas ein, mit dem ich andere begeistern kann. Klar könnte ich nun Wander- oder Zug-Expertin werden, aber dann wäre es letztendlich wieder die bereits erwähnte Fremdbestimmung.

Gleichzeitig muss sich jede:r mit viel Reichweite der Tatsache bewusst sein, dass alles, was man in die Kamera hält oder empfiehlt, einen Multiplikator-Effekt hat. Das kann z. B. bei Themen wie Veganismus positiv sein; bei Themen wie Fast Fashion, Fernreisen, Vanlife, problematische Hunderassen, Wildcamping, Esoterik usw. in der Masse jedoch bedenkliche Auswirkungen auf Umwelt, Klima, Psyche, Menschenrechte oder Tiere haben.

Buchtipp Die Welt geht unter - Reiseblog Bravebird
Die Welt geht natürlich nicht unter, aber allein der Titel hat mich dennoch dazu veranlasst, all meine aktuellen Tätigkeiten zu hinterfragen

BUBBLE.

Wie sehr Instagram eine ganz eigene Blase darstellt, merkt man spätestens in Unterhaltungen mit Menschen, die ihr Leben ohne diese App bestreiten: die Wahrnehmung ist eine völlig andere. Das wiederum zeigt mir, dass viele Instagram-Trends (Gott sei Dank) in der Realität gar nicht so stark präsent sind wie es mir der Algorithmus weismachen möchte.

Die Fokussierung und Förderung von Trends seitens Instagram führte bei mir ebenfalls häufig zu fremdbestimmten Verhalten, denn dadurch sah ich die Veranlassung, zu unglücklichen Trends Stellung zu nehmen. Retrospektiv war das zwar einerseits durchaus wichtig, jedoch hätte ich ohne diesen Einfluss möglicherweise über etwas völlig anderes geschrieben. Sicher etwas, das mir und anderen mehr Freude bereitet hätte.

DRUCK.

In Zeiten, in denen ich über viele Wochen kein neues Bild auf Instagram gepostet habe, kam kein einziger neuer Auftrag rein, obwohl im Blog wöchentlich Beiträge erschienen. Für viele Agenturen und Kooperationspartner ist man als Influencer:in ohne regelmäßige Posts vollkommen uninteressant. Und natürlich belohnt oder bestraft dich Instagram auch für dein Verhalten.

In dem 459 Seiten dicken Ratgeber „Insta It!“ wird dieser Format-Mix auf Instagram als „perfekt“ empfohlen:

  • 3 Fotos/Carousels pro Woche
  • 10 Storys pro Woche
  • 4-7 Reels pro Woche
  • 1-3 IGTV/Live pro Woche
  • 1 Guide pro Monat

Fotos erstellen, sich stylen, passende Texte schreiben, Videos drehen und schneiden, all das ist viel (kreative) Arbeit. Wie oft habe ich mir hier in Frage gestellt: warum ich das so nicht hinbekomme, warum ich nicht einfach extrovertierter sein kann, warum ich dieses oder jenes nicht umsetze usw. Eine Unzufriedenheit und Belastung, die ohne Instagram überhaupt nicht entstehen würde.

Wie geht es weiter?

Den Instagram-Account zu diesem Blog werde ich passend zu meinem 10-jährigen Jubiläum am 13.03.2023 stillegen. Mein Facebook-Account ist bereits seit 2021 nicht mehr aktiv. Die Facebook-Gruppen der Bravegirls sind seit 2022 deaktiviert. Meine Aktivitäten hier werden ganz normal weiterlaufen wie eh und je. Privat werde ich weiterhin auf Instagram und Facebook sein, jedoch ohne Druck und Zwang und maximal reduziert.

Seitdem ich mich vor ein paar Tagen zu diesem Entschluss durchgerungen habe, hat sich bereits meine Art zu denken verändert. Ich bin wieder ein authentisches ICH und nicht mehr das WAS WOLLEN ANDERE VON MIR SEHEN – und das ist Gold wert! Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich auf Instagram mal wieder etwas öffentlicher werde, dann aber mit anderen Basics, Themen und vor allem Grenzen.

Ab Anfang März werde ich auf meinem Instagram-Account ca. 6-9 Bilder zu dieser jetzigen Entscheidung mit Detailinfos zum Nachlesen posten. (Der Account wird nicht gelöscht.) Wenn du weiterhin über neue Beiträge informiert werden möchtest, kannst du meinen Newsletter abonnieren (1x monatlich), mir auf Pinterest folgen oder dich per Feedreader auf dem Laufenden halten.


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Zeige Kommentare (5)
  • Liebe Ute,
    Ich kann Deine Entscheidung gut nachvollziehen. Erst heute Nacht habe ich zwei Stunden wach gelegen und wertvolle Lebenszeit auf Insta verdaddelt.
    Und da ich dir schon von Anfang an folge – 10 Jahre, ich war erstaunt das es so lange ist – habe ich jetzt schnell deinen Newsletter abonniert um weiter mit zu bekommen, was bei dir passiert. Viele deiner Instapost und Blogbeiträge haben mich inspiriert und zum Nachdenken gebracht und zu Verhaltensänderungen bewogen. Bleibt gerne treue Leserin und bin gespannt wie es weiter geht.
    Viele Grüße
    Ute

  • Glückwunsch zu der gewonnenen Lebenszeit!

    Instagram hatte ich noch nie, und bei Facebook und Twitter habe ich im Browser eine Zeitbeschränkung von einer Stunde (für beide zusammen) pro Tag.
    Manchmal habe ich einfach keine Lust und setze die Zeit auf null oder blockiere die Seiten für mehrere Tage. Das fühlt sich jedes Mal befreiend an!

    Am leichtesten finde ich, wenn man sich nicht nur GEGEN Instagram, Facebook, Twitter u.s.w. entscheidet, sondern FÜR etwas anderes, was man mit der gewonnenen Zeit macht. Ich lese zB viel mehr Bücher und empfinde dadurch einen echten Erkenntnis- und Lustgewinn.

    Ich habe auch einen Tag in der Woche, an dem ich dem Computer, dem Telefon und dem TV ganz abschwöre. Wie ein Schabbat, aber eben säkular, und auch gerne unter der Woche: https://andreas-moser.blog/2019/07/02/sabbat/
    Meist gehe ich an den Tagen spazieren, sitze mit einem Buch am See und merke, wieviel man eigentlich an einem Tag erleben und sehen und denken kann, wenn man nicht ständig abgelenkt ist.

  • Spannend! Im Dezember erschien in The Verge ein Post zum Thema „personal blogging“. Dort wird genau das vermisst: persönliche Blogs. Insbesondere aus der Situation in den sog. Social-Media-Netzwerken heraus: Du scheinst nicht die Einzige zu sein, die sich dort zunehmend unwohl fühlt. https://www.theverge.com/23513418/bring-back-personal-blogging
    Es wird zum Aufruf, wieder mehr persönliche Blogs zu betreiben. Ich hab mir ein paar Gedanken dazu gemacht, in deren Essenz ich nicht glaube, dass persönliche Blogs nochmal einen Höhenflug erleben, wie das in den Nullerjahren der Fall war. Ein Grund ist fehlende Vernetzung und Vernetzbarkeit, die auf den SM-Plattformen schlicht viel einfacher ist. Auch die Art des geposteten Inhalts: Bilder, Video(-Shorts) und Kommentare! Lange Texte will dort einfach niemand lesen: Es geht ums Gute-Laune-Häppchen – davon möglichst viele. Das kriegt man aus den Leuten nicht mehr raus. Sie starren halt gerne doomscrollend auf ihre Taschentelefone. Mit einem Blog diese Reichweite zu generieren dürfte nahe am Unmöglichen sein – wenn man nicht gerade ein Magazin mit vielen Schreibern ist.

    Wie dem auch sei: Wäre es nicht vielleicht auch eine Idee, Deine Blogbeiträge auf den Plattformen anzuteasern? Um der Reichweite Willen? Ansonsten muss man dem ganzen Zirkus ja nicht weiter folgen, behält aber vielleicht etwas Aufmerksamkeit der Massen bei sich. Was ich in Deinem Fall durchaus für erstrebenswert halte :)

  • Hallo Ute, na endlich :). Verstehe mich nicht falsch, aber ist es nicht grotesk so eine Entscheidung als etwas revolutionäres zu empfinden. Wünsche dir von Herzen, dass du auch ohne das Selbstmarketing auf den sozialen Kanälen deinen Lebensunterhalt bestreiten kannst und uns weiterhin mit deinen ehrlichen, selbstreflektierten Artikeln erfreust und zum Nachdenken anregst. Was übrigens auch revolutionär ist und richtig gut tut: Total coole, verrückte, geniale Dinge machen und für sich behalten ;).

  • Liebe Ute,
    BRAVO für Deinen mutigen Schritt.
    Ich selbst betreibe auch einen Blog, wenn auch noch nicht sonderlich aktiv (soll sich ändern), bin jedoch der Meinung, dass ich zumindest Facebook als (wie von swg geschrieben) Teaser nutzen werde. Einfach, um ein wenig mehr Reichweite zu erlangen. Ansonsten wird aber über die Plattform selbst nichts gepostet.
    Aber das ist natürlich wirklich jedermanns Entscheidung und ich finde Deine Entscheidung SEHR gut.
    Werde Dir hier aber auf jeden Fall weiter folgen und mich zum Newsletter anmelden.
    Viele Grüße
    Werner

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