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Warum Produkte aus recycelten PET-Flaschen nicht (wirklich) nachhaltig sind

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PET-Flaschen aus dem Meer werden wiederverwendet - Ist das nachhaltig?

Recycelte PET-Produkte begegnen uns mittlerweile überall: in Rucksäcken, Outdoor-Kleidung, Sporttextilien und sogar in Alltagsgegenständen wie Trinkflaschen, Lebensmittelverpackungen oder Elektrogeräten. In der Werbung – oft auch von vermeintlich nachhaltigen Firmen – wird uns vermittelt, dass wir diese Produkte mit „gutem Gewissen“ kaufen können. Sie versprechen, die Umwelt zu schonen und Plastikmüll sinnvoll wiederzuverwerten. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Versprechen?

Auch ich habe mich vor rund zehn Jahren mit der Idee auseinandergesetzt, meine Rucksäcke aus recyceltem PET zu entwickeln, um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Damals wurde mir jedoch davon abgeraten, da der ökologische und gesundheitliche Aufwand überraschend hoch ist. Und natürlich habe ich mir im Laufe der Jahre verschiedene Produkte gekauft, die das „recycelt“-Label tragen – mit diversen enttäuschenden Erfahrungen. Also, ist das wirklich die nachhaltige Lösung, die es vorgibt zu sein? Schauen wir genauer hin:

1. Hoher Ressourcenverbrauch im Recyclingprozess

Obwohl recyceltes PET als umweltfreundliche Alternative gilt, ist der Recyclingprozess selbst sehr ressourcenintensiv. Eine Analyse der University of Cambridge zeigt, dass das Recycling von Kunststoffen zwar insgesamt weniger Energie als die Herstellung neuer Kunststoffe benötigt, dennoch erhebliche Ressourcen beansprucht. Besonders bei PET erfordert der Prozess der Sammlung, Reinigung und Vorbereitung des Materials hohe Mengen an Wasser und Energie, da die Sortierung und das Entfernen von Verunreinigungen aufwendig sind.

Zusätzlich kommen diverse chemische Reinigungsmittel wie alkalische Lösungen, Tenside und Oxidationsmittel zum Einsatz, um organische Rückstände, Kleber und Verfärbungen zu entfernen. Diese Chemikalien belasten die Umwelt, da sie das Abwasser mit zusätzlichen Rückständen und Schadstoffen anreichern, die aufwendig behandelt werden müssen, bevor sie in die Natur zurückgeführt werden können. All diese Schritte im Recyclingprozess schmälern die positiven Umweltauswirkungen deutlich und machen das Recycling von PET trotz Einsparungen im Vergleich zur Neuproduktion zu einem ressourcenintensiven, wenig umweltfreundlichen Prozess.

Was bedeutet eigentlich „Nachhaltigkeit“?

Nachhaltigkeit bedeutet, Ressourcen so zu nutzen, dass sie auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Ein wirklich nachhaltiges Produkt ist umweltschonend hergestellt, langlebig und am Ende seiner Lebensdauer vollständig recycelbar oder biologisch abbaubar. Es sollte weder bei der Produktion noch bei der Nutzung und Entsorgung Schäden für Umwelt und Gesundheit verursachen.

Nachhaltigkeit umfasst zudem soziale Verantwortung – das bedeutet faire Arbeitsbedingungen, angemessene Bezahlung und eine ethisch vertretbare Lieferkette. Nachhaltigkeit geht also weit über die bloße Wiederverwendung von Materialien hinaus und erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts.

2. Gesundheitliche Risiken durch Chemikalien

Beim Recyclingprozess verbleiben oft chemische Rückstände aus vorherigen Nutzungen im Material, die nicht immer vollständig entfernt werden können. Diese Rückstände beinhalten potenziell schädliche Chemikalien, die bei Hautkontakt oder über die Nahrung in den Körper gelangen können. Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) können in recyceltem Plastik, einschließlich PET, hormonell wirksame Substanzen wie Phthalate (Weichmacher) vorkommen, die als gesundheitlich bedenklich gelten. Diese Substanzen sind bekannt dafür, dass sie das Hormonsystem stören können, was zu langfristigen Gesundheitsproblemen führen kann.

Zusätzlich wird bei der Herstellung von PET häufig Antimon verwendet, ein Katalysator, der ebenfalls als potenziell gesundheitsschädlich gilt. Studien zeigen, dass Antimon besonders bei Erhitzung oder langer Lagerung in Lebensmittel und Getränke migrieren kann, wenn PET in Verpackungen oder Trinkflaschen verwendet wird. Diese chemischen Rückstände stellen nicht nur eine Belastung für die Umwelt dar, sondern können auch Risiken für die menschliche Gesundheit bergen, insbesondere bei Produkten, die in Kontakt mit Lebensmitteln oder der Haut kommen.

3. Umweltbelastung durch Mikroplastik

Ein weiteres großes Problem bei recyceltem PET ist, dass es das Mikroplastik-Problem nicht löst. Wie alle synthetischen Fasern – ob recycelt oder neu – gibt auch recyceltes PET bei jedem Waschgang winzige Plastikpartikel ab. Outdoor-Kleidung oder Sporttextilien aus recyceltem PET tragen so zur Verschmutzung der Gewässer bei. Eine Studie der University of Plymouth zeigt, dass synthetische Fasern aus PET, unabhängig davon, ob sie neu oder recycelt sind, zu den Hauptquellen für Mikroplastik in der Umwelt gehören. Das zeigt: „Recycelt“ bedeutet auch unter diesem Gesichtspunkt nicht automatisch umweltfreundlich, da die grundlegenden Umweltprobleme von Plastikfasern weiterhin bestehen bleiben.

Verwitterte Plastikflasche am Strand
Viele vermeintlich ‚grüne‘ Produkte bestehen nicht aus Plastik, das aus dem Meer geholt wurden. (Foto: Ishan Seefromthesky / Unsplash)

4. Der Mythos vom „Ocean Plastic“

Ein weit verbreitetes Marketingversprechen ist, dass Produkte aus „Ocean Plastic“ bestehen – also Plastik, das aus dem Meer geborgen wurde. Tatsächlich stammen die meisten recycelten PET-Produkte jedoch aus Recycling-Systemen an Land und nicht direkt aus dem Meer. Plastik aus dem Ozean zu sammeln und zu recyceln, ist logistisch extrem aufwendig und teuer, da das Material oft stark verschmutzt und verwittert ist und einer intensiven Reinigung bedarf.

Die meisten Unternehmen verwenden daher sogenanntes „Ocean Bound Plastic“ – Plastik, das in Küstenregionen oder Flüssen gesammelt wird, bevor es ins Meer gelangen kann. Diese Unterscheidung ist wichtig, da das Label „Ocean Plastic“ ein anderes Bild vermittelt und das gute Gewissen transportieren soll, statt eine wirklich effektive Lösung für die Plastikverschmutzung zu bieten.

5. Geringe Langlebigkeit = das Gegenteil von Nachhaltigkeit!

Das ist ein extrem wichtiger Aspekt: Ein großer Nachteil von recycelten PET-Produkten ist ihre geringere Qualität und Haltbarkeit. Recyceltes PET kann spröder und brüchiger sein, was bedeutet, dass Produkte wie Rucksäcke oder Outdoor-Kleidung oft eine deutlich kürzere Lebensdauer haben. Wenn beispielsweise ein Rucksack, eine Jacke oder ein Elektrogerät nach wenigen Monaten ersetzt werden muss, weil das Material an Stabilität verliert, wird der Umweltgedanke ad absurdum geführt.

Die kurze Lebensdauer solcher Produkte führt dazu, dass sie häufiger entsorgt und durch neue ersetzt werden müssen, was wiederum zusätzlichen Ressourcenverbrauch und Abfall verursacht.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass recyceltes PET im Vergleich zu Neu-PET aufgrund von Strukturveränderungen während des Recyclingprozesses weniger belastbar ist und schneller abgebaut wird. Diese Degradationsprozesse führen dazu, dass die Materialqualität mit jedem Recyclingzyklus weiter abnimmt – ein Prozess, der als Downcycling bezeichnet wird. Letztlich bedeutet das, dass recyceltes PET nur begrenzt wiederverwendet werden kann und irgendwann entsorgt werden muss, was das Ziel einer echten Kreislaufwirtschaft erschwert.

Schwaches Material einer Jacke aus 100% recycelten PET-Flaschen
Diese Jacke einer ‚nachhaltigen‘ Trend-Bekleidungsmarke für 279 Euro war bereits nach knapp zwei Jahren an zahlreichen Stellen beschädigt und damit unbrauchbar – mit Löchern durch Reibung und deutlich sichtbaren Farbveränderungen.

6. Greenwashing: Scheinbare Nachhaltigkeit als Marketingtrick

Viele Marken nutzen das Label „recycelt“, um Produkte attraktiver und umweltfreundlicher erscheinen zu lassen, obwohl die tatsächlichen Umweltvorteile meist gering sind. Das Umweltbundesamt (UBA) bestätigt, dass Verbraucher durch vermeintlich nachhaltige Werbeversprechen häufig in die Irre geführt werden. Begriffe wie „recycelt“ oder „nachhaltig“ werden als gängige Marketingstrategie eingesetzt, ohne dass diese Produkte tatsächlich umweltfreundlicher sind als herkömmliche Alternativen.

Diese irreführenden Praktiken vermitteln dem Konsumenten oft ein gutes Gewissen, obwohl die wahren Umweltauswirkungen wie beschrieben minimal bleiben. So führt Greenwashing dazu, dass Konsument:innen glauben, eine umweltfreundliche Wahl zu treffen, während sich an der grundlegenden Problematik von Plastikverschmutzung und Ressourcenverbrauch in Wahrheit nur wenig ändert. Oder wie beschrieben sogar erhöht, weil man Produkte häufiger entsorgen und neu kaufen muss.

Fazit: Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein „recycelt“-Label

Produkte aus recyceltem PET werden fast uneingeschränkt als umweltfreundliche Lösung beworben, doch wie die oben beschriebenen Punkte und Studien zeigen, sind vermutlich die meisten dieser Versprechen trügerisch. Der ressourcenintensive Recyclingprozess, gesundheitliche Risiken durch chemische Rückstände, das Greenwashing und vor allem die begrenzte Langlebigkeit recycelter Produkte sprechen gegen die Annahme, dass „recycelt“ gleichbedeutend mit nachhaltig ist.

Tatsächlich spiegelt dieser Trend ein tieferes Problem wider: Mangels ausreichender politischer Maßnahmen sehen wir uns als Konsument:innen oft dazu gedrängt, selbst aktiv zu werden und nachhaltige Produkte zu kaufen. Diese Nachfrage hat einen Markt geschaffen, der uns das Gefühl vermittelt, etwas für die Umwelt zu tun. Die eigentliche Problematik liegt vielmehr in der Herstellung und Nutzung von Einweg-Plastikflaschen selbst; wenn Plastik gar nicht erst in die Umwelt gelangen würde, gäbe es erst gar keinen Anlass, etwas recyceln zu müssen!

Nachhaltigere Alternativen für bewussten Konsum

Eine wirklich nachhaltige Wahl besteht darin, bewusst zu konsumieren und dabei auf langlebige, qualitativ hochwertige und bestenfalls fair produzierte Produkte aus möglichst natürlichen Materialien oder echten Upcycling-Prozessen zu setzen. Es gibt unzählige Second-Hand-Optionen, die eine hervorragende Möglichkeit sind, den Lebenszyklus von Produkten und Kleidung zu verlängern und wertvolle Ressourcen zu schonen.

Buchtipps zum Thema Konsum

Manchmal muss man sich selbst etwas motivieren, um sein Verhalten zu ändern und dafür sind diese beiden Bücher meiner Meinung nach hervorragend geeignet. Beide gibt es als Hörbuch, wer Ressourcen schonen möchte :) (Empfehlungs-Links zu Amazon)

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Titelfoto: Naja Bertolt Jensen / Unsplash

Geschrieben von
Ute Kranz

Als Gründerin und Inhaberin dieses Reiseblogs teile ich seit 2013 meine Begeisterung fürs Reisen und eine bewusste Lebensgestaltung. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich zudem verstärkt mit gesellschaftlich relevanten Themen.

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