5 Jahre ohne Flug – War das sinnvoll?
Heute vor genau fünf Jahren landete ich nach meinem Aufenthalt in der Karibik am Flughafen Frankfurt, ohne zu ahnen, dass dies vorerst mein letzter Flug gewesen sein sollte. Privat hatte ich bereits seit 2015 keine Flüge mehr gebucht, und alsbald entschied ich mich, auch beruflich damit aufzuhören. Die Entscheidung erschien mir als notwendige Konsequenz angesichts des voranschreitenden Klimawandels.
Meine Leidenschaft und meinen Beruf stellte ich diesem Schritt unter, bei dem ich damals davon ausging, dass die Reduktion des Fliegens ein kollektiver Schritt im Rahmen eines umfassenderen gesellschaftlichen Wandels sein würde. Mein ökologischer Fußabdruck schrumpfte beachtlich, und obwohl ich davon ausging, dass meine Entscheidung als positiver Schritt aufgenommen werden würde, entwickelten sich die Reaktionen anders als gedacht…
Phase 1: Verwirrung
Die Konsequenz, das Fliegen einzustellen, erzeugte überraschend viel Aggression und Ablehnung. Obwohl ich stets darauf geachtet hatte, in der Ich-Perspektive zu schreiben, wurde meine Entscheidung als erhobener Zeigefinger interpretiert. Man warf mir Scheinheiligkeit vor, da ich selbst schon viel gereist war und nun anderen vorschreiben wolle, was sie tun und lassen sollten. Was können schließlich andere dafür, dass sie noch nicht so viel gesehen haben von der Welt? Ja, nichts.
Genauso wenig kann ich dafür, dass ich schon deutlich älter bin und sich die Gegebenheiten erst in den letzten Jahren mit zunehmender Dringlichkeit aufgrund der Klimakrise verändert haben. Es schien unmöglich, es allen recht zu machen, wie ich es in meinem Artikel Tue etwas Gutes und werde… kritisiert! beschrieben habe. Gleichzeitig ließ sich beobachten, dass diejenigen, die überhaupt nichts änderten und weiterhin um die Welt reisten, überhaupt keiner Kritik ausgesetzt waren.
Phase 2: Enttäuschung
Wenn man sich entscheidet, einige konsequentere Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag umzusetzen (z. B. vegan zu leben), wird man in seinem Umfeld nicht gerade bejubelt. Plötzlich stellt man eine Art wortloses Korrektiv dar, das andere ungefragt dazu nötigt, ihr eigenes Handeln zu rechtfertigen. Gleichzeitig gilt es wert- und vorurteilsfrei dabei zuzusehen, wie sich andere Fleischberge auf ihre Teller laden, den neuen SUV bestellen oder Reisen ans andere Ende der Welt unternehmen.
Kurzum: nicht mehr fliegen und nicht mehr darüber sprechen oder schreiben bringt ausschließlich Nachteile mit sich; für sich selbst und andere. Und mit dieser Feststellung wird eine Frage lauter, deren Antwort sich irgendwann nicht mehr aufschieben lässt: Was bringt das Ganze eigentlich? In dem Video Kannst DU den Klimawandel stoppen? des Youtube-Kanals „Dinge Erklärt – Kurzgesagt“ heißt es:
Phase 3: Umdenken
Die vielfältigen, neuen Eindrücke während der Corona-Pandemie haben neue Sichtweisen ermöglicht. Nicht zu fliegen war nun keine Utopie mehr, sondern schlagartig Realität. Was einerseits nach einem positiven Kollateralschaden klang, wirkte sich andererseits in manchen Ländern negativ aus: Regionen, die bislang vom Tourismus abhängig waren, hatten nun keine Einnahmen mehr.
Erst zu diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass mein Fokus bisher ausschließlich auf ökologischer Nachhaltigkeit lag. Die soziale Nachhaltigkeit hatte ich in meinen Überlegungen vernachlässigt. Das war einer der Gründe, warum ich vor einem Jahr ankündigte, zukünftig wieder Flugreisen bzw. das sogenannte „Faire Reisen“ in diesen Blog zu intregrieren (→ Artikel).
Es gab noch einen weiteren Aspekt. Den der Effizienz. Denn die Einschränkungen während der Corona-Pandemie, die man sich vielleicht für die Reduktion von Emissionen wünschen würde, hatten nicht den erhofften Effekt:
Phase 4: Vertrauen und Zuversicht
Woher sie ausgerechnet in dieser düsteren Zeit kommt und warum, weiß ich nicht genau, aber die Zuversicht ist zurück. Corona hat auch gezeigt, dass wir mit der Eigenverantwortung aller Menschen nicht weit kommen. Mit etwas Glück gibt es kluge Menschen, die Lösungen finden. Im Falle von Corona waren es Wissenschaftler:innen, die eine Impfung entwickelten, um die Pandemie einzudämmen.
Heute bin ich fest davon überzeugt, dass ebenso kluge Menschen Lösungen finden werden, etwa das CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. (Schöne Doku: ARTE – Erderwärmung stoppen – aber wie?) Dennoch bin ich der Meinung, dass wir – jede:r Einzelne – eine soziale und ökologische Verantwortung haben und uns um mehr Nachhaltigkeit in allen Bereichen bemühen sollten; allein aus Respekt gegenüber den Menschen im globalen Süden.
Die Emissionen eines Durchschnitts-Deutschen liegen bei ca. 60% über dem Welt-Durchschnitt.
– Dr. Viola Muster, Technische Universität Berlin
Eine weitere Überzeugung gründet sich auf der Erkenntnis, dass im Leben eine ausgewogene Balance von entscheidender Bedeutung ist. Extreme sind selten sinnvoll. Daher ist es für den eigenen Seelenfrieden und die Gemeinschaft von Nutzen, eine ausgewogene Balance anzustreben. Ein weiterer wichtiger Schritt war außerdem, mich von sämtlichen Bewertungen anderer zu befreien.
Und ja, auch das Fliegen wird wieder Teil meines eigenen Gleichgewichts sein. Mit einer bewussteren Perspektive, weniger schlechtem Gewissen, einer bewussteren Reiseplanung und meinem weiteren Einsatz für nachhaltigere Alternativen.
Kommentare
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Hallo Ute,
ich verfolge deinen Blog schon recht lange und habe damals gespannt mitgelesen, als du deinen Job gekündigt hattest, dich von deinen geliebten Dingen verabschiedet hast, deine Reise vorbereitet hattest und auf dieser Seite über deine einzelnen Stationen berichtet hattest.
Seitdem hat sich auf deinem Blog – und auch in der Weltgeschichte – sehr viel getan.
Kurz zu mir… ich versuche so weit es mir möglich ist nachhaltig zu leben. Ich trenne Müll, fahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit obwohl ich ein Auto habe und kaufe nur Dinge die ich wirklich brauche und nutze sie auch in der Regel so lange bis sie kaputt sind. Blödes Beispiel, aber mein aktuelles Handy ist zum Beispiel 3 Jahre alt, mein Auto 14 Jahre, mein TV 12 Jahre etc. etc. etc.
Jetzt aber zum eigentlichen Punkt
Der Klimawandel ist da, keine Frage, und die Auswirkungen spüren wir auch bereits. Ich bin dennoch absolut der Meinung, dass wenn ein paar Menschen die es gut meinen und auf fliegen verzichten, kaum ein Flugzeug weniger abhebt oder wenn ein paar Menschen auf Fleisch verzichten auch mehr weniger Tiere auf dem Teller landen. Und das Deutschland mal wieder eine Vorreiterrolle spielen muss, aus der Atomkraft aussteigt, die Strompreise damit unter die Decke jagt und die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaft dieses Landes an die Wand fährt, halte ich für eine absolut gefährliche Entwicklung – die wir alle noch viel mehr viel mehr im Geldbeutel spüren werden.
Das kleine Deutschland trägt glaube ich zu 2% des weltweiten CO2 Ausstoßes bei. Meiner Meinung nach macht das alles nur Sinn, wenn die ganze Welt an einem Strang ziehen würde. Wir können noch so viel CO2 einsparen, nachhaltig leben etc. wenn sonst keiner mitzieht. Wenn 1,5 Mrd Chinesen, 1 Mrd. Inder und 350 Mio Amerikaner null Interesse daran haben, nachhaltig zu leben, dann könne wir uns noch so viel anstrengen. Jetzt kann man wieder das Argument bringen, „Ja, einer muss damit anfangen“. Genau, deshalb werden weltweit überall neue AKWs gebaut währnd wir unsere abgeschaltet haben.Und mich nervt absolut diese Scheinheiligkeit in der Politik – grade von den Grünen. Da fliegt eine Annalena Bärbock kreuz und quer über den Globus um Hände zu schütteln. In Zeiten wie diesen ginge das auch mit Videokonferenzen etc. Die Erhöhung des CO2 Preises jetzt zum 01.01. von 30 auf 40 Euro wird nix bringen, außer mehr Staatseinnahmen. Kein Mensch wird sich denken „Oh, jetzt ist Sprit so teuer, jetzt kaufe ich mir ein E-Auto“. Der Strom preis wird an die Decke getrieben und dann vom Staat subventioniert. Finde den Fehler.
Vielleicht sollte man auch einfach mal die Tatsache in Betracht ziehen, dass der liebe Gott diesen Planet nicht für 8 (bald 9 Mrd) Menschen erschaffen hat. Jeder will seinen Teil vom Kuchen und kaum einer ist bereit dafür auf etwas zu verzichten. Außer ein paar Gutmenschen die es gut meinen, auf Flüge verzichten, vegan leben etc.
Sorry, aber so kann man den Planeten auch nicht retten.Nur meine Meinung, die du wahrscheinlich komplett anders siehst.
Dennoch wollte ich die mal los werden.Grüße
Stefan -
Liebe Ute,
wir haben uns am vorletzten Wochenende auf dem Seminar kennengelernt und jetzt habe ich es endlich geschafft, mir deinen Blog anzuschauen. Mir ging dein Satz „An nervige Kritik und Abwertung gewöhnt man sich verrückter Weise mit der Zeit“ nicht aus dem Kopf und nachdem ich mir einige Artikel und die Kommentare angeschaut habe, weiß ich jetzt, was du meintest. Wir hatten leider nicht die Gelegenheit, uns länger zu unterhalten. Ich hatte auch mal eine Webseite und habe die Kommentarfunktion irgendwann ausgeschaltet, weil mich das einfach nur noch genervt hat. Wir leben ja heute in einer Zeit, wo jeder meint, Experte zu sein und seinen Senf dazugeben zu müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, diesen Menschen die Aufmerksamkeit zu geben, nach der sie meiner Meinung nach bewusst suchen. Jedenfalls Respekt, dass du dir die Zeit dafür nimmst, mich würde das zu sehr aufregen. Ich fand’s schön, dass wir uns (wenn auch nur kurz) kennengelernt haben, deine Gedanken auf dem Seminar fand ich sehr interessant und anregend. Das mit der Wüste werde ich hoffentlich mal umsetzen können, das klang vielversprechend :)) Wer weiß, vielleicht treffen wir uns ja nochmal bei einem weiteren Seminar, würde mich freuen!
Viele Grüße
Britta -
Es scheint so, als ob man einfach Grünen-Wähler werden muss. Da ist die Welt so schön bunt und einfach… herrlich
Das tolle an diesem Klimawandel ist ja auch, das man ihn sich zurechtlegen kann wie man ihn grade braucht.
Zu heiß –> Klimawandel
Zu kalt –> Klimawandel
Zu viel Regen/Unwetter –> Klimawandel
Zu wenig Regen –> Klimawandel
Nach langer Trockenheit endlich Regen –> Jaaaaa, aber die Grundwasserspeicher sind immer noch viel zu leer
usw. usfDas Deutschland mit seiner Vorreiterrolle seine Wirtschaft grade volle Kanne gegen die Wand fährt, hast du sicherlich bislang igoriert.
Goodyear ist schon weg, Michelin schließt seine Werke 2025. BASF investiert nur noch im Ausland, VW meldet Kurzarbeit an, etc.
Aber die Firmen sind ja nicht Insolvent, sie hören nur auf zu produzieren.Und nein, beim Bärbock bashing bin ich nicht dabei.
Wie man mit so viel Inkompetenz und fünftklässler Englisch Außenministerin werden kann, das zollt mir schon eine ganze Menge Respekt ab.
Da dreht sich selbst ein Wladimir Putin um 360 Grad vor lauter Respekt.Was jetzt das Problem daran ist dass mein Kommentar halbwegs anonym ist (wenigstens der Vorname stimmt wirklich) verstehe ich jetzt auch nicht so ganz.
Möchtest du noch meine Adresse und Bankdaten haben ?Dennoch, frohe Weihnachten und ein gesundes 2024 wünsche ich dir.
Grüße
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Racer
Hallo Ute, es freut mich ,das sich Deine Ansicht, in Bezug auf den Klimawandel, wieder in Richtung „objektive Wahrnehmung“ verschiebt.
Sich selbst etwas zu versagen, was man am meisten liebt und was Einen ausmacht, erzeugt meiner Meinung nach nur Frust und große Unzufriedenheit. Zumal es keinerlei Probleme lösen würde. Wäre in etwa so , als würde ich auf das Motorrad Fahren aufgeben.